Rudi Knoth hat geschrieben:Wie kommen Sie auf das Jahr 1933? Gibt es in Deutschland oder der Schweiz eine Machtergreifung?
Sehr geehrter Herr Knoth,
weil man sich solche Nachrichten aus dieser Zeit gewohnt ist. Ausserdem erfolgt eine solche "Machtergreifung" nicht von heute auf morgen und wird auch kaum identisch gleich wie damals erfolgen; insbesondere kann man hierfür auch moderne Informationstechnologien verwenden.
Rudi Knoth hat geschrieben:Und was den Tweet der SVP-Politikerin angeht, dann stellt sich die Frage, wie Sie zu den legendären "Maifestspielen" in Berlin-Kreuzberg stehen?
Dass auch Sie diese Frage stellen ist interessant. Mir würde sich eine ganz andere Frage stellen: wer sind die Täter ?
- irgendwelche "Lausbuben", die betrunken eine Wette abgeschlossen haben ?
- vielleicht frustrierte "Wutbürger", die gegen das Establishment eine publikumswirksame Tat verüben und selber zu blöde dazu sind, allfällige Folgen beurteilen zu können ?
- möglicherweise ein Verrückter ohne Motive - das gab es in Zürich auch schon ?
- eventuell die politische Rechte, die die Linken einschüchtern will ?
- oder gar die Opfer selber, um es den Rechten in die Schuhe zu schieben ?
- ...
Man weiss es nicht. Dennoch gefallen sich sehr zeitnah rechtsgerichtete Kreise darin, unverhohlen ihre Sympathie zu diesen Taten kundzutun, sie "begründen" diese Straftaten mit anderen Taten, die die Betroffenen oder die Gruppierung, die sie politisch vertreten, getan haben und die einen solchen Anschlag deswegen wenigstens rechtfertigen, wenn nicht gar darüber hinaus erforderlich machen u.s.w.
In diese Richtung geht auch Ihre Frage, wie ich zu den legendären "Maifestspielen" in Berlin-Kreuzberg stehe. Muss ich sie wirklich beantworten oder kennen Sie meine Antwort ?
Falls Sie nicht selber darauf kommen, gebe ich Ihnen einen Tipp: ich respektiere das Strafgesetz, welches auf demokratische Weise erstellt wurde und welches mit ebenso demokratischen Mitteln auf moderne Begebenheiten angepasst wird.
Und was ich von Tätern halte, die sich feige ihrer Verantwortung entziehen, und von Sympathisanten, die in der Grauzone des Gesetzes agieren statt den demokratisch politischen und politisch-korrekten und anderen Menschen gegenüber respektvollen Diskurs zu suchen, können Sie sich sicherlich auch vorstellen.
Wobei ich den Sympathisanten durchaus zugestehe, dass sie aus einer gewissen Verärgerung oder Verdrossenheit handeln, aber wenn man sie dann auf die Zusammenhänge hinweist, dann bin ich der Meinung, dass sie ihre Überlegungen hinterfragen sollten. Das mag weil Emotionen hier eine wichtige Rolle spielen Zeit in Anspruch nehmen, eine wirklich neutrale Position einzunehmen, und auch das bin ich bereit, den Sympathisanten zuzugestehen. Aber zumindest eine Bewegung der Überlegungen in eine solche Richtung erwarte ich in einem vernünftigen Zeitrahmen, das heisst ja nicht, dass das Erarbeiten, wie konkret eine solche neutrale Position gefunden werden kann, überhastet stattfinden soll.
Was ich indes bei zahlreichen Sympathisanten feststelle ist eher, dass sie ihre Position rechtfertigen statt sie ergebnisoffen zu hinterfragen. Rechtfertigung aber ist Abwehr und da bewegt sich gar nichts, während beim Hinterfragen eigener Positionen Bewegung in Gang kommt.
Freundliche Grüsse, Ralf Kannenberg