Hallo zusammen,
auf der mittleren Seite "Kritische Punkte" bringt Herr Storz einige durchaus interessante Punkte ein, doch funktioniert Mathematik so nicht. So ist die von ihm genannte Gleichung zunächst einmal gar keine Identität, da in der Mathematik unendliche Summen gar nicht definiert sind und auch die Einer-Periode auf der rechten Seite zunächst noch zu 1/9 definiert werden muss und dann der Nachweis erbracht werden muss, dass diese Definition widerspruchsfrei und wohldefiniert ist, was man beispielsweise über die geometrische Reihe tun kann.
Das gilt auch schon für den Satz davor:
Nun ist 0.11111... nichts anderes als eine andere Schreibweise für 0.1 + 0.01 + 0.001 + 0.0001 + ... .
Die Wortwahl "nichts anderes als" suggeriert eine einfache Identität, die in dieser Form noch gar nicht gegeben ist, weil beide Ausdrücke zunächst einmal nicht definiert sind. Man muss also zeigen, dass diese Ausdrücke
existieren, was insbesondere auch die Konvergenz der Reihe als notwendige Bedingung beinhaltet, und dass der Grenzwert der Reihe gleich ist der Einer-Periode. Das ist zunächst einmal nicht trivial und erfordert die Methoden der Infinitesimalrechnung, beispielsweise diese als "unsexy" empfundene Epsilontik, d.h. für alle ε>0 findet man dann ein δ>0, so dass eine zu untersuchende Eigenschaft in Abhängigkeit dieses δ kleiner als ε ist.
Anfängern auf diesem Gebiet rate ich dringend zu, nur das Verhalten
absolut konvergenter Reihen zu untersuchen, sonst kann man auf völlig der Intuition widersprechende Phänomene stossen, die überhaupt nichts mit philosophischen Überlegungen zu tun haben, sondern lediglich damit, dass nicht-absolut konvergente Reihen gewisse Eigenschaften eben im Allgemeinen nicht aufweisen.
In diesem Zusammenhang ist nun auch diese Aussage von Herrn Storz zu sehen:
Der Grenzübergang ist höchstens noch als eine für uns endliche Menschen notwendige Krücke zu verstehen
Das ist zwar verständlich, dass er das so sieht, jedoch ist es falsch: die Methoden der Infinitesimalrechnung mögen uns als lästige Krücken erscheinen, sie sind aber erforderlich, um Situationen, in denen man es mit zunächst nicht definierbaren Unendlichkeiten zu tun hat, dennoch mathematisch exakt behandeln zu können.
Natürlich kann man sich Gedanken machen, ob es wie Herr Storz schreibt "in einem höhren Sinne" nicht auch besser geht. Tatsächlich gibt es hierzu Ansätze wie beispielsweise die Dedekind'schen Schnitte zur Definition von reellen Zahlen oder die Non-Standard-Analysis zur eleganteren Beweisführung der Sätze der Inifinitesimalrechnung. Tatsächlich sind das sehr elegante Methoden, jedoch haben sie den Nachteil, dass man ein Experte sein muss, weil sie bisweilen nicht intuitiv sind, während man die Methoden der Epsilontik entsprechenden Fleiss vorausgesetzt am Ende des ersten Semesters eines Mathematikstudiums erlernt hat.
Auf diesem Gebiet nennenswerte Beiträge leisten zu können erfordert übrigens mathematische Kenntnisse, die mindestens im Rahmen einer Dissertation auf diesem Gebiet erworben wurden. Alles andere sind nette Unterhaltungen, die das Risiko bergen, dass so untreffende Resultate wie
hier von mir beschrieben hergeleitet werden.
Freundliche Grüsse, Ralf