Widerspruch und Näherung beim Schwarzen Loch

Hier wird die Relativitätstheorie Einsteins kritisiert oder verteidigt

Moderator: nocheinPoet

Re: Widerspruch und Näherung beim Schwarzen Loch

Beitragvon ralfkannenberg » Dienstag 3. Dezember 2013, 15:15

Tachyon hat geschrieben:
ralfkannenberg hat geschrieben:ich habe die Diskussion auch gesehen, mir ist aber nicht ganz klar, was an der Argumentation vom HD116657 falsch sein soll. Seine Argumentation ist zwar einfacher und beruht auf einem idealistischen Fall eines Probeteilchens mit vernachlässigbarer Masse, dies dürfte aber im Falle der bekannten zumindest "grösseren" Schwarzen Löcher, also den Sternen, die einen Gravitationskollaps erlitten haben, sowie den AGN's im Zentrum zahlreicher Galaxien zumindest in erster Näherung erfüllt sein.


Du hast natürlich recht. Für stellare und galaktische Schwarze Löcher kann man es getrost ignorieren, wenn das ein Apfel rein fällt. Aber dann wächst es auch nicht. (Abgesehen davon, dass die in der Regel rotieren und von einer Menge Materie umgeben sind, so dass die Schwarzschildmetrik ohnehin nicht infrage kommt.)

Hallo Tachyon,

ja natürlich, die Kerr-Metrik wollte ich natürlich auch aussen vor lassen und mich auf nicht-rotierende Schwarze Löcher beschränken.

Tachyon hat geschrieben:
ralfkannenberg hat geschrieben:Auch sein Beispiel mit der Schildkröte scheint mir - zumindest für die Situation echt ausserhalb des Ereignishorizontes - zutreffend zu sein, zumal die Metrik des Achilles-Schildkröten-Paradoxons wenn ich es recht sehe positiv definit und symmetrisch ist und auch die Dreiecksungleichung erfüllt, somit also tatsächlich eine Metrik ist.


Nein, bei Achilles und Schildkröte, dem Zenon-Paradoxon geht es darum, dass sich endliche Intervalle in unendlich viele Schritte einteilen lassen. Es gibt unendliche Reihen mit einem endlichen Grenzwert. So wichtig das für die Infinitesimalrechnung ist, mit dem "Einfrieren" der Materie am Ereignishorizont hat das nichts zu tun.

Man könnte doch das gleiche - bzw. vereinfachend per Intervall-Halbierung - am EH auch machen:

1.Schritt: Abstand Erde - Ereignishorizont Schwarzes Loch
2. Schritt: Abstand Mitte (1) - Ereignishorizont Schwarzes Loch
3. Schritt: Abstand Mitte (2) - Ereignishorizont Schwarzes Loch
(...)
(j+1).ter Schritt: Abstand Mitte (j) - Ereignishorizont Schwarzes Loch

Die Materie friert ja nicht am Ereignishorizont ein, es ist vielmehr deren Licht, welches dort im Grenzübergang j in IN "einfriert".

Und vom "eingefrorenen" und immer stärker rotverschobenen Licht kann man m.E. nicht auf den derzeitigen Ort der Materie zurückschliessen, wie Jolandar das behauptet.

Tachyon hat geschrieben:
ralfkannenberg hat geschrieben:Jondalar übersieht m.E. einfach nur, dass die Masse aus seiner Sicht, also der Sicht eines Beobachters weit genug ausserhalb des Schwarzen Loches, nicht nur nicht ins Schwarze Loch hineinfällt, sondern auch den Ereignishorizont gar nicht erreicht.


Nein, das übersieht er nicht. Genau das ist sein Argument und es ist falsch, weil er eine statische Näherung betrachtet.

Könntest Du hier bitte noch ausholen, da ich das Argument nicht sehe: ich dachte, dass schon im Falle einer statischen Näherung ein Trugschluss vorliegt.


Freundliche Grüsse, Ralf
Benutzeravatar
ralfkannenberg
 
Beiträge: 5469
Registriert: Montag 24. Oktober 2011, 20:25

Re: Widerspruch und Näherung beim Schwarzen Loch

Beitragvon Herr Senf » Dienstag 3. Dezember 2013, 17:12

Keine Ahnung, ob man das mit einer Metrik für einen entfernten Beobachter hinkriegt.
Stand der Akkretionsphysik ist doch, daß wir Rotverschiebung der Lichtemission am Ereignishorizont haben, aber nur auf einer Seite bis zur Nichtsichtbarkeit,
auf der anderen gegen die "allgemeine" eine Blauverschiebung (noch) sichtbar, dazu Beaming wegen relativistischem Dopplereffekt.
Der Akkretionsfluß umkreist den Ereignishorizont relativistisch, aber am Ereignishorizont gehen die Teilchen senkrecht zum Horizont im freien Fall und mit (gegen ---> c ) Lichtgeschwindigkeit in das schwarze Loch.
Dieser Wachstumsprozeß wird möglicherweise durch eine gravitative Selbstregulation gebremst bei M~1010M http://arxiv.org/pdf/0808.2813v2.pdf
ich will auch mal was dazu sagen
Benutzeravatar
Herr Senf
 
Beiträge: 717
Registriert: Mittwoch 26. Dezember 2012, 18:21

Re: Widerspruch und Näherung beim Schwarzen Loch

Beitragvon Tachyon » Dienstag 3. Dezember 2013, 18:58

ralfkannenberg hat geschrieben:Könntest Du hier bitte noch ausholen, da ich das Argument nicht sehe: ich dachte, dass schon im Falle einer statischen Näherung ein Trugschluss vorliegt.


Sein Argument ist, dass eine in die Schwarzschildmetrik hinein beschleunigte Masse sich dem Ereignishorizont nur asymptotisch annähert und ihn nie erreicht. Deshalb könne die Masse niemals im Schwarzen Loch ankommen und es so auch nicht vergrößern. Das ist übrigens derselbe Denkfehler, den Leute machen, wenn sie sagen ein Schwarzes Loch können keine Hawking-Strahlung aussenden, weil keine Strahlung den Ereignishorizont von innen durchqueren kann. Der Ereignishorizont einer Metrik kann auch durch Einflüsse von außen verändert werden. Jede Masse, wo auch immer sie ist, modifiziert die Metrik um sie herum. Das ist der Kern der ART.

Jo hat die naive Vorstellung, die Form der Metrik sei durch die Masse bestimmt, die sich innerhalb des Ereignishorizontes befindet. Deshalb, so glaubt er, müsse eine Masse innen ankommen, bevor sich das Loch ändern kann. Das ist grundfalsch. Was innerhalb des Ereignishorizontes geschieht hat keinen Einfluss mehr auf die Metrik.

Gruß,
Tachyon
Was sind eigentlich Tachyonen?
Benutzeravatar
Tachyon
 
Beiträge: 577
Registriert: Freitag 10. Dezember 2010, 20:55
Wohnort: Der Hohe Norden

Re: Widerspruch und Näherung beim Schwarzen Loch

Beitragvon Herr Senf » Dienstag 3. Dezember 2013, 23:31

Ich komme zurück auf den Schildkrötenansatz von Ralf, das ergibt eine populär brauchbare Erklärung:

Die asymptotische Annäherung und unendliche Einfallzeit für einen äußeren Beobachter ist doch ein "mathematischer Artefakt".
In der Schwarzschild-Metrik ist der Ereignishorizont eine Koordinaten-Singularität bei rs, darauf gibt es keine Lichtkegel.
Die kann man mit Lemaitre 1933 umgehen, jedenfalls erreicht ein Testteilchen sowohl den EH=rs als auch r=0 in endlicher Eigenzeit.

Aber wir müssen eine äußere "Beobachtergenauigkeit" berücksichtigen, das wäre die Planck-Länge >0.
Beim auf fast c beschleunigten Einfall wird das Testteilchen in endlicher Zeit auf Planck-Dicke >0 gequetscht.
Und die Entfernung zum Horizont erreicht bzw. unterschreitet "schnell" den Planck-Abstand >0.
Für den realen äußeren Beobachter wird das Testteilchen also in endlicher Zeit den EH vergrößern und Bestandteil des SL sein.
Grüße Senf

PS: wer's genauer will ru.wiki "Для реального физического наблюдателя (ведущего измерения с планковской погрешностью) ...
радиус горизонта событий возрастёт и падающее тело окажется «внутри» горизонта событий за конечное время."
ich will auch mal was dazu sagen
Benutzeravatar
Herr Senf
 
Beiträge: 717
Registriert: Mittwoch 26. Dezember 2012, 18:21

Re: Widerspruch und Näherung beim Schwarzen Loch

Beitragvon ralfkannenberg » Mittwoch 4. Dezember 2013, 10:19

Herr Senf hat geschrieben:Für den realen äußeren Beobachter wird das Testteilchen also in endlicher Zeit den EH vergrößern und Bestandteil des SL sein.

Hallo Herr Senf,

danke sehr - das ist der Punkt, an dem sich der HD116657 im MAHAG geirrt hat: er hat eben nicht beliebige epsilon > 0 zur Verfügung.


Freundliche Grüsse, Ralf
Benutzeravatar
ralfkannenberg
 
Beiträge: 5469
Registriert: Montag 24. Oktober 2011, 20:25

Re: Widerspruch und Näherung beim Schwarzen Loch

Beitragvon ralfkannenberg » Mittwoch 4. Dezember 2013, 10:20

Tachyon hat geschrieben:Der Ereignishorizont einer Metrik kann auch durch Einflüsse von außen verändert werden. Jede Masse, wo auch immer sie ist, modifiziert die Metrik um sie herum. Das ist der Kern der ART.

Hallo Tachyon,

und jetzt passt es auch zusammen :)


Freundliche Grüsse, Ralf
Benutzeravatar
ralfkannenberg
 
Beiträge: 5469
Registriert: Montag 24. Oktober 2011, 20:25

Re: Widerspruch und Näherung beim Schwarzen Loch

Beitragvon Tachyon » Mittwoch 4. Dezember 2013, 10:23

Hallo,

Ja, Herr Senf, das war in Etwa mein Gedanke. Wobei es meines Erachtens nicht die Plancklänge sein muss, die unterschritten werden muss. Die Plancklänge ist ja die Ausdehnung, bei der ein einzelnes Elementarteilchen schon zum Schwarzen Loch werden muss. Größere Objekte haben größere Schwarzschildradien. Spätestens, wenn eine Objekt auf Schwarzschildradius an das Loch heran ist, wird es mit diesem Verschmelzen.

Gruß,
Tachyon
Was sind eigentlich Tachyonen?
Benutzeravatar
Tachyon
 
Beiträge: 577
Registriert: Freitag 10. Dezember 2010, 20:55
Wohnort: Der Hohe Norden

Vorherige

Zurück zu Relativitätstheorie

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 20 Gäste