Hallo M.S !
M.S hat geschrieben:Jede Menge hat eine Mächtigkeit (nämlich die Anzahl ihrer Elemente) - korrekt?
Nein, das gilt nur für endliche Mengen.
M.S hat geschrieben:Jede Menge ist abzählbar - korrekt ?
Nein: aus dem Cantor'schen Diagonalbeweis folgt, dass die Menge der reellen Zahlen zwischen 0 und 1 überabzählbar unendlich ist.
M.S hat geschrieben:Ergo dessen ist die Menge der natürlichen Zahlen abzählbar.
Nein, dass die natürlichen Zahlen abzählbar unendlich sind ist lediglich eine Definition.
Diese lautet: eine Menge, zu der es mindestens eine Bijektion in die natürlichen Zahlen gibt, heisst "abzählbar unendlich". Meistens kürzt man die Wortwahl "abzählbar unendlich" zu "abzählbar" ab, obgleich endliche Mengen im umgangssprachlichen Sinne ja ebenfalls "abzählbar" sind.
M.S hat geschrieben:Kann ich das so sagen oder muss ich sagen: die Menge der natürlichen Zahlen ist abzählbar unendlich?
Wie gesagt: das ist lediglich eine Definition.
M.S hat geschrieben:Meine Problem beginnt mit der Gleichmächtigkeit gewisser Mengen.
Das ist ganz normal und am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig.
M.S hat geschrieben:Die Menge der natürlichen Zahlen ist gleichmächtig wie die Menge der Primzahlen - korrekt?
Das ist korrekt.
M.S hat geschrieben:Wenn ja, wie kann das sein. Ich verstehe schon, dass ich zwischen diesen beiden Mengen eine Bijektion herstellen kann. Aber, da die Primzahlen ja immer seltener auftreten, müsste doch deren Mächtigkeit kleiner als die der natürlichen Zahlen sein.
Warum ? Du kannst die Primzahlen doch durchnummerieren. Dann bekommt jede Primzahl also eine Nummer. Da jede Primzahl endlich ist, gibt es nur endlich viele Primzahlen kleiner als diese Primzahl, d.h. im "ungünstigsten" Fall ist diese Nummer gleich dem Absolutbetrag dieser Primzahl und der ist wie gesagt endlich.
Deine Intuition lässt Dich deswegen im Stich, weil Du das Argument der starken Ausdünnung der Primzahlen primär siehst. Aber es ist so, dass das Reservoir der Primzahlen riesig gross ist, nämlich unendlich gross. Das heisst, wenn Du für die nächste Nummer noch eine brauchst, so kannst Du eine aus dem unendlich grossen Reservoir herausnehmen.
M.S hat geschrieben:Oder mal konkret: Ist die Mächtigkeit der Menge der natürlichen Zahlen ein Wert? Kann ich mit dem rechnen?
Ja und nein. Ich sage nein, jedenfalls nicht im Rahmen eines algebraischen Körpers (englisch: "field"), in dem die 4 Grundrechenarten gelten und bei dem man beweisen kann, dass der Hauptssatz der Algebra gültig ist.
Man kann aber Kardinalzahlen definieren und mit denen herumrechnen. Es gibt Logiker, die das tun, aber ich bin nur Mathematiker und halte mich da an die Algebra.
Im Übrigen ist mit den Axiomen der Mengenlehre nicht entscheidbar, ob es eine Kardinalzahl zwischen der Mächtigkeit der natürlichen Zahlen und der Mächtigkeit der reellen Zahlen gibt (Kontinuumhypothese).
Wie auch immer, mein Ratschlag: lass das weg. Selbst ich kam in meinem Studium ohne Kardinalzahlen aus und in den meisten mathematischen Disziplinen kann man auch promovieren, ohne sich mit Kardinalzahlen beschäftigen zu müssen.
Es genügt völlig zu wissen, dass es eine Mächtigkeit für die natürlichen Zahlen gibt sowie mindestens eine "grössere" Mächtigkeit. Wie diese grösseren Mächtigkeiten, also die "Überabzählbarkeiten" aufgebaut oder strukturiert sind, ist indes ausschliesslich etwas für Leute, die auch diesem Gebiet spezialisiert sind. Was wir aber wissen ist, dass die Menge der Punkte auf einer Geraden überabzählbar ist. Naiverweise weist man diese Menge den reellen Zahlen zu, aber die reellen Zahlen sauber axiomatisch zu definieren ist gar nicht so trivial (Stichwort: "Dedekind'sche Schnitte"). Aber auch hier kann man sich zunutze machen, dass die rationalen Zahlen "dicht" sind, d.h. zwischen zwei rationalen Zahlen sich stets eine weitere rationale Zahl befindet (z.B. ihr Mittelwert). Das ist nicht ganz richtig, aber für den Moment genügend; streng genommen ist eine Menge dicht in einer anderen Menge, also konkret sind die rationalen Zahlen dicht in der Menge der reellen Zahlen. Das hat dann zur Folge, dass man jede reelle Zahl als konvergente Folge von rationalen Zahlen darstellen kann, d.h. man kann "anschaulich" die reellen Zahlen so definieren, dass sie die rationalen Zahlen sind, zu denen man alle konvergenten Grenzwerte rationaler Folgen dazugefügt hat. Dieses Hinzufügen der konvergenten Grenzwerte nennt man auch "Vervollständigen" und man kann zeigen, dass diese Definition äquivalent zur Definition der Dedekind'schen Schnitte ist.
Freundliche Grüsse, Ralf