Über Null-, konstante und lineare Funktionen

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Re: Über Null-, konstante und lineare Funktionen

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 31. Oktober 2014, 19:55

Dgoe hat geschrieben:Hallo Ralf,

gut, ich konnte alle Rechnungen im Detail nachvollziehen, bis auf das mit der Polynomdivision. Und: wo war die Eulersche Formel gewesen?

Gruß,
Dgoe

Hallo Dgoe,

nirgends: die Euler'sche Formel spielt nicht im algebraischen, sondern im analytischen Ansatz eine Rolle.

Vielleicht ist das Wort "analytisch" für den Laien irreführend, das hat zunächst einmal nichts mit dem umgangssprachlichen Wort zu tun, auch wenn es natürlich von dort kommt.

"Geometrisch" dürfte klar sein, da konstruiert man sich irgendetwas mit Zirkel und Lineal (und Einheitsmaßstab), also wenn man wie beim Ziffernblatt einer Uhr den Zeiger um 1 Stunde weiterdreht, so ist das zunächst einmal ein geometrischer Ansatz.

"Algebraisch" wird er, wenn man die geometrisch konstruierten Aktivitäten brute force ausrechnet und dann vor allem auch auf die Struktur dieser Mengen und ihrer Operationen untersucht, also ob eine Gruppe vorliegt, ein Ring oder ein Körper; dabei überprüft man dann, dass z.B. das Ergebnis einer Rechnung stets wieder in der Menge liegt, ob Assoziativgesetze gelten, Neutralelemente vorhanden sind, inverse Elemente und Kommutativgesetze und bei mehreren Operationen auch das Distributivgesetz.

Die Lineare Algebra ist da ein bisschen ein "Zwischending" und wird zur Einführung in die Algebra verwendet: hier kann man noch gut die geometrische Konstruktion und Anschauung konkret berechnen und gleichzeitig das ganze auf Strukturen (Vektorräume und Gruppen) untersuchen; in der Algebra überwiegt dann die Strukturuntersuchung.

In der "Analysis" indes wird das Verhalten von Funktionen untersucht, also ob da vielleicht ein Spezialfall wie die Nullfunktion, eine konstante Funktion, eine (rein-)lineare Funktion, eine quadratische Funktion, eine Exponentialfunktion oder sonst was vorliegt; da werden im Allgemeinen Begriffe wie Stetigkeit genauer untersucht, dann auch Ableitungen und Integrale.

Beim Einheitskreis wird man also diesen im analytischen Ansatz mithilfe der Exponentialfunktion beschreiben, das klappt sehr schön und läuft auf wohlvertraute Funktionen wie Sinus und Cosinus hinaus, wobei ein Mathematiker den etwas plumpen Cosinus in den Mittelpunkt stellen würde und nicht den dem Laien besser vertrauten Sinus. Beide sind ja völlig gleichwertig. Dank dem kann man dann eben im Einheitskreis auch geometrisch und algebraisch vorgehen; der Satz des Pythagoras spielt da dann ebenfalls eine herausragende Rolle bei der Herleitung eines ganz zentralen Resultates.

Oder die geometrische Reihe, die wir genutzt haben, um die Existenz der Euler'schen Zahl nachzuweisen, wobei hierfür die geometrische Reihe der Zahl 1/2 völlig ausreichend ist, also ich gehe die Hälfte zur Wand, dann vom neuen Standort wieder die Hälfte zur Wand, dann wieder die Hälfte usw. und man kann sich sehr einfach auch geometrisch vorstellen, dass man die Wand erst im Unendlichen erreicht.

Man kann es auch - natürlich ist das ungenau - so unterscheiden: wenn die Zahl der Elemente abzählbar unendlich ist, so ist der Ansatz algebraisch, also von der Algebra herkommend, und wenn die Zahl der Elemente überabzählbar unendlich ist, so ist der Ansatz analytisch, also von der Analysis herkommend. Das kommt daher, dass die Peano Axiome eine abzählbare Menge definieren, während der Stetigkeitsbegriff nur auf einer vollständigen Menge wie den reellen Zahlen möglich ist, und diese sind eben überabzählbar.


Freundliche Grüsse, Ralf
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Re: Über Null-, konstante und lineare Funktionen

Beitragvon Dgoe » Freitag 31. Oktober 2014, 19:59

sorry, Ralf,

ich habe oben ein wenig nacheditiert, muss erst mal lesen. Dachte nicht, dass es so schnell geht.

:oops:
Alle sagten immer das geht nicht, dann kam jemand, der das nicht wusste, und hat es einfach gemacht!
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Re: Über Null-, konstante und lineare Funktionen

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 31. Oktober 2014, 20:10

Dgoe hat geschrieben:Einmal woher das kommt "Wegen sin(90°-x) = sin(90°+x) und cos(90°-x) = -cos(90°+x)"

Hallo Dgoe,

dazu brauchst Du Dir nur die Sinus- und die Cosinusfunktion aufzumalen und dann "siehst" Du sofort, dass dem so ist.

Habe ich übrigens auch so gemacht, ich merke mir sowas nicht auswendig.

Dgoe hat geschrieben:und wie man das rechnet:
sin(60°) = 1/2*sqrt(3)
und
-cos(60°) = -1/2

Dafür nimmt man ein Dreieck mit den Winkeln, ergänzt das ggf. zu einem Rechteck - der rechte Winkel ist da eben wesentlich - und dann liegt das Ergebnis auf dem goldenen Tablett. Vielleicht braucht man da noch irgendwo auch wieder den Satz des Pythagoras. Das geht wegen des rechten Winkels.

Also man berechnet sin(30°) oder cos(60°) - ist ja dasselbe,
dann sin(45°) oder cos(45°), ist ja auch dasselbe, und
dann sin(60°) oder cos(30°) ist ja auch dasselbe.

Zwei weitere schöne Sachen, die man auch berechnen kann, übersieht man gerne, weil sie trivial sind, nämlich sin(0°) = cos(90°) = 0 und sin (90°) = cos(0°) = 1.


Und die Merkregel:

sin(0°) = 1/2*sqrt(0)
sin(30°) = 1/2*sqrt(1)
sin(45°) = 1/2*sqrt(2)
sin(60°) = 1/2*sqrt(3)
sin(90°) = 1/2*sqrt(4)

oder Cosinus von unten nach oben:

cos(90°) = 1/2*sqrt(0)
cos(60°) = 1/2*sqrt(1)
cos(45°) = 1/2*sqrt(2)
cos(30°) = 1/2*sqrt(3)
cos(0°) = 1/2*sqrt(4)



Dgoe hat geschrieben:Und weiter unten: Wo war die Eulersche Formel gewesen?

Nirgends.

Wobei das nicht ganz richtig ist, denn wir haben ja die drei Lösungen der Kubikwurzel von 1 mit diesem 120°-Mercedesstern konstruiert und da kamen ja Cosinus und Sinus vor. Das ist einfach die Euler'schen Formel für den Spezialfall 120°.

Oder auch 1 als Lösung von f(x) = x-1; das ist die Euler'schen Formel für den Spezialfall 360°.
Oder die beiden Quadratwurzeln von 1: das ist die Euler'schen Formel für den Spezialfall 180°.
Oder die vier Bi-Quadratwurzeln von 1, also noch zusätzlich mit i und -i: das ist die Euler'schen Formel für den Spezialfall 90°.


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Re: Über Null-, konstante und lineare Funktionen

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 31. Oktober 2014, 20:12

Dgoe hat geschrieben:Ich kann zwar auch nachvollziehen, dass
(x - 1) * (x² + x + 1)=x³+x²+x-x²-x-1=x³-1
ist, nur wie man auf umgekehrten Wege genau auf diese Idee kommt, ist mir ein Rätsel, ich hätte wahrscheinlich ewig herumprobiert, wie ich die x-1 da heraus extrahieren kann.

Hallo Dgoe,

das geht über unsere kleine Einführung hinaus. Stichwort Wikipedia, "Polynomdivision".


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Re: Über Null-, konstante und lineare Funktionen

Beitragvon Dgoe » Freitag 31. Oktober 2014, 20:21

Danke Ralf,

das war wirklich sehr informativ und eine große Hilfe!
Polynomdivision schaue ich mir noch an, kein Problem.

Gruß,
Dgoe
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Re: Über Null-, konstante und lineare Funktionen

Beitragvon Dgoe » Freitag 31. Oktober 2014, 20:22

Ich werde das auch noch mal alles Review passieren lassen.
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Re: Über Null-, konstante und lineare Funktionen

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 31. Oktober 2014, 21:11

ralfkannenberg hat geschrieben:
Dgoe hat geschrieben:Ich kann zwar auch nachvollziehen, dass
(x - 1) * (x² + x + 1)=x³+x²+x-x²-x-1=x³-1
ist, nur wie man auf umgekehrten Wege genau auf diese Idee kommt, ist mir ein Rätsel, ich hätte wahrscheinlich ewig herumprobiert, wie ich die x-1 da heraus extrahieren kann.

das geht über unsere kleine Einführung hinaus. Stichwort Wikipedia, "Polynomdivision".


Hallo Dgoe,

machen wir das doch mal.

Zuerst teilen wir von Hand die Zahl 6144 durch 3:

6144 = 3*x

Zuerst teilt man die vordere 6 durch 3:

6(144)
-6
0

Und da 6=3*2 kommt die 2 nun als erste Stelle des x:

6144 = 3*2....

Der Rest ist 0.

Dann teilt man die nachfolgende 1 durch 3:

Das ergibt
0. Diese hängt man an die 2 dran: 20 und "nimmt" den Rest 1 mit zur nächsten Ziffer, der 4.

Dann teilt man die nachfolgende 14 durch 3:

(6)14(4)
-12
2

Und da 12=3*4 kommt die 4 nun als zweite dritte Stelle des x:

6144 = 3*204....

Die hellblaue 2 im Rest wird nun noch mit der verbliebenen 4 von oben ergänzt:

24 = 3*z, also z=8; da 3*8=24 bleibt diesesmal kein Rest übrig.

Diese 8 wird nun rechts an die 204 gehängt:

6144 = 3*2048


So teilt man also eine Zahl von Hand.


Freundliche Grüsse, Ralf


EDIT 22:20 Uhr: kleinen Schreibfehler korrigiert

EDIT 1.11.2014, 11:15 Uhr und 11:18 Uhr: Rechenfehler korrigiert in rot, die fehlende zweite Ziffer 0 im Ergebnis habe ich bold und unterstrichen markiert; danke an Dgoe für den Hinweis, dieser Fehler wäre übrigens ein aaarrrggghhh wert !

EDIT 3.11.2014, 09:36 Uhr in der letzten Gleichung fehlte auch noch eine Ziffer (144 statt 6144); auch hier mein Dank an Dgoe, der mich darauf hingewiesen hat
Zuletzt geändert von ralfkannenberg am Montag 3. November 2014, 10:36, insgesamt 4-mal geändert.
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Re: Über Null-, konstante und lineare Funktionen

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 31. Oktober 2014, 21:56

ralfkannenberg hat geschrieben:So teilt man also eine Zahl von Hand.

Und nun machen wir dasselbe mit einem Polynom:

(x3-1) = (x-1)* ???

Wie oft geht (x-1) in (x3-1) ?

Bei Polynomen ist das ganze fast noch einfacher, da man hier nur den Grad der höchsten x-Potenz zu beachten braucht - genauer wäre: weil man den Grad der x-Potenz beachten muss, d.h. wir betrachten nur x3 und x: wie oft geht x in x3 ?

Nun, x2 mal.

Und welcher Rest bleibt übrig ?

x2 * (x-1) = x3 - x2

Diese Zahl muss nun von der ursprünglichen abgezogen werden:

(x3-1)
- (x3 - x2)
----------------
x2-1


Ok: wie oft geht nun (x-1) in x2-1 ?

Erneut entscheiden wir das nur über die Potenz von x; all die anderen Terme ergeben sich ja durch das Zurückmultiplizieren:

x2-1 = (x-1) * ?

Also: wie oft geht x1 in x2 ? - Genau x-mal.

Zurückmultiplizieren: (x-1) * x = x2 - x

Erneut bilden wir den Rest:

x2-1
-(x2-x)
----------------
x-1


Und wie oft geht (x-1) in (x-1) ? Genau 1-mal, ohne Rest.

Also ist die Lösung x2 + x + 1


Ich weiss, sowas im ASCII-Format darzustellen ist nicht gerade schön anzuschauen, auch wenn man es analog eingefärbt hat.


Freundliche Grüsse, Ralf
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Re: Über Null-, konstante und lineare Funktionen

Beitragvon Dgoe » Freitag 31. Oktober 2014, 22:12

Hallo Ralf,

beeindruckend! Ist das ein vedischer Trick?
Vor allem, wie geht's weiter? Beispielweise mit Variablen... wie ein x

Gruß,
Dgoe

da warst Du schon soweit, ahaaa...
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Re: Über Null-, konstante und lineare Funktionen

Beitragvon Dgoe » Freitag 31. Oktober 2014, 22:29

Das muss ich mir merken, am Besten übe ich das mal...
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