Hallo zusammen,
in die leidvolle Anreinanderreihung amerikanischer viel zu optimistischer Ankündigungen wider besseren Wissens ist nun mit der angeblichen Live-Beobachtung des Kometen Siding-Spring bei seiner extrem nahen Marspassage im Abstand von nur rund einem Drittel Abstand Erde-Mond eine weitere dazugekommen.
Tatsächlich gibt es "Live-Bilder", aber diese sind aus Chile von einem dortigen Teleskop und keineswegs von einem der Mars-Rover oder einer der Mars-Orbiter.
Listen wir nur mal auf, woran ich mich noch erinnern kann:
1. 1973 "Jahrhundertkomet" Kohoutek
Offenbar von den Apollo-Missionen beflügelt musste eine neuer Super-Erfolg her und da kam der Komet Kohoutek gerade richtig. Der sollte so richtig hell werden und eine deutsche Zeitschrift titelte gar "Ach Du Schreck, der Kohoutek". Sogar Sonderhefte wurden gedruckt.
Am Ende erreichte er etwa die 2.Grösse (wie der Polarstern) und es gab einige wissenschaftlich interessante Ergebnisse vom Skylab aus, der damaligen Weltraumstation.
Hinterher wurde dann gross analysiert, wie denn dieses "Public Communication Fiasko" passieren konnte. Immerhin hatte das zur Folge, dass der Komet West 1976 von der Fachpresse übersehen wurde, so dass er von der Tagespresse angekündigt werden musste; Sonderhefte natürlich Fehlanzeige.
Noch zum Fachlichen: wenn ein Komet noch "jungfräulich" ist, also erstmals in die Nähe der Sonne gelangt, so hat er noch viel leichtflüchtiges Material an seiner Oberfläche, welches dann in Sonnennähe verdampft und eine brilliante Erscheinung von der Erde aus beobachtet zur Folge haben kann. Wenn der Komet schon einige Male die Sonne besucht hat, ist dieses leichtflüchtige Oberflächenmaterial indes schon verbraucht.
2. 1986 Halley'scher Komet
Nach seiner grandiosen Passage 1910 wurde der bekannteste aller Kometen wider besseren Wissens erneut als Superspektakel angepriesen, obgleich genau bekannt war, dass er die Erdbahn bei dieser Passage "auf der anderen Seite" passieren würde und somit 2 AE entfernt bleibt. Im Fernrohr der Urania-Sternwarte in Zürich konnte man den Kometen als verwaschenes Fleckchen erkennen und bei seinem Rückflug schon im Mai gelangen mir 3 Beobachtungen mit dem Feldstecher, bei ca. 6.Grösse. - Durchschnittlich alle 2 Jahre kommt übrigens ein hellerer vorbei, letztmals vor knapp einem Jahr der Komet Lovejoy 2013.
3. 1990 "Jahrhundertkomet" Austin
Hat sowieso niemand mehr ernst genommen und war auch nix.
4. 1996 möglicher Jahrhundertkomet Hale-Bopp
Von den Malheurs Kohoutek und Austin klug geworden ging man beim Hale-Bopp'schen Kometen vorsichtiger vor und veröffentlichte allerlei Analysen, ob der vielleicht ein Jahrhundertkomet werden könnte oder nicht. Praktisch in jeder Astronomiezeitschrift wurde diese Fragestellung auf der Titelseite thematisiert. Dabei brauchte man nur zum Fenster herauszuschauen, da stand erstmals seit 20 Jahren (Komet West) wieder ein imposanter Komet am Himmel, der sogar die gesamte Nacht zu sehen war. Dummerweise hiess der nicht Hale-Bopp, sondern Hyakutake und erneut war es die Tagespresse, die darauf aufmerksam machte. Besonderns verwirrlich war, dass der Astronom Hyakutakte wenige Monate zuvor ebenfalls einen Kometen entdeckt hatte, der auch seinen Namen trug und der auch in den Astronomiezeitungen vorgestellt wurde, mit Umlaufbahn und allem drum und dran. War auch alles richtig, aber eben ein anderer Komet als der gleichen Namens, den man im März 1996 am Himmel bewundern konnte.
5. NASA: Angebliche Mikroben auf einem Mars-Meteoriten
Ich verringere nur unnötige meine Lebenserwartung, wenn ich diese Idiotie noch einmal kommentiere. Bis heute stellen sich da gewisse Leute auf den Standpunkt, man hätte das zum Zeitpunkt der Veröffetlichung nicht besser gewusst. Wenigstens wurden dank dieser Meldung Gelder gesprochen, so dass so schöne Sonden wie die Spirit und Opportunity und die Curiosity auf dem Mars herumfahren.
6. "Jahrhundertkomet" ISON 2013
Offenbar hat man die Erfahrungen von den Kometen Kohoutek und Austin wieder vergessen und pries den Kometen ISON als Jahrhundertkometen an; leider blieb er weit hinter den Erwartungen zurück und zerbrach dann zu allem Überfluss auch noch bei seiner Sonnenpassage.
Doppelt schade: hätte man sich auf die Ankündigung, dass der Komet ISON bei seiner Sonnenpassage zerbrechen könnte, beschränkt und dabei auf den wirklich vorhandenen Live-Blog verwiesen, wären die Laien in den Genuss wirklich atemberaubender Bilder des Sonnenobservatoriums SOHO gekommen; am spannendsten fand ich noch die Sonneneruption, die den armen Kometen etwa 12 Stunden vor seinem Periheldurchgang voll traf.
Und schade auch der Komet Lovejoy, der in dieser Zeit in 5.Grösse unterhalb des Grossen Wagen durchzog und auch von einem Laien mit einem kleinen Feldstecher problemlos auffindbar gewesen wäre. In der Fachpresse stand leider nach wie vor, dass der nur die 8.Grösse erreichen würde.
Diese Auflistung erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.
Freundliche Grüsse, Ralf