Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

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Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 8. November 2013, 13:23

Hallo zusammen,

in diesem Forum wurde eine Liste von 17 Beweisen zu diesem Thema genannt. Der erste dieser Beweise stammt vom Mathematiker Dedekind und verwendet im Gegensatz zum üblichen rein algebraischen Beweis, wie er hier vorgestellt wurde, mit analytischen Methoden geführt.

Auch wenn der Beweis Dedekinds kurz und bündig aussieht, so dürfte er für einen Laien nicht so ohne weiteres nachvollziehbar sein; ich selber habe rund 1 Stunde gebraucht, ehe ich ihn im vollen Umfang nachvollziehen konnte.

Hier also der Beweis:

Let D be a positive integer but not the square of an integer, then there exists a positive integer λ such that

λ² < D < (λ + 1)².

... If there exists a rational number whose square is D, then there exist two positive integers t, u, that satisfy the equation:

t² - Du² = 0,

and we may assume that u is the least positive integer possessing the property that its square, by multiplication by D, may be converted into the square of an integer t. Since evidently

λu < t < (λ + 1)u,

the number v = t - λu is a positive integer certainly less than u. If further we put

s = Du - λt,

s is likewise a positive integer, and we have

s² - Dv² = (λ² - D)(t² - Du²) = 0,

which is contrary to the assumption respecting u. Hence the square of every rational number is either less than D or greater than D ...



Man beachte, dass dieser Beweis für alle Quadratzahlen positiver ganzer Zahlen gültig ist. Wenn man den rein algebraischen Beweis entsprechend ergänzt, so wird er vom Umfang her vergleichbar wie derjenige Dedekinds. Die Ergänzung des rein algebraischen Beweises wird bei der Verallgemeinerung des Lemmas getätigt, welches besagt, ob aus x² durch k teilbar folgt, dass auch x durch k teilbar sein muss. In den Situationen, in denen das der Fall ist, kann man auf die Irrationalität der Quadratwurzel schliessen und man beweist das im Allgemeinen durch geeignete Betrachtungen der Restklassen modulo k.


Freundliche Grüsse, Ralf
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Re: Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 8. November 2013, 13:40

Hallo zusammen,

ich werde den Beweis nun in 5 Teile einteilen. Die beiden ersten Teile sind einfach, vor allem der dritte Teil enthält einen kleinen Trick und im vierten Teil darf man einfach vor lauter Bäumen den Wald nicht übersehen.

Bemerkung: Ich werde im Folgenden analog zum Beweis die Multiplikation nicht gesondert kennzeichnen, d.h. ab := a*b

Teil 1:
Let D be a positive integer but not the square of an integer, then there exists a positive integer λ such that

λ² < D < (λ + 1)².

... If there exists a rational number whose square is D, then there exist two positive integers t, u, that satisfy the equation:

t² - Du² = 0,

and we may assume that u is the least positive integer possessing the property that its square, by multiplication by D, may be converted into the square of an integer t.


Zunächst einmal beschränkt man sich auf positive ganze Zahlen, da die Situation bei negativen genau gleich ist, ausser dass bei negativen Zahlen noch die imaginäre Einheit i als Quadratwurzel von -1 hinzukommt. Und 0 selber ist eine Quadratzahl, nämlich von sich selber.

Somit darf man sich also ohne Einschränkung der Allgemeinheit auf positive ganze Zahlen beschränken.

Nehmen wir also eine positive ganze Zahl D, die selber keine Quadratzahl zweier positiver ganzer Zahlen ist. Somit findet man also zwei Quadratzahlen, von denen eine kleiner als D ist und die andere grösser. Sei die kleinere also λ, dann ist die nächste grössere λ+1.

Ein Beispiel möge das illustrieren: im Falle der Quadratwurzel aus 2 = 1.414... ist λ=1, d.h. λ² = 1, und λ+1 = 2, also (λ+1)² = 4.

Also gilt: 1² < 2 < 2²

Auch die Quadratwurzel aus 3 hat diese beiden λ:
Es gilt: 1² < 3 < 2²

Oder nehmen wir die Quadratwurzel aus 5, hier ist λ=2, also λ+1=3:
Es gilt: 2² < 5 < 3²

Das besagt also die erste Zeile.

Nun könnte es ja sein, dass D das Quadrat einer rationalen Zahl ist, dann gibt es zwei positive ganze Zahlen t und u so, also D = t²/u². In den üblichen Beweisen nennt man diese beiden Variablen p und q, aber das ist ja nur die Schreibweise.

Multiplizieren wir das mit u²:

Du² = t²

Subtrahieren wir Du²:

t² - Du² = 0

Das ist die zweite Gleichung.

Da u eine positive ganze Zahl, also eine natürliche Zahl ist, gibt es nur endlich viele kleinere natürliche Zahlen und für die zweite Gleichung wollen wir also schon dasjenige u auswählen, welches das kleinste ist, das eine solche Gleichung löst.

Im rein algebraischen Beweis gehen wir ja ähnlich vor, da nimmt ja auch an, dass der Bruch p/q gekürzt ist, oder in der von mir gewählten einfacheren Form, dass p und q keinen gemeinsamen Faktor 2 mehr enthalten. Wir haben hier also eine ähnliche Minimalitätsbedingung.

Damit ist Teil 1 abgeschlossen.


Freundliche Grüsse, Ralf


EDIT 19:06 Uhr: es sind 5 Teile, nicht nur 4 Teile
Zuletzt geändert von ralfkannenberg am Freitag 8. November 2013, 20:05, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 8. November 2013, 17:15

Hallo zusammen,

kommen wir nun zu Teil 2:
Since evidently

λu < t < (λ + 1)u



Hierzu betrachten wir die allererste Gleichung:

λ² < D < (λ + 1)²

Nun setzen wir D=t²/u² ein:

λ² < t²/u² < (λ + 1)²

Die Ordnungsrelation ändert sich nicht, wenn man mit einer positiven Zahl multipliziert.
Da u² positiv ist, ändert sich also die Ordnungsrelation nicht, wenn man mit u² multipliziert:

λ² u² < t² < (λ + 1)² u²

Nun benötigen wir ein kleines Lemma:

Lemma: Die Wurzelfunktion ist für x > 0 streng monoton wachsend.

Man muss also zeigen, dass für alle x gilt: nimmt man ein grösseres x, so ist die Wurzelfunktion grösser. Das "grössere x" schreiben wir via x+ε mit ε > 0. Da wir von der Wurzelfunktion sprechen sind x und ε beides reelle Zahlen.

Beweis Lemma:
Zu zeigen: sqrt(x+ε) > sqrt(x)
Man darf ohne Einschränkung der Allgemeinheit x' und ε' verwenden mit x: = x'² und ε: = 2x'ε' + ε'².
Dann gilt: sqrt(x+ε) = sqrt(x'²+2x'ε'+ ε'²) = sqrt( (x'+ε')² ) = x'+ε' > x' = sqrt(x'²) = sqrt(x), also sqrt(x+ε) > sqrt(x), was zu zeigen war.


Zurück zur Gleichung: λ² u² < t² < (λ + 1)² u²

Da die Wurzelfunktion im Positiven streng monoton wachsend ist, bleibt die Ordnungsrelation bei Anwendung der Wurzelfunktion erhalten und es gilt:

λu < t < (λ + 1) u


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Re: Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 8. November 2013, 20:04

Hallo zusammen,

kommen wir nun zu Teil 3:
the number v = t - λu is a positive integer certainly less than u.


Hier braucht man einfach nur die vorherige Ungleichung beide Mal einzusetzen:

(1) Nach vorherigem gilt λu < t, folglich also t - λu > 0, also ist v = t - λu > 0, also v > 0

(2) Ebenfalls nach vorherigem gilt t < (λ+1)u = λu + u
Subtrahieren wir auf beiden Seiten λu, so gilt: t - λu < u, also v = t - λu < u, also v < u.

Somit ist v eine positive ganze Zahl, die kleiner als u ist.


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Re: Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 8. November 2013, 20:13

Hallo zusammen,

und nun also Teil 4, den ich am schwierigsten herzuleiten fand:

If further we put

s = Du - λt,

s is likewise a positive integer


Im Teil 2 haben wir gezeigt, dass λu < t < (λ + 1) u.
Wir brauchen nun nur den linken Teil, also λu < t.

Da u eine positive Zahl ist, folgt daraus λ < t/u.

Nun nutzen wir, dass D = t²/u², also ist t/u = D (u/t).

Also gilt: λ < t/u = D (u/t), also λ < D (u/t).

Da t eine posiitve Zahl folgt daraus λt < Du, also Du - λt > 0.

Da s = Du - λt haben wir somit s = Du - λt > 0, also s > 0.

Der "Trick" ist also der, dass man aus t/u ein D (u/t) macht.


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Re: Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 8. November 2013, 20:43

Hallo zusammen,

es fehlt noch Teil 5:

, and we have

s² - Dv² = (λ² - D)(t² - Du²) = 0,

which is contrary to the assumption respecting u. Hence the square of every rational number is either less than D or greater than D ...


Fangen wir in der Gleichung hinten an:

D = t²/u², also ist t² = Du² und folglich t² - Du² = 0.

Somit ist (λ² - D)(t² - Du²) = 0, weil der 2.Faktor gleich 0 ist.

Um das erste Gleichheitszeichen zu beweisen, also s² - Dv² = (λ² - D)(t² - Du²), braucht man nur s und v einzusetzen und das dann auszumultiplizieren und zu vergleichen. Das überlasse ich der geneigten Leserschaft, das ist nun wirklich nicht schwer; man sieht allenfalls nicht auf den ersten Blick, dass bei der linken Seite der Term 2Duλt zweimal vorkommt, aber mit verschiedenen Vorzeichen, und sich somit weghebt.

Wo aber liegt nun der Widerspruch ?

Nun, s² - Dv² = (λ² - D)(t² - Du²) = 0 heisst s² - Dv² = 0, also s² = Dv², also D = s²/v².

Oben wurde im Teil 1 die Annahme getroffen, dass D = t²/u² sei und u minimal sei. Nun aber haben wir einen solchen Quotienten gefunden, der einen kleineren Nenner hat, nämlich v, welches ja nach Teil 3 kleiner als u ist.

Das ist ein Widerspruch. Und zwar ein Widerspruch zur Annahme, dass man eine rationale Zahl t/u findet, deren Quadrat D ist.

Damit ist der Beweis von Dedekind abgeschlossen.


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Re: Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

Beitragvon Dgoe » Donnerstag 14. November 2013, 03:17

Hallo Ralf,

wenn ich mich hier nicht sogleich wieder melde mit Rückfragen, dann hat das mit Sicherheit damit zu tun, dass ich noch ein wenig mit der Lektüre beschäftigt bin. ;)

Bis dahin,
Gruß,
Dgoe
Alle sagten immer das geht nicht, dann kam jemand, der das nicht wusste, und hat es einfach gemacht!
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Re: Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

Beitragvon ralfkannenberg » Donnerstag 14. November 2013, 10:48

Dgoe hat geschrieben:wenn ich mich hier nicht sogleich wieder melde mit Rückfragen, dann hat das mit Sicherheit damit zu tun, dass ich noch ein wenig mit der Lektüre beschäftigt bin. ;)

Hallo Dgoe,

nur so viel: dieser Beweis ist nicht Level 0 und auch nicht Level 1 ! Ich denke, es gibt interessantere mathematische Fragestellungen, mit denen Du Dich beschäftigen kannst und die Dich vor allen Dingen auch weiterbringen als der Dedekind'sche Beweis.

Ich will Dich ganz gewiss nicht davon abhalten, aber wenn Du Dich damit sinnvoll beschäftigen möchtest, so wird das doch einiges an Zeit benötigen. Ich würde das also wirklich nur empfehlen, wenn Du ein ganz spezielles Interesse daran hast, diesen Beweis nachzuvollziehen, und ich würde mir das dann wirklich häppchenweise vornehmen, also wirklich nur von Gleichung zu Gleichung. Ich habe das übrigens auch so gemacht, d.h. ganz langsam von Gleichung zu Gleichung.


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Re: Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

Beitragvon Dgoe » Donnerstag 14. November 2013, 11:32

Hallo Ralf,

Du wirst es mir nicht glauben, aber ich bin da, dank Deiner guten Erkärungen, wie durch Butter durch. D.h. ich konnte die ganzen Rechnungen nachvollziehen, obwohl ich manchmal schon länger überlegen musste. Ist schon arg gekürzt gewesen das Original. Aber zu hast es geknackt. Allerdings bin ich kaum schlauer wie vorher, den großen virtuosen Zusammenhang habe ich nicht auf dem Schirm. Macht aber nichts. Hat keine Priorität.

Gruß,
Dgoe
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Re: Dedekind'scher Beweis über Quadratwurzeln

Beitragvon ralfkannenberg » Donnerstag 14. November 2013, 12:17

Dgoe hat geschrieben:Allerdings bin ich kaum schlauer wie vorher, den großen virtuosen Zusammenhang habe ich nicht auf dem Schirm.

Hallo Dgoe,

ich muss Dir etwas gestehen: ich auch nicht :(

Dgoe hat geschrieben:Macht aber nichts. Hat keine Priorität.

Zumindest für mich ist es noch unbefriedigend: ich will - irgendwann einmal - verstehen, "wieso" v und s kleiner sind, also was die Idee dahinter ist, dass man diese beiden Variablen quasi parallel zu u und t so definiert hat.

Aber eben: sowas braucht Musse. In den nächsten Ferien also.


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