Liebe Britta.
Der US-Bürger sieht die USA als Nabel der Welt - so denkt er, danach handelt er auch. Er betrachtet seinesgleichen auch als den besseren Menschen, als
das Vorbild.
Der Autor Eric T. Hansen lebt seit etwa 25 Jahren in Berlin und scheint die USA von außen zu betrachten - zunehmend kritischer, europäischer. Er hat es mal so beschrieben, daß der US-Amerikaner, bei Allem was er macht, zuerst fragt, ob die Väter der Verfassung dies auch genauso wollten - dies wortwörtlich beschrieben haben?
Machen wir auch, klar. Auch wir legen unter Umständen Gesetze dem Verfassungsgericht vor und fragen, ob dies verfassungsgemäß ist. Allerdings geht es bei unseren Anfragen wohl eher um das Große Ganze, um's Allgemeinwohl - dafür nehmen wir auch schonmal die ein oder andere Einschränkung hin. Der US-Bürger fragt wohl eher, ob dies Vorhaben seine individuellen Rechte eingrenzt?
Da der US-Bürger aber auch weitgehend die Welt mit seinen Augen betrachtet, seinesgleichen als Vorbild ansieht, ist er auch zunehmend der Meinung, daß seine Betrachtungsweise, sein Wohl, das der gesammten Menschheit sein sollte:
wenn es allen individuell gutgeht, geht es auch der Gesellschaft - als Gesamtheit - gut.
Auch betrachtet er Krieg als Mittel von Politik, als legitim, um dieses "Wohl für alle" durchzusetzen, um dies zu bewerkstelligen - der gemeine Europäer sieht Krieg lediglich als ultima ratio.
Diese Betrachtung- und Handlungsweise der US-Bürger scheint allem Anschein nach aus der Zeit der Auswanderer herzurühren. Sie sind ausgewandert um der Obrigkeit zu entkommen, weil sie meinten, die jeweilige Regierung würde ihre Rechte, ihr Fortkommen hindern - deshalb lieben sie einerseits ihre Politiker, aber andererseits mistrauen sie ihnen. Die ersten Siedler waren auf sich selber gestellt - deswegen das individuelle Handeln heutiger Bürger. US-Amerikaner lieben ihre Helden - wir Deutschen haben außer Winnetou keinen Helden. Helden, die letztendlich immer siegen.
Aus diesem Grund ist Außenpolitik nicht zwingend wahlentscheident - deswegen fand ich die erste Debatte Obama-Romney schon interessanter, warum Obama in dieser recht passiv blieb.
Britta hat geschrieben:Was für uns als Nichtamerikaner interessant ist, ist die Aussenpolitik.
Klar, als Europäer. Das dürfte auch Grund sein, warum etwa Israel etwas ruhiger und besonnener gegenüber dem Iran auftritt - weniger marktschreierisch.
Uli deutete es ja in einer anderen Diskussion schon an:
sie hoffen auf Romney, auf Stärke.
Obama halten die Bürger allerding für schwach, weil er Krieg verabscheut, ihn zumindest kritisch berachtet, weil er aus seiner Sicht heraus mehr Unheil bringt - über alle.
Allerdings wie geagt, Innenpolitik dürfte die Wahl bestimmen - wobei letztlich die Stimmen der Latinos wahlentscheidend sein könnten. Und da dürfte wohl Obama die Nase vorn haben - bei aller Enttäuchung über seine erste Wahlperiode. Latinos, oder auch Farbige werden wohl kaum jemanden wählen, der anscheinend die Mehrheit der Bevölkerung mißtrauisch betrachtet - sie vielleicht verächtlicht behandeln würde ... als Prekarität.
Insofern kann ich Deiner Meinung zustimmen:
Britta hat geschrieben:Mit den Republikanern kommen die Kriege schneller und es geht noch weniger diplomatisch zu wie mit den Demokraten.
Romney hat es zu etwas gebracht, als Eigenleistung - egal, wo er herstammt. Obamas Leistung - als Farbiger zum Präsidenten - ist auch nicht zu verachten. Dies erkennen auch dortige Bürger an.
Britta hat geschrieben:Die USA sind der Hegemon. Europa hat nur den 2. Platz, wenn überhaupt. Daher sind die US-Wahlen auch rund um die Uhr Thema in unseren Medien.
Ersteres möchte ich bezweifeln, allerdings der Analyse im zweiten Satz kann ich zustimmen. Die Europäer werden zunehmend erwachsener, widersprechen öfter - was aber wohl eher am Aufstreben der Chinesen liegt, weniger am "Niedergang", am schlechten Abschneiden der USA.
Daß die US-Wahlen so interessant für uns sind, ist wohl eher der Tatsache geschuldet, daß deren Außenpolitik unsere Außenpolitik mitbestimmt, daß aber dortige Innenpolitik auch unsere Außenpolitik bestimmt. Besonders in wirtschaftlicher Hinsicht sind wir von der us-amerikanischen Wirtschaft anhängig - und das wird wohl auch auf lange Sicht noch so bleiben. Aber aufgrund bilateraler Verträge und sonstiger Zusammenhänge - NATO ect. - sind deren Kriege letztlich auch unsere - auch wenn wir, wie Schroeder es seinerzeit medienwirksam suggerierte, gegen deren Vorhaben sind und dies nicht mitmachen, ... wir sind dabei, ob wir wollen oder nicht.
Wenn die NATO - letztlich die USA, da gebe ich Dir recht - es als "Friedenserhaltend" und sicherheitspolitisch gegeben sehen, daß etwa die Saudis Panzer oder sonstige Waffen bekommen sollen, wird das zumindest innenpolitisch zunehmend zu unserem Problem - wenn die Saudis nur unsere Waffensysteme nachfragen?
Tun wir es nicht - liefern, tun es Andere.
Britta hat geschrieben:Profitabel für US-Unternehmen wäre jedenfalls, Sozialleistungen weiter zu kürzen und Unternehmen - besonders Banken - gesetzlich noch mehr Rechte einzuräumen. Sie haben bereits zuviel Einfluss auf die Politik.
Nicht nur für US-Unternehmen, Liebes - auch hierzulande wäre es in dem Sinn hiesiger Unternehmen. Aber wie gesagt:
Europa ist nicht die USA - noch nicht.
Aber die US-Regierung davon zu überzeugen, daß "Hire and fire" nicht gut ist, nicht für die Gesamtgesellschaft, auch nicht für den Rest der Welt, das dürfte angesicht deren Geschichte und deren Sichtweise, was individulle Freiheit bedeutet, wohl sehr schwer sein ... fast aussichtslos.
Mit Obama dürfte es zumindest etwas leichter funktionieren - aufgrund seiner Herkunft. Das meint auch Eric T. Hansen. Ich hoffe auf Obama - aber lassen wir uns mal überraschen.
Der Prophet gilt nichts im eigenen Land - das war auch bei Gorbi lange Zeit so.