Liebe Britta.
Es tut mir leid, daß ich Dir in einigen Punkten widersprechen muß.
Es mag sein, daß ich einige alte, typische Denkschemata unserer Zeit widergebe.
Ich kann es mir in der Tat nicht vorstellen, daß ein Unternehmer, durch eine Maßnahme wie "Die Arbeitszeit senken bei vollem Lohnausgleich", daß er dadurch eine Erhöhung seiner Kosten tatenlos hinnehmen würde. Er würde mit Sicherheit einen Ausgleich schaffen, zu schaffen versuchen. Einen Ausgleich zwischen Kostensenkung einerseits, aber so, daß andererseits noch sein Service stimmt. Er würde also Leute entlassen. Was letztendlich zu mehr Arbeitslosigkeit führen würde, aber auch zu vermehrtem Druck, Druck auf die verbliebenen Arbeitnehmer, durch Mehrarbeit.
Es ist in der Tat eine Zwickmühle!
Ich kann mir recht viele Lösungen bzw. Möglichkeiten dazu vorstellen, aber leider haben wir noch
die Lösung gefunden,
die Lösung, die den Gordischen Knoten durchschlägt, der alles befriedigt. Wer, um aus unserem Dillema zu entkommen, den Stein der Weisen findet, dem gehört ein großes Lob.
Hartz-IV:
Es gibt wenig Diskussionen, denen ich aus dem Weg gehen möchte. Diese ist aber eine solche, sie gehört in diese Kategorie. Nicht, daß darin nicht firm bin - ich glaub schon, daß ich gute Argumente hätte, aber sie ist mir zu emotional aufgeladen, sie wird
zu ideologisiert,
zu ideologisch, fast unrational geführt.
Ich möchte Dir nur ein Gespräch zwischen mir und einer gute, alten -
alt nicht dem Alter nach - Bekannten wiedergeben.
Ich war bei ihr zu Besuch und möchte Dir diese Unterhaltung wahrheitsgemäß und wörtlich wiedergeben -
ich bin der Dicke:
Ich möchte Dich nicht hinauswerfen, aber ich muß zu einer Demo.
Du, zu einer Demo? Worum geht es denn?
Um Hartz-IV. Gegen Hartz-IV!
sie kommt in's Zimmer und zeigt mir ihr T-Shirt. Worauf steht:
"Weg mit Hartz-IV."
auf meine Frage, was wir dann danach machen? Zurück zum alten System? Diese Frage(n) beantwortet sie mit Nachdenken. Ich frage nach:
Wieviel bekommst Du denn?
345€
Du bezahlst doch alleine schon 310€ Miete. Da bleibt ja nicht mehr viel übrig.
Die Wohnung bezahlt das Amt!
Laut §22 SGB2 müssen "Leistungen für Unterkunft und Heizung ... in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht" werden, "soweit diese angemeßen sind."
Angemeßen:Als Orientierung dient das Wohngeldgesetzes (WoGG) - unter Berücksichtigung der am jeweiligen Ort marktüblichen Mieten.
Wohnung: 45m² für eine - 60m² für zwei Personen, sowie 15m² für jede weitere Person.
Du hast doch schon vorher von Sozialhilfe gelebt. Wieviel bekamst Du denn vorher?Nachdenken.
Zu DM-Zeiten, umgerechnet 1250DM.
Ich glaube, es war das einzige Mal, daß ich mit meiner Frau einen längeren, heftigeren Disput hatte. Es war
ihre Freundin und sie sprach etwa ein Jahr nicht mehr mit uns. Mittlerweile hat es sich gegeben, wir sind wieder im Gespräch; wir unterstützen sie auch ... genau wie vorher.
Ich bin genau wie Du der Meinung, daß die gesamten Hartz-Gesetze falsch aufgezogen worden sind, daß damit ein Fehler begangen wurde. Fehler aber nicht daß sie es gibt, sondern, Stichwort:
Fordern und Fördern nur, daß es letztlich lediglich beim Fordern blieb
Der Ansatz den Arbeitsmarkt zu entbürokratisieren, ohne großartige Verschlechterungen hervorzubringen, halte ich nach wie vor für richtig.
Man wollte zum Beispiel nicht den Kündigunsschutz für
alle lockern -
hätte zu recht einen großen Aufschrei gegeben, und, die Krise zeigt es, es wäre auch ein fataler Fehler gewesen - diesen Kündigungsschutz wollte man also nicht anrühren, aber vermehrt Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Letztendlich blieb so nur:
man mußte die Zeit- und Leiharbeit ausbauen.
Aber was für Arbeitsverhältnisse sollten dies werden, außer den jetzigen, prekären, unterbezahlten?
Somit hat man den zweiten vor dem ersten Schritt getan.
Fordern statt Fördern
Britta hat geschrieben:Dazu kommt, dass die Leute, die sich bequem in diesem System eingerichtet haben und am besten davon leben, keine Veränderung wollen.
Liebste Britta:
Wenn ich, nachdem ich Leistungen aus Steuergeldern bekommen habe, sagen wir mal ... für zwei Jahre, nachdem ich diese bekommen habe und nachdem ich jetzt die Möglichkeit habe, Arbeit zu bekommen, nun aber damit rechnen muß, diese Leistungen - auf die ich ein Grundrecht habe - daß ich diese zurückzahlen muß, sobald ich über den Satz kommme (
derzeit, glaube ich: 660€), würde ich mir auch einiges anders überlegen.
Britta hat geschrieben:Der Neandertaler hat geschrieben:So zynisch es sich auch anhört - es klingt auch etwas überheblich, etwas fremdenfeindlich, gebe ich zu:
wir brauchen Armut, damit es uns hierzulande gut geht, damit es uns besser als anderen. Armut: der Anderen. Dummerweise kommt dies Armut leider immer näher.
Nein, da muß ich dir widersprechen. Wenn die Armen mehr haben - also reicher werden - dann geht es allen besser. Wenn die Armen immer ärmer werden, passen sich auch die Reichen nach unten an. Dass es Armut geben muß, damit es ein paar Wenigen gut geht, halte ich für ein Märchen.
Allerliebste Britta:
Du gibst ja auch zum Teil meine Meinung wieder, der Tenor: Wir müssen andere besser stellen, "reicher" machen, bezieht sich aber eher auf die, die, zumindest kurzfrsitig besser gestellt werden können, in erster Linie darum, daß sie damit letztlich in der Lage sind, unsere, teureren Produkte zu kaufen, denn ohne Wachstum ist nach heutiger Denk- und Handlungsweise wenig drin ...
für uns und unsere Sozialsysteme. Ich weiß:
es sind wieder die alten, typischen Denkschemata und ich weiß auch, daß diese Systeme nicht mehr sozial sind.
OK! Aber das "wir brauchen Armut, damit es
uns hierzulande gut geht, damit es uns besser als anderen. Armut: der Anderen." ist falsch, die falsche Denkrichtung. Ist aber
leider die Ralität!
Damit wir uns hierzulande ein T-Shirt etwa für
5€ kaufen können, muß es Armut geben; jemand muß in Armutsländern bereit sein, diese T-Shirt für einen Hungerlohn zu produzieren, zu nähen.