Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen?

Moderator: enegh

Re: Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen

Beitragvon Der Neandertaler » Samstag 11. September 2010, 15:23

Hallo Elfer.
Ich greife mal das Thema Bildung heraus:
Erstmal kann ich, aufgrund der Argumente meiner Fragen nach dem Sinn der auf beiden Seiten vorherrschen soll, vor diesem Hintergrund kann ich schon in etwa nachvollziehen, daß in dem ein oder anderen Fall eine Quallifizierung nicht den neuen Anforderungen entspricht, diese letztlich nicht unbedingt ausreichend sind.
Weitergehend:
Eine Nachquallifizierung hielte ich zwar für sinnvoller, sinnvoller als ein Fachkräfte-aus-dem-Ausland-reinholen, das schon. Allerdings:
Kurzfristig würde es unser Problem, des (drohenden) Facharbeitermangels, doch nur bedingt lösen, da eine (Nach-) Quallifizierung Zeit kostet. Zeit, die wir nicht unbedingt haben, wollten wir damit letztendlich unseren Wohlstand halten und nicht noch weiter abrutschen.
Zweitens - die Frage hatte ich auch gestellt:
Holen wir uns nicht mit den Fachkräften-aus-dem-Ausland nicht das gleiche Problem, wie mit den "Gastarbeiter" herein?

Meines Erachtens liegt der Substanz eher die Grundbildung zugrunde. Grundbildung:
    Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!
sprich: fangen wir unten an.
Ich meine, wenn wir den Zugang zu Universitäten letztlich mit Studiengebühren verhindern, brauchen wir uns nicht wundern, daß wir so wenig Studierende aus prekären Verhältnissen haben. Leute, die sich ein Studium, trotz BaföG finanziell nicht leisten können, die das Risiko scheuen, schon mit Schulden den Berufweg beginnen zu müssen, ohne zu wissen, ob und wie sie dies zurückzahlen können.
  1. Wozu brauchen wir Elite-Unis, wenn uns der Nachwuchs fehlt?
  2. Wollen wir nicht erstmal mit der Frühkindlicfher Bildung anfangen?
  3. ... mit kostenlosen KitAs?
  4. ... mit der Einrichtung von Ganztagsschulen, eventuell?etc.
Die neueste OECD-Studie, "Bildung auf einen Blick" vom September 2010 besagt:
    "Angesichts der demografischen Entwicklung muss Deutschland mehr tun, um die Voraussetzungen für längere Erwerbszeiten zu schaffen und um dem sich abzeichnenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken."
    „Die berufliche Bildung in Deutschland leistet einen wesentlichen Beitrag zur Integration von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt und ist ein entscheidender Faktor für die im internationalen Vergleich geringe Jugendarbeitslosigkeit“
dies sagte OECD-Expertin Kathrin Höckel bei der Präsentation der Studie.
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.

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Re: Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen

Beitragvon Der Neandertaler » Samstag 11. September 2010, 16:25

Liebe Britta.
Britta hat geschrieben:Warum muß es eigentlich Wachstum geben?

Wir haben Maschinen und Computer, die uns einen großen Teil der Arbeit abnehmen und wir könnten es locker schaffen, die ganze Welt zu ernähren, da wir mehr produzieren wie wir verbrauchen können. Alle könnten in Wohlstand leben und den Tätigkeiten nachgehen, die Spaß machen und interessieren. Technisch und logistisch würde es kein Problem darstellen. Die Entwicklung der Menschheit könnte einen riesigen Sprung machen. Wenn man die tägliche Arbeitszeit senkt, hätten auch alle Arbeit und ein Auskommen. Wirtschaftswachstum und Geldprofit sind zum Leben nicht notwendig.

Wir könnten Alles geregelt bekommen, nur wir tun es nicht.

Warum nicht?

Das Problem, was wir auch so schnell nicht lösen können, ist, daß alle unsere Sozialsysteme z.B. auf Wachstum ausgerichtet sind. Daß sie eingerichtet wurden, als ein unbändiges Wachstum noch angenommen wurde.

Ich gebe Dir recht, Lebensmittel, um nur einen Aspeckt zu nennen, sind nicht zu wenig vorhanden, sie sind nur ungleich verteilt. Allerdings hört sich das "Alle könnten in Wohlstand leben ..." etwas zu idealistisch an. So zynisch es sich auch anhört - es klingt auch etwas überheblich, etwas fremdenfeindlich, gebe ich zu:
wir brauchen Armut, damit es uns hierzulande gut geht, damit es uns besser als anderen. Armut: der Anderen. Dummerweise kommt dies Armut leider immer näher.
Dein Vorschlag:
"Wenn man die tägliche Arbeitszeit senkt, hätten auch alle Arbeit und ein Auskommen." hört sich gut an, aber mit Blick auf unsere Sozialsysteme:
Wer soll diese beglücken? Wer soll dort hinein zahlen? Einer muß es tun! Glaubst Du, diese dann entstehenden Arbeitsplätze wären alle Vollzeitplätze, sprich: versicherungspflichtig, so daß diese dort hinein, in unsere Sozialsysteme einzahlen könnten?
Nein, nein, ich bin auch kein Freund von Wachstum ... von unbändigem Wachstum ... von Wachstum, welches uns von einer Krise zur nächsten schaukelt, aber ich sehe leider keine Alternative dazu ... zu Wachstum. Nur, sollten wir es nicht schaffen, Leuten, auch abseits von Arbeit eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, sollten wir es also nicht schaffen, auch Arbeitslosen und Aufstockern - und davon wird es zukünftig noch mehr geben - daran zu beteiligen, ja dann sehe ich schwarz, dann wird unser sozialer Friede, den wir bis jetzt noch haben, den Bach hinuntergehen. Dann knallt's.
Deinen letzten beiden Sätzen kann ich nur zustimmen!
Wir haben nur ein Problem dabei:
einem radikalen Schnitt, einem radikalen Umbruch, einem großen Wurf, diesem folgt immer eine gewisse Anpassungsphase. Und wenn dieser "Schnitt" dann auch noch ein Schnellschuß war, wird's eng. Gerade in Deutschland, wo alles geregelt ist, wo vermehrt Leute konservativ denken und handeln, wo aber auch Politik vermehrt von Gerichten beeinflußt wird, dort ist ein Umbruch, so richtig er auch ist - im Hinblick auf funktionierende Sozialsysteme, ist eine Veränderung nicht immer ganz einfach. (s. ALG-II/Hartz-IV)
Der Tenor, die Zusammenlegung von Arbeitslosen-Hilfe und Arbeitslosengeld war schon sinnvoll - zumindest in Hinsicht von Kostensparen, diese Reform kam aber erstens zu spät, und zweitens: sie kam zu überhastet, eben als Schnellschuß. Insofern werden wir zumindest vorläufig auf Wachstum setzen müssen.
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Re: Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen

Beitragvon Elfer » Samstag 11. September 2010, 19:36

Klar ist das Bildungsniveau gesunken, aber das passiert ja nicht von jetzt auf gleich. Viele haben da geschlafen…Bildung, Ausbildung und Politik…

Viele Ausbildungsbetriebe haben sicherlich Schwierigkeiten, an geeignete Auszubildende zu kommen. Es gibt aber auch die andere Seite und die wird natürlich verschwiegen. Ich habe mit meiner Tochter (1er-Fachabitur) große Probleme gehabt. Das liegt daran, dass Firmen gar nicht auf Bewerbungen reagiert haben und sich plötzlich nach 5 Monaten mit einer lapidaren Absage, sie würde nicht ins Team passen, gemeldet haben. Die Härte war ein Probearbeiten in Essen, ca. 40 km entfernt, der Typ hat es noch nicht einmal nötig erachtet, ihr wie versprochen innerhalb einer Woche das Ergebnis mitzuteilen. Bis heute nicht.
Der andere Betrieb hätte sie genommen, wenn sie näher am Betrieb gewohnt hätte (ca. 15 km). Ich will damit sagen, dass es nicht an der Wahl des Berufs gelegen haben muss.

Gut, in diesem Jahr konnte sie sich die Ausbildungsstelle aussuchen. Aber auch da haben einige Betriebe wieder einmal aus der Reihe geschlagen.

Auch die Ausbildungsqualität ist gesunken oder war immer schon recht mies.

Klar ist aber auch, dass man aus Scheiße kein Gold machen kann und dies den Betrieben große Probleme bereitet. Da hilft es aber nicht zu jammern, da muss man zeitnah in die Gespräche kommen und die Dinge beim Schopf packen.

Eine Nachqualifizierung wäre dann nicht nötig. Ohne aber mit notwendigen Maßnahmen dem Leistungsabfall entgegen zu steuern, müssten wir uns bald ausschließlich mit „Gastarbeitern“ am Leben halten.

Meines Erachtens liegt der Substanz eher die Grundbildung zugrunde. Grundbildung:
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!


Das kommt auf die Defizite an. Aber ich befürchte, dass Du damit Recht behalten würdest. Jedoch muss man sich seit Jahrzehnten bereits kritische Gedanken über die schulische Ausbildung während der Berufsausbildung machen. Also, da wäre auch noch viel Potential.

Aber, und da treffen wir uns auf jeden Fall, ist eine hoch qualifizierte Grundausbildung nicht zu ersetzen.

Was die Studiengebühren angeht, so gebe ich Dir in Teilen recht. Allerdings bin ich ein Befürworter dieser Gebühren nach der Regelstudienzeit sowie für Zweit-, Dritt- und Viertstudium…für manch einen ist das Stadium über die Jahre zum elitären Ruheraum geworden. Wie überall, schadet dieses Verhalten immer denen, die ihre Sache hier ernst nehmen.

1. Wozu brauchen wir Elite-Unis, wenn uns der Nachwuchs fehlt?
2. Wollen wir nicht erstmal mit der Frühkindlicfher Bildung anfangen?
3. ... mit kostenlosen KitAs?
4. ... mit der Einrichtung von Ganztagsschulen, eventuell?
etc.


1. stimmt
2. stimmt
3. stimmt
4. stimmt

Bei all dem müssen wir uns gemeinsam allerdings Gedanken machen, ob wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden.

Wir haben uns immer mehr zu einer Nehmergesellschaft entwickelt, einer Gesellschaft von Status-Geiern, die mehr darstellen wollen, als sie sich leisten können…

Wir müssen bei all dem auch mal anfangen, uns und unsere Ansprüche zu überdenken. Das gilt für alle Lebensbereiche, gilt für Ausbilder und Auszubildende, Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es ist das, was ich meinen Kids immer wieder versuche klar zu machen. Man muss sich selber immer kritisch hinterfragen, ohne sich dabei selber aufzugeben oder klein zu machen (das machen andere schon für Dich).

Was ich aber eigentlich kurz und knapp sagen wollte. Es wird Zeit, dass alle sich ihrer Verantwortung bewusst sind und da kann man vielleicht sogar Leuten wie Sarrazin dankbar sein, so lange sie differenzierte und sachliche Debatte anstoßen könnten.
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Re: Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen

Beitragvon Der Neandertaler » Samstag 11. September 2010, 23:24

Hallo Elfer.
Selbstverständlich, zu jeder Medaille gehören immer zwei Seiten, und meines Erachtens nach, hat sich auf unserem Bildungssektor vieles getan, auch viel Falsches. Der Bildungssektor ist die letzten Jahrzehnte zum Spielball, zur Spielwiese für unsere reformfreudigen Politiker geworden.

Vielleicht hätte in dem Fall Deiner Tochter die Namenlose Bewerbung, wie sie nun erprobt werden wird, vielleicht hätte dies geholfen, oder sie wird zukünftig in vergleibaren Umständen helfen, vielleicht bringt dies etwas? Zumindest in Sachen Diskriminierung.

Meines Erachtens nach, liegt der Fehler aber im System, da innerhalb der Lehrerausbildung zwischen den einzelnen Schulformen unterschieden wird (Sekundarstufe I+II). Ich meine, der Hauptschul-Lehrer ist der "Wichtigste", da er für eine solide Grundausbildung zuständig ist.
Selbstverständlich sollten auch alle Kindergärtner und Kindergärtnerinnen idealerweise ausgebildete Pädagogen sein, da dort der Grundstein gelegt wird. Danach bilden sich Elite-Unis von ganz allein heraus.

Der Gedanke eines Zentralabitur, etwa, hört sich erstmal nicht schlecht an, aber wie gesagt, erstens glaube ich, wir zäumen das Pferd von Hinten auf, wir müssen unten anfangen, bei unseren Kleinsten. Zweitens:
Ich bezweifele, daß damit viel gewonnen wäre. So wie ich beispielsweise den Bologna-Prozess verstanden habe, so, wie er ursprünglich gedacht war, war die Rede von "vergleichbaren Abschlüßen", vergleichbar heißt aber doch nicht Gleichheit. Zum Beispiel:
Eine Note Drei in Düsseldorf ist doch nicht unbedingt mit einer Drei in, sagen wir mal: Hamm gleichzusetzen ... bei gleichen Prüfungsfragen. Will sagen:
Selbst innerhalb eines Bundeslandes sind die Noten nicht unbedingt gleich. Pisa- bzw. Iglu-Studien haben dies doch erst aufgezeigt. Besonders, daß Migranten- und Kindern aus defizitären Elternhäuser, aus bildungsfernen Schichten, daß dort die größten Probleme vorhanden sind, daß sie kaum ein Chance haben ... daß unsere Bildungssysteme dort versagen.
Ich wünschte mir schon etwas mehr Zentralismus ... in Fragen der Bildungssyteme, klar, allerdings frage ich mich, ob dies der Weisheit letzter Schluß sein muß? Ob nicht alleine aus dem Wettbewerb der Länder heraus, ob nicht dadurch alleine schon ein Etwas an Besserem entsteht, entstehen kann?
Nur Vergleichbar müßte es eben sein!

In NRW hatten wir doch ein System, wo das Erst-Studium frei war, warum wurde dies geändert? Unverständlich! Dieses System fand ich nicht schlecht!
Vollkommen schizophren finde ich, daß einerseits über die Ausbildung unserer Studenten geklagt wird, gleichzeitig aber, dies glaube ich zu wissen, daß anglo-amerikanische Firmen etwa, händeringend unsere Studenten gerne nehmen, da diese über eine bessere Allgemeinbildung verfügen ... noch.
Da sich unsere Studenten nun aber, wegen der Studiengebühren, verstärkt nur noch "ihrem" Studiengang widmen müssen, sich nicht mehr in den eine oder andere fremde Vorlesung verirren können, da es sonst unter Umständen zu teuer wird, deswegen bin ich, genau wie Du, gegen Studiengebühren für's Erst-Studium. Langzeit- bzw. Dauer-Studenten, die werden auf die Dauer zu teuer. Die nehmen auch noch Platz weg.

Inbezug der Nehmergesellschaft gebe ich Dir auch recht. Schau nach Hamburg, wo die Bildungsreform durch ein Plebiszit abgelehnt wurde ... in erster Linie durch Akademiker. Leute, die ihre Kinder geistig verarmen sahen, die diese nicht ausreichen gefördert sahen, sollte die Reform wie geplant umgesetzt werden.

Dies alles kostet ... Teit und Geld, nur anfangen sollten wir ... am Besten, Gestern schon!
Sarra ... wer? Heisig, Kirsten Heisig wäre besser!
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Re: Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen

Beitragvon Elfer » Sonntag 12. September 2010, 00:22

Der Neandertaler hat geschrieben:Hallo Elfer.
Selbstverständlich, zu jeder Medaille gehören immer zwei Seiten, und meines Erachtens nach, hat sich auf unserem Bildungssektor vieles getan, auch viel Falsches. Der Bildungssektor ist die letzten Jahrzehnte zum Spielball, zur Spielwiese für unsere reformfreudigen Politiker geworden.


Ja leider.

Der Neandertaler hat geschrieben:Vielleicht hätte in dem Fall Deiner Tochter die Namenlose Bewerbung, wie sie nun erprobt werden wird, vielleicht hätte dies geholfen, oder sie wird zukünftig in vergleibaren Umständen helfen, vielleicht bringt dies etwas? Zumindest in Sachen Diskriminierung.


Mit Diskriminierung hatte das wohl weniger zu tun, zumindest wäre eine namenlose Bewerbung wohl nicht erfolgreicher gewesen. Ich weiss auch ehrlich nicht, was ich davon halten soll. Dann werden die Kandidaten im Gespräch gekippt.

War wohl eher ein Griff ins Klo. Waren aber komischer Weise überwiegend Handwerker (Goldschmiede) dabei. IKEA hat ein persönliches Profil aufgrund eines Bewerbungsschreibens erstellt. Ich meine zumindest, es wäre IKEA gewesen, ich bin mir da recht sicher.

Der Neandertaler hat geschrieben:Meines Erachtens nach, liegt der Fehler aber im System, da innerhalb der Lehrerausbildung zwischen den einzelnen Schulformen unterschieden wird (Sekundarstufe I+II). Ich meine, der Hauptschul-Lehrer ist der "Wichtigste", da er für eine solide Grundausbildung zuständig ist.
Selbstverständlich sollten auch alle Kindergärtner und Kindergärtnerinnen idealerweise ausgebildete Pädagogen sein, da dort der Grundstein gelegt wird. Danach bilden sich Elite-Unis von ganz allein heraus.


Ich habe vor ca. 25 Jahren mal ein pädagogisches Studium begonnen. Es gab zwei wesentliche Punkte wegen derer ich die Sache schnell beendet habe.

1. schlechte Bedingungen für die fachbezogene Ausbildung und damit eine schlechte fachliche Ausbildung
2. die pädagogische Ausbildung hat sich auf Gesprächskreise erstreckt

Ich habe es immer weit von der Praxis entfernt empfunden.

Der Neandertaler hat geschrieben:Der Gedanke eines Zentralabitur, etwa, hört sich erstmal nicht schlecht an, aber wie gesagt, erstens glaube ich, wir zäumen das Pferd von Hinten auf, wir müssen unten anfangen, bei unseren Kleinsten. Zweitens:
Ich bezweifele, daß damit viel gewonnen wäre. So wie ich beispielsweise den Bologna-Prozess verstanden habe, so, wie er ursprünglich gedacht war, war die Rede von "vergleichbaren Abschlüßen", vergleichbar heißt aber doch nicht Gleichheit. Zum Beispiel:
Eine Note Drei in Düsseldorf ist doch nicht unbedingt mit einer Drei in, sagen wir mal: Hamm gleichzusetzen ... bei gleichen Prüfungsfragen. Will sagen:
Selbst innerhalb eines Bundeslandes sind die Noten nicht unbedingt gleich. Pisa- bzw. Iglu-Studien haben dies doch erst aufgezeigt. Besonders, daß Migranten- und Kindern aus defizitären Elternhäuser, aus bildungsfernen Schichten, daß dort die größten Probleme vorhanden sind, daß sie kaum ein Chance haben ... daß unsere Bildungssysteme dort versagen.
Ich wünschte mir schon etwas mehr Zentralismus ... in Fragen der Bildungssyteme, klar, allerdings frage ich mich, ob dies der Weisheit letzter Schluß sein muß? Ob nicht alleine aus dem Wettbewerb der Länder heraus, ob nicht dadurch alleine schon ein Etwas an Besserem entsteht, entstehen kann?
Nur Vergleichbar müßte es eben sein!


Also nach dem Prinzip fördern, wo es notwendig ist, fordern, wo es angebracht ist. Eine Gleichheit wird es nie geben, eine Vergleichbarkeit dürfte schon utopisch sein.

Unter´m Strich müssen wir mehr (von allem) in die Bildung stecken. Ich sag´s aber auch mal ganz offen. Wenn ich durch die Läden gehe und die Eltern in allen Sprachen der Welt mit ihren Kindern sprechen höre, bekomme ich wieder Zahnschmerzen. Ich glaube schon, dass mittlerweile da ein zentrales Problem liegt.
Wenn die Eltern nicht gewillt sind, sich zu integrieren,, kann man dies von den Kindern nicht erwarten. Zur Grundlage gehört für alle, die deutsche Sprache zu sprechen. Seine „Muttersprache“ muss man dabei nicht gleich vergessen.

Der Neandertaler hat geschrieben:In NRW hatten wir doch ein System, wo das Erst-Studium frei war, warum wurde dies geändert? Unverständlich! Dieses System fand ich nicht schlecht!


So ist es.

Der Neandertaler hat geschrieben:Vollkommen schizophren finde ich, daß einerseits über die Ausbildung unserer Studenten geklagt wird, gleichzeitig aber, dies glaube ich zu wissen, daß anglo-amerikanische Firmen etwa, händeringend unsere Studenten gerne nehmen, da diese über eine bessere Allgemeinbildung verfügen ... noch.


Ist ein bekanntes Phänomen. Warum man daraus nicht profitieren kann, ist mir rätselhaft. Hab schon oft von Austauschstudenten in den USA gehört, dass sie sich im Studium dort unterfordert fühlen. Die eigentliche Ausbildung fände dann in der Praxis statt.

Klar nimmt man dann gerne auch in der Basis gut ausgebildete Leute aus der Ferne.

Der Neandertaler hat geschrieben:Dies alles kostet ... Teit und Geld, nur anfangen sollten wir ... am Besten, Gestern schon!
Sarra ... wer? Heisig, Kirsten Heisig wäre besser!


Ich hänge das nicht an Giftspritzen. Leider gab es einen Grund, aus dem Frau Heisig nicht mehr ihre gute Arbeit machen kann. Nicht nur meckern sondern Alternativen aufzeigen und praktizieren. Davon haben wir in diesem Land zu wenig….
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Re: Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen

Beitragvon Der Neandertaler » Sonntag 12. September 2010, 11:09

Hallo Elfer.
Elfer hat geschrieben:Mit Diskriminierung hatte das wohl weniger zu tun, zumindest wäre eine namenlose Bewerbung wohl nicht erfolgreicher gewesen. Ich weiss auch ehrlich nicht, was ich davon halten soll. Dann werden die Kandidaten im Gespräch gekippt.

Ich bezog diese auch nicht unbedingt und primär auf Diskriminierung, sondern auf die Namenlosigkeit.
Ich glaube schon, daß damit für Bewerber, zwar mit gleich Quallifikation aber "falschem" Namen, daß für diese Leute ein solches Verfahren gewisse Vorteile bringt. Zumidest würden sie eingeladen. Den Schritt hätten sie schonmal geschafft!
Elfer hat geschrieben:Unter´m Strich müssen wir mehr (von allem) in die Bildung stecken. Ich sag´s aber auch mal ganz offen. Wenn ich durch die Läden gehe und die Eltern in allen Sprachen der Welt mit ihren Kindern sprechen höre, bekomme ich wieder Zahnschmerzen. Ich glaube schon, dass mittlerweile da ein zentrales Problem liegt.
Wenn die Eltern nicht gewillt sind, sich zu integrieren,, kann man dies von den Kindern nicht erwarten. Zur Grundlage gehört für alle, die deutsche Sprache zu sprechen. Seine „Muttersprache“ muss man dabei nicht gleich vergessen.

Im ersten Absatz: Klar!
Aber möchtest Du nun auch noch im privaten Bereich Deutsch als Umgangssprache vorschreiben? Also, so weit möchte ich nicht gehen. Gegen gebrochenes, oder schlechtes Deutsch als "Normalsprache", als "Umgangssprach", ja sofort. Aber dafür benötigten wir keine Ausländer. Würden wir alle konsequent ausweisen, die schlechtes Deutsch sprechen ... es würde sehr geräumig in unserem schönen, armen Deutschland!

Vorallem:
Wer deffiniert, was schlecht ist? Was ist überhaupt schlecht? Nur das, was wir Ältere nicht mehr hören wollen oder können? ... was nicht mehr unserem Umgangston angehört? Sprache lebt! Von daher kann ich auch nicht so ganz die Empörung nachvollziehen. Die Empörung über die Umgangssprache unsere Jugend, über ihre Abkürzungen z.B. oder ihre Umdeutungen. (Rentner-Bravo etwa für Apotheken-Umschau)

Wenn ich mit meiner Frau z.B. einkaufen gehe, unterhalten wir uns grundsätzlich nur tschechisch.
Was spricht dagegen, daß ein Kind im Kindergarten Deutsch lernt und spricht, aber, sobald es aber heim kommt, der Mutter als Dolmetscherin fungiert? Meine Töchter - alle drei - sind konsequent zweisprachig aufgewachsen - Deutsch-Tschechisch. Geschadet hat's nicht, soweit ich's beurteilen kann. Die erste hat vier Semester Psychologie und danach Pädagogik studiert, arbeitet nun als Lehrerin in Tschechien, die zweite hat Jura studiert. Die dritte wird sehr wahrscheinlich Archäologie studiern, sagt sie.
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Re: Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen

Beitragvon Elfer » Sonntag 12. September 2010, 13:17

Hi Neandertaler

Ich glaube, da habe ich einges falsch transportiert.

Der Neandertaler hat geschrieben:Aber möchtest Du nun auch noch im privaten Bereich Deutsch als Umgangssprache vorschreiben? Also, so weit möchte ich nicht gehen. Gegen gebrochenes, oder schlechtes Deutsch als "Normalsprache", als "Umgangssprach", ja sofort. Aber dafür benötigten wir keine Ausländer. Würden wir alle konsequent ausweisen, die schlechtes Deutsch sprechen ... es würde sehr geräumig in unserem schönen, armen Deutschland!


Weder das Eine, noch das Andere.

Der Neandertaler hat geschrieben:Vorallem:
Wer deffiniert, was schlecht ist? Was ist überhaupt schlecht? Nur das, was wir Ältere nicht mehr hören wollen oder können? ... was nicht mehr unserem Umgangston angehört? Sprache lebt! Von daher kann ich auch nicht so ganz die Empörung nachvollziehen. Die Empörung über die Umgangssprache unsere Jugend, über ihre Abkürzungen z.B. oder ihre Umdeutungen. (Rentner-Bravo etwa für Apotheken-Umschau)


Nein, es geht nicht um schlecht oder gut. Es geht um ausreichend, ausreichend für eine verständige Kommunikation.

Ich habe es im Umfeld meiner Kinder erlebt und ich erlebe es im täglichen Berufsleben. Ich will hier auch niemanden über einen Kamm scheren. Es war als ein Merkmal gemeint. Ein Merkmal, wo Privates nach außen tritt. Dabei unterstelle ich bewusst, dass diese Menschen auch zuhause ausschließlich ihre Muttersprache sprechen.

Ich bin mir nicht sicher, ob es ausreicht, eine neue Sprache nur in Kindergarten und Schule zu erlernen. Sicher schult da auch das gemeinsame Spiel mit Kindern. Trotzdem halte ich es für wichtig, dass auch im Familienverbund die neue Sprache gesprochen wird. Wie gesagt, nie, um die Muttersprache zu verlernen.

Der Neandertaler hat geschrieben:Wenn ich mit meiner Frau z.B. einkaufen gehe, unterhalten wir uns grundsätzlich nur tschechisch.
Was spricht dagegen, daß ein Kind im Kindergarten Deutsch lernt und spricht, aber, sobald es aber heim kommt, der Mutter als Dolmetscherin fungiert?


Hab ich ja gerade schon ein wenig gesagt. Warum sollen die Kinder als Dolmetscher fungieren? Wenn ich in einem Land lebe, erlerne ich die Landessprache und will und muss ohne Dolmetscher dort leben können.

Der Neandertaler hat geschrieben:Meine Töchter - alle drei - sind konsequent zweisprachig aufgewachsen - Deutsch-Tschechisch. Geschadet hat's nicht, soweit ich's beurteilen kann. Die erste hat vier Semester Psychologie und danach Pädagogik studiert, arbeitet nun als Lehrerin in Tschechien, die zweite hat Jura studiert. Die dritte wird sehr wahrscheinlich Archäologie studiern, sagt sie.


Ich beneide Kinder die mehrsprachig aufwachsen können. Das ist gar nicht die Frage, es ist eher ein Vorteil. Aber ein Vorteil ist es nur dann, wenn er auch genutzt werden kann.

Wir können das Thema aber nicht nur mit Blick auf Menschen betrachten, die ein gutes Bildungsniveau besitzen. Wir müssen die Gesamtheit sehen und da ist gerade bei Ausländern das Bildungsniveau in der Breite nicht ausreichend. Über die Ursachen kann man nun trefflich streiten. Die Sprache ist ein Problem, es hier auszubilden. Oft bringen sie es aber gar nicht mit, auch da kann man trefflich über die Ursachen streiten.

Die Zeiten Kriegsflüchtlinge und politischen Flüchtlinge sind vorbei. Es gibt sie noch, aber der Schwerpunkt liegt anders. Die meisten Ausländer reisen aus wirtschaftlichen gründen hier ein. Auch wenn gerne Gegenteiliges behauptet wird, schaffen sie es hier allemal besser zu leben. Dies hat aber auch zur folge, dass überwiegend die Menschen kommen, die selbst in ihrem Herkunftsland keine Chancen hatten. Ich will damit sagen, dass es nicht die intellektuelle Elite ist, die überwiegend ins Land kommt.

Dort bin der Meinung, reicht es nicht aus, wenn man mal ein bisschen deutsch spricht. Gerade im Alltag ist es für alle wichtig deutsch zu sprechen. Für mich ist die Sprache halt das wesentlichste Zeichen für Integration.
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Re: Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen

Beitragvon Der Neandertaler » Sonntag 12. September 2010, 16:22

Hallo Elfer.
Erstmal ein Nachtrag - meine Frau ist eben, heute morgen aufgestanden:
    Nicht, daß ich Angst vor ihr habe. Angst habe vor fast nichts, auch nicht vor der Polizei, eher Respekt ... auch vor meiner Frau. Daß sie sich recht schnell und gut hier integriert hat, sich nicht nur eingelebt hat und vor allen Dingen ... daß sie es so lange mit mir ausgehalten hat ... über 30! Jahre.
Ich schweife ab!

Ach ja, Heisig. Warum ich Frau Heisig, Kertin Heisig, erwähnte:
Als ich meinen Eingangs-Beitrag schrieb, fiel mir der Name von Frau Heisig ein, und ich halte ihr Buch, bzw. beide, für erwähnenswerter, nachdenkenswerter, zumindest kritikwürdiger als die Thesen von Herrn Sarrazin.
Erstens, weil sie nicht grundlos pauschalisiert, zweitens, und das ist zumindest für mich wichtig, sie sieht, respektive sah besser aus ... zumindest besser als Frau Steinbach. Sie schrieb auch besser als Herr Sarrazin.
Ich sah sie einmal, ich glaube es war bei Beckmann, so wie sie sprach, halte ich sie für sehr sensibel, sehr emphatisch, aber recht unnahbar, fast abweisend. Aber sie hatte etwas Symphatisches an sich!
    Sollte ich allerdings nur über Leute schreiben, die Symphatie ausstrahlen oder die nett sind ... würde in manchen meiner Beirägen mindestens die Hälfte wegfallen, somit auch manche Pointe.
Schreiben:
Besonders, weil sie das auf den Tisch bekam, was Politik, auch zum Teil die Gesellschaft, was dort verpaßt, verbockt wurde. Sie schrieb also aus der Praxis heraus. Sie bot zum Teil Lösungen an. Nicht so Herr Sarrazin! Seine verbalen Ausbrüche waren, sind und bleiben nur Thesen. Warum er nur soviel Aufmerksamkeit bekam, ist mir schleierhaft. Hätte er ja auch schon vorher haben können ... seine Aussprüche waren auch schon als berliner Finanzminister nicht unbedingt besser.

So, genug des Monologs ... über vergangene Themen und Leute ... leider vergangen!. ... ich hoffe, sie hat's da oben besser!

Zurück zum Thema:
Elfer hat geschrieben:Ich glaube, da habe ich einges falsch transportiert.

Für's Transportiern bin ich zuständig. Aber OK!

Im Großen und Ganzen sind wir uns also darüber einig, daß Sprache als Voraussetzung zur Integration durchaus ein, ja der wichtigste Grund ist!
Aber Dir ist schon klar, daß einer etwa mit 40 weniger gut eine fremde Sprache lernt, als jemand etwa mit 14?
Aber OK!sonst könnte es polemisch werden. Freundschaft!?!
Elfer hat geschrieben:Ich bin mir nicht sicher, ob es ausreicht, eine neue Sprache nur in Kindergarten und Schule zu erlernen. Sicher schult da auch das gemeinsame Spiel mit Kindern. Trotzdem halte ich es für wichtig, dass auch im Familienverbund die neue Sprache gesprochen wird. Wie gesagt, nie, um die Muttersprache zu verlernen.

Klar! Nur, wenn dort, aus diversen Gründen, nicht oder nur gebrochen Deutsch gesprochen wird, hilft das auch wenig. Ich halte es allemal für besser und sinnvoller, wenn auch dort, in den KiTas, Pädagogen und Pädagoginnen eingesetzt werden.
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.

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Re: Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen

Beitragvon Britta » Montag 13. September 2010, 15:33

Der Neandertaler hat geschrieben:Das Problem, was wir auch so schnell nicht lösen können, ist, daß alle unsere Sozialsysteme z.B. auf Wachstum ausgerichtet sind. Daß sie eingerichtet wurden, als ein unbändiges Wachstum noch angenommen wurde.

unbändiges Wachstum durfte nur annehmen, wer zu dumm war.
Der Neandertaler hat geschrieben:Ich gebe Dir recht, Lebensmittel, um nur einen Aspeckt zu nennen, sind nicht zu wenig vorhanden, sie sind nur ungleich verteilt. Allerdings hört sich das "Alle könnten in Wohlstand leben ..." etwas zu idealistisch an.

Alle Menschen sind gleich. Sie haben ein Recht auf leben. Es geht nicht darum, den Armen mehr zu geben sondern darum, ihnen weniger zu stelen.

Der Neandertaler hat geschrieben:So zynisch es sich auch anhört - es klingt auch etwas überheblich, etwas fremdenfeindlich, gebe ich zu:
wir brauchen Armut, damit es uns hierzulande gut geht, damit es uns besser als anderen. Armut: der Anderen. Dummerweise kommt dies Armut leider immer näher.

Nein, da muß ich dir widersprechen. Wenn die Armen mehr haben - also reicher werden - dann geht es allen besser. Wenn die Armen immer ärmer werden, passen sich auch die Reichen nach unten an. Dass es Armut geben muß, damit es ein paar Wenigen gut geht, halte ich für ein Märchen.
Der Neandertaler hat geschrieben:Dein Vorschlag:
"Wenn man die tägliche Arbeitszeit senkt, hätten auch alle Arbeit und ein Auskommen." hört sich gut an, aber mit Blick auf unsere Sozialsysteme:
Wer soll diese beglücken? Wer soll dort hinein zahlen? Einer muß es tun!

Da bist du in dem typischen Denkschema unserer Zeit. Gibt es keine bessere Lösung, nur weil wir uns diese nicht vorstellen können?

Die Arbeitszeit senken bei vollem Lohnausgleich wäre doch schon mal was. Wir hätten alle mehr vom Leben.

Der Neandertaler hat geschrieben:Glaubst Du, diese dann entstehenden Arbeitsplätze wären alle Vollzeitplätze, sprich: versicherungspflichtig, so daß diese dort hinein, in unsere Sozialsysteme einzahlen könnten?

unser Sozialsystem ist in meinen Augen nicht mehr sozial. Schon schlimm genug, dass es in unserer Welt so etwas braucht und das Menschen ohne nicht mehr überlebensfähig wären. Die Zeiten haben sich gegen früher, wo Familie noch Sicherheit bedeutete, gewaltig geändert.
Der Neandertaler hat geschrieben:Nein, nein, ich bin auch kein Freund von Wachstum ... von unbändigem Wachstum ... von Wachstum, welches uns von einer Krise zur nächsten schaukelt, aber ich sehe leider keine Alternative dazu ... zu Wachstum. Nur, sollten wir es nicht schaffen, Leuten, auch abseits von Arbeit eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, sollten wir es also nicht schaffen, auch Arbeitslosen und Aufstockern - und davon wird es zukünftig noch mehr geben - daran zu beteiligen, ja dann sehe ich schwarz, dann wird unser sozialer Friede, den wir bis jetzt noch haben, den Bach hinuntergehen. Dann knallt's.

Ja, der Wahnsinn wird immer weiter ausgebaut und bekämpft die Symptome statt die Ursache.
Der Neandertaler hat geschrieben:Deinen letzten beiden Sätzen kann ich nur zustimmen!
Wir haben nur ein Problem dabei:
einem radikalen Schnitt, einem radikalen Umbruch, einem großen Wurf, diesem folgt immer eine gewisse Anpassungsphase. Und wenn dieser "Schnitt" dann auch noch ein Schnellschuß war, wird's eng.

Da ist über Jahrhunderte schon zuviel schiefgelaufen in den Köpfen der Menschen. Da ist ein radikaler Schnitt nicht drin - ist mir schon klar. Es braucht Generationen um das wieder hinzubekommen. Nur ist leider noch nicht mal ein Ansatz zu sehen.

Dazu kommt, dass die Leute, die sich bequem in diesem System eingerichtet haben und am besten davon leben, keine Veränderung wollen.
Der Neandertaler hat geschrieben:Gerade in Deutschland, wo alles geregelt ist, wo vermehrt Leute konservativ denken und handeln, wo aber auch Politik vermehrt von Gerichten beeinflußt wird, dort ist ein Umbruch, so richtig er auch ist - im Hinblick auf funktionierende Sozialsysteme, ist eine Veränderung nicht immer ganz einfach. (s. ALG-II/Hartz-IV)
Der Tenor, die Zusammenlegung von Arbeitslosen-Hilfe und Arbeitslosengeld war schon sinnvoll - zumindest in Hinsicht von Kostensparen, diese Reform kam aber erstens zu spät, und zweitens: sie kam zu überhastet, eben als Schnellschuß. Insofern werden wir zumindest vorläufig auf Wachstum setzen müssen.

Nein, HartzIV war grundverkehrt. Es war dazu da, das Durchschnittseinkommen der Gesamtbevölkerung zu senken und das noch angesparte Vermögen der Opfer aufzulösen, sodass sie nur noch in Abhängigkeit leben können.

HartzIV hat die Lebensqualität für Alle gesenkt - nicht nur für die HartzIV-Opfer.

Wir leben halt in einer von Männern dominierten Welt und genauso sieht die Welt halt aus.
People who lie to others have merely hidden away the truth, but people who lie to themselves have forgotten where they put it.
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Britta
 
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Re: Fachkräftemangel nicht falsch, bei all unseren Problemen

Beitragvon Der Neandertaler » Dienstag 14. September 2010, 15:52

Liebe Britta.
Es tut mir leid, daß ich Dir in einigen Punkten widersprechen muß.

Es mag sein, daß ich einige alte, typische Denkschemata unserer Zeit widergebe.
Ich kann es mir in der Tat nicht vorstellen, daß ein Unternehmer, durch eine Maßnahme wie "Die Arbeitszeit senken bei vollem Lohnausgleich", daß er dadurch eine Erhöhung seiner Kosten tatenlos hinnehmen würde. Er würde mit Sicherheit einen Ausgleich schaffen, zu schaffen versuchen. Einen Ausgleich zwischen Kostensenkung einerseits, aber so, daß andererseits noch sein Service stimmt. Er würde also Leute entlassen. Was letztendlich zu mehr Arbeitslosigkeit führen würde, aber auch zu vermehrtem Druck, Druck auf die verbliebenen Arbeitnehmer, durch Mehrarbeit.
Es ist in der Tat eine Zwickmühle!
Ich kann mir recht viele Lösungen bzw. Möglichkeiten dazu vorstellen, aber leider haben wir noch die Lösung gefunden, die Lösung, die den Gordischen Knoten durchschlägt, der alles befriedigt. Wer, um aus unserem Dillema zu entkommen, den Stein der Weisen findet, dem gehört ein großes Lob.

Hartz-IV:
Es gibt wenig Diskussionen, denen ich aus dem Weg gehen möchte. Diese ist aber eine solche, sie gehört in diese Kategorie. Nicht, daß darin nicht firm bin - ich glaub schon, daß ich gute Argumente hätte, aber sie ist mir zu emotional aufgeladen, sie wird zu ideologisiert, zu ideologisch, fast unrational geführt.
Ich möchte Dir nur ein Gespräch zwischen mir und einer gute, alten - alt nicht dem Alter nach - Bekannten wiedergeben.
Ich war bei ihr zu Besuch und möchte Dir diese Unterhaltung wahrheitsgemäß und wörtlich wiedergeben - ich bin der Dicke:
      Ich möchte Dich nicht hinauswerfen, aber ich muß zu einer Demo.
      Du, zu einer Demo? Worum geht es denn?
      Um Hartz-IV. Gegen Hartz-IV!
    sie kommt in's Zimmer und zeigt mir ihr T-Shirt. Worauf steht:
    "Weg mit Hartz-IV."

    auf meine Frage, was wir dann danach machen? Zurück zum alten System? Diese Frage(n) beantwortet sie mit Nachdenken. Ich frage nach:
      Wieviel bekommst Du denn?
      345€
      Du bezahlst doch alleine schon 310€ Miete. Da bleibt ja nicht mehr viel übrig.
      Die Wohnung bezahlt das Amt!

        Laut §22 SGB2 müssen "Leistungen für Unterkunft und Heizung ... in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht" werden, "soweit diese angemeßen sind."
        Angemeßen:
          Als Orientierung dient das Wohngeldgesetzes (WoGG) - unter Berücksichtigung der am jeweiligen Ort marktüblichen Mieten.
        Wohnung:
          45m² für eine - 60m² für zwei Personen, sowie 15m² für jede weitere Person.
      Du hast doch schon vorher von Sozialhilfe gelebt. Wieviel bekamst Du denn vorher?
    Nachdenken.
      Zu DM-Zeiten, umgerechnet 1250DM.
Ich glaube, es war das einzige Mal, daß ich mit meiner Frau einen längeren, heftigeren Disput hatte. Es war ihre Freundin und sie sprach etwa ein Jahr nicht mehr mit uns. Mittlerweile hat es sich gegeben, wir sind wieder im Gespräch; wir unterstützen sie auch ... genau wie vorher.
Ich bin genau wie Du der Meinung, daß die gesamten Hartz-Gesetze falsch aufgezogen worden sind, daß damit ein Fehler begangen wurde. Fehler aber nicht daß sie es gibt, sondern, Stichwort:
Fordern und Fördern nur, daß es letztlich lediglich beim Fordern blieb

Der Ansatz den Arbeitsmarkt zu entbürokratisieren, ohne großartige Verschlechterungen hervorzubringen, halte ich nach wie vor für richtig.
Man wollte zum Beispiel nicht den Kündigunsschutz für alle lockern - hätte zu recht einen großen Aufschrei gegeben, und, die Krise zeigt es, es wäre auch ein fataler Fehler gewesen - diesen Kündigungsschutz wollte man also nicht anrühren, aber vermehrt Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Letztendlich blieb so nur:
    man mußte die Zeit- und Leiharbeit ausbauen.
Aber was für Arbeitsverhältnisse sollten dies werden, außer den jetzigen, prekären, unterbezahlten?
Somit hat man den zweiten vor dem ersten Schritt getan.
Fordern statt Fördern
Britta hat geschrieben:Dazu kommt, dass die Leute, die sich bequem in diesem System eingerichtet haben und am besten davon leben, keine Veränderung wollen.

Liebste Britta:
Wenn ich, nachdem ich Leistungen aus Steuergeldern bekommen habe, sagen wir mal ... für zwei Jahre, nachdem ich diese bekommen habe und nachdem ich jetzt die Möglichkeit habe, Arbeit zu bekommen, nun aber damit rechnen muß, diese Leistungen - auf die ich ein Grundrecht habe - daß ich diese zurückzahlen muß, sobald ich über den Satz kommme (derzeit, glaube ich: 660€), würde ich mir auch einiges anders überlegen.
Britta hat geschrieben:
Der Neandertaler hat geschrieben:So zynisch es sich auch anhört - es klingt auch etwas überheblich, etwas fremdenfeindlich, gebe ich zu:
wir brauchen Armut, damit es uns hierzulande gut geht, damit es uns besser als anderen. Armut: der Anderen. Dummerweise kommt dies Armut leider immer näher.

Nein, da muß ich dir widersprechen. Wenn die Armen mehr haben - also reicher werden - dann geht es allen besser. Wenn die Armen immer ärmer werden, passen sich auch die Reichen nach unten an. Dass es Armut geben muß, damit es ein paar Wenigen gut geht, halte ich für ein Märchen.
Allerliebste Britta:
Du gibst ja auch zum Teil meine Meinung wieder, der Tenor: Wir müssen andere besser stellen, "reicher" machen, bezieht sich aber eher auf die, die, zumindest kurzfrsitig besser gestellt werden können, in erster Linie darum, daß sie damit letztlich in der Lage sind, unsere, teureren Produkte zu kaufen, denn ohne Wachstum ist nach heutiger Denk- und Handlungsweise wenig drin ... für uns und unsere Sozialsysteme. Ich weiß:
es sind wieder die alten, typischen Denkschemata und ich weiß auch, daß diese Systeme nicht mehr sozial sind. OK!
Aber das "wir brauchen Armut, damit es uns hierzulande gut geht, damit es uns besser als anderen. Armut: der Anderen." ist falsch, die falsche Denkrichtung. Ist aber leider die Ralität!
Damit wir uns hierzulande ein T-Shirt etwa für 5€ kaufen können, muß es Armut geben; jemand muß in Armutsländern bereit sein, diese T-Shirt für einen Hungerlohn zu produzieren, zu nähen.
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.

Die Welt ist so geräumig und der Kopf ist so beschränkt.

Zpět k budoucnosti ke nejlebší čas.


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Viele Grüße
Der Neandertaler
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