Hallo Ralf.
ralfkannenberg hat geschrieben:also so direkt würde ich Russland nun auch wieder nicht vor den Kopf stossen. Es sind nicht nur Expansionsgelüste, es sind in Russland auch Ängste vorhanden.
Vom Verhalten meiner Kinder (als sie noch jünger waren) weiß ich, daß Gewalt sehr viel mit Angst und Frust zu tun hat, da stimme ich Dir ausdrücklich zu, JA!
Auch die EU-Erweiterung hat ja nicht unbedingt mit Expansionsgelüsten zu tun, sondern es sollen neue Märkte erschloßen werden.
(hat also auch weitgehend mit Angst zu tun. Angst, daß die vorhandenen Märkte zukünftig nicht mehr ausreichen.)
Aber es ist diese Haltung (ohne Dir etwas zu wollen: durch EU- oder NATO-Erweiterung "nicht vor den Kopf stossen"), die mir zu nachgiebig erscheint, und, weil sie von der Gegenseite falsch interpretiert wird, daß diese vielleicht zur jetzigen Eskalation beigetragen hat?!?
Und: wieso kann alleine schon eine Mitgliedschaft in einer Organisation als Bedrohung ... Provokation angesehen werden?
Die NATO hat doch, meines Wissens, keine zusätzlichen (regulären) Truppen in diesen Staaten. Dort stehen doch nur inländische Truppen - sie tragen nur jetzt einen anderen Namen. Die NATO garantiert doch nur, daß, im Falle eines Angriffs, diese Länder beschützt ... unterstützt werden.
Als die NATO- und die EU-Erweiterung um die ehemaligen Ostblockstaaten (Tschechien, Polen, Slowakei, Ungarn, ect.) zur Frage anstand, war es ja nicht so, daß diese westlichen Organisationen "Expansionsgelüste" hatten (also letztlich Russland vor den Kopf stoßen wollten), sondern: diese Länder suchten Schutz ... hatten Angst ... Ressentiments gegenüber einem starken Russland. (man weiß ja nie, wer noch an die Macht kommt? Schirinowski? Putin?)
Und diesen Schutz, meinten sie, bekämen sie in der NATO und der EU.
ralfkannenberg hat geschrieben:Und es ist anzunehmen, dass die pro-russischen Teile der Ukraine nicht in die NATO wollen und die Bevölkerung Transnistriens wird das auch nicht wollen.
Und das ist - selbstverständlich !! - zu respektieren.
Auch hier gebe ich Dir recht, JA! Eine Eingliederung, gegen den Willen der Bevölkerung (ohne ausreichende Überzeugung derer) würde mit Sicherheit zu Frust und könnte letzlich zu Gewalt führen. Also bleibt nur eines: Abstimmung! (die aber dann auch von der jeweilig anderen Seite respektiert werden müßte!) Oder eben Überzeugungsarbeit!
ralfkannenberg hat geschrieben:Eigentlich wäre ein neutraler Status für die Ukraine und auch für die Moldau ideal ...
Ideal schon, würde aber eher Putins Forderungen entsprechen. Und seitwann darf jemand, der, allgemeiner Meinung nach, diese vertrakte Situation geschaffen hat, wieso sollte derjenige einen Weg und die Zukunft eines Landes vorschreiben? Damit er, im Falle einer erneuten Paranoia, leichteres Spiel hat?
ralfkannenberg hat geschrieben:Es kann übrigens auch eine durchaus sinnvolle Strategie sein, die Ukraine und die Moldau komplett aufzugeben und sich auf den Schutz der EU-Grenzen zu beschränken, nämlich um einen Flächenbrand zu verhindern.
Damit würde doch erst recht ein Flächenbrand heraufbeschworen. (zu nachgiebig und daher: weiter so!)
ralfkannenberg hat geschrieben:Es stellt sich also letztlich die Frage, ob wir "Westler" uns verpflichtet fühlen, den Einwohnern von den beiden Nicht-EU Ländern Ukraine und Moldawien bei der langfristigen Verteidigung ihrer demokratischen Standards und ihrer Freiheit zu unterstützen oder nicht.
Die Frage ist berechtigt ... und weitgehend auch verständlich. Meine Antwort: "Um einen neuen Kalten Krieg zu verhindern!"?
Unsere Gesellschaft(en) haben es geschafft, Franzosen und Deutsche, also Erzfeinde, zu versöhnen. Wir haben es ebenso geschafft den Kommunismus zu verhindern ... zu besiegen, also den Ostblock in einzelne Länder aufzutrennen. Warum sollten wir nun auf halben Wege stehen bleiben und diesen Ländern nicht beim Aufbau von demokratischen Strukturen helfen? Warum sollten wir durch unser Handeln (oder Nicht-Handeln) diese wieder in die Isolation und letztlich zu ... treiben?
ralfkannenberg hat geschrieben:Der Neandertaler hat geschrieben:Merkel stand bisher immer an Putins Seite (egal was die Anderen sagten). Merkel war daher immer die Garantin Putins zum Westen ... zur EU.
das war auch richtig so.
Ralf, wie Du weißt (oder zumindest solltest Du es wissen - hab es oft betont), bin ich ein Freund der Brandt'schen Herangehens- und Denkweise (Wandel durch Nähe - Wandel durch Handel), aber meiner Aussage lag die Einschätzung zu Grunde, daß Merkel diese Befürchtungen dieser Länder seinerzeit einfach als zynische Ansichten abgetan hat.
(als Ossi mit Wessi-Ansichten und deren besserwisserischen Haltung - hätte besser laufen können ... sollen!)
Daß diese Merkel'sche Grundhaltung (Wandel durch Nähe - Wandel durch Handel) nicht ganz verkehrt ist, glaube ich, dürfte klar sein. (der Kalte Krieg ... die DDR ist ja nicht durch Gewalt beendet ... "besiegt" worden - sondern durch Anerkennung und Handel!) Man kann es aber auch übertreiben! Und hier hat es, meiner Meinung nach, Merkel übertrieben.