Universität Konstanz: Professor Miriam Gebhardt

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Universität Konstanz: Professor Miriam Gebhardt

Beitragvon ralfkannenberg » Mittwoch 4. März 2015, 21:23

Hallo zusammen,

Frau Miriam Gebhardt ist Geschichts-Professorin an der Universität Konstanz und will zum Ergebnis gekommen sein, dass die Zahl der vergewaltigten deutschen Frauen nach Kriegsende deutlich kleiner ist als bisher angenommen. Zudem ist sie der Meinung, dass auch westliche Besatzungsmächte sich ebenso solcher Vergewaltigungen schuldig gemacht haben wie sowjetische Soldaten und hat ein Buch dazu geschrieben: "Als die Soldaten kamen".

Ich habe ein Interview von ihr gefunden:

Zwischen Blumen und Kalaschnikow: Vergewaltigungen nach Kriegsende

Zu ihrer Quellenlage sagt sie im Interview folgendes:

Was sich hingegen nicht bewahrheitet hat, das war die Erwartung, die westlich alliierten Soldaten würden so etwas nicht tun. Dabei vergewaltigten sie ebenso. Ich habe Belege dafür gefunden, aber nur wenige Zeugnisse von Frauen selbst, die von Vergewaltigungen durch einen westlichen Soldaten berichtet haben.


Was meint ihr: wann wird sie von ihrem Lehrstuhl entfernt ?


Freundliche Grüsse, Ralf
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Re: Universität Konstanz: Professor Miriam Gebhardt

Beitragvon Herr Senf » Mittwoch 4. März 2015, 21:39

"Entfernen" geht nicht:
sie ist apl. Prof., also habilitierte Privatdozentin, nicht im "ordentlichen" Dienstverhältnis.
Ihre "Beschäftigung" ist Publizistin und Journalistin, ein anderes rotes Tuch heißt zB Alice S.
ich will auch mal was dazu sagen
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Re: Universität Konstanz: Professor Miriam Gebhardt

Beitragvon galileo2609 » Donnerstag 5. März 2015, 00:33

Hallo Ralf,
ralfkannenberg hat geschrieben:Was meint ihr: wann wird sie von ihrem Lehrstuhl entfernt ?

nach ein wenig Recherche habe ich zwar eine gewisse Vorstellung darüber, was du meinen könntest. Aber wäre es nicht angebracht, etwas unmittelbarer zu begründen, welche Verfehlungen gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis Frau Gebhardt begangen haben könnte, um deine fordernde Prognose nachvollziehbarer zu machen?

Grüsse galileo2609
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Re: Universität Konstanz: Professor Miriam Gebhardt

Beitragvon ralfkannenberg » Donnerstag 5. März 2015, 13:30

galileo2609 hat geschrieben:nach ein wenig Recherche habe ich zwar eine gewisse Vorstellung darüber, was du meinen könntest. Aber wäre es nicht angebracht, etwas unmittelbarer zu begründen, welche Verfehlungen gegen die Grundsätze guter wissenschaftlicher Praxis Frau Gebhardt begangen haben könnte, um deine fordernde Prognose nachvollziehbarer zu machen?

Hallo galileo,

das Thema ist enorm emotional belastet und gibt auch all' den Putin-Verstehern Aufwind. Da ist es wichtig, dass ein Thema "korrekt" kommuniziert wird und nicht reisserisch, da diejenigen, die nicht rational argumentieren, aber leider eben doch aktiv eine öffentliche Meinung bilden, sich dann in ihrer Ansicht bestätigt fühlen. Das ist deswegen schlimm, weil sie eben nicht recht haben, d.h. sie instrumentieren eine Arbeit für ihre Zwecke.

Das betrifft nun aber nur die Art und Weise, wie eine Arbeit wie eben das vorgenannte Buch vorgestellt werden.

Nun gibt es aber unabhängig von der aktuellen Politik auch die Frage, worauf denn die Aussagen der Frau Professorin beruhen. Sie hat da - gemäss ihrem Interview, das Buch selber habe ich nicht gelesen - eine Formel, anhand derer man die Zahl der Vergewaltigungsdelikte ausrechnen kann. Diese Formel lautet, dass aus 100 Vergewaltigungen also ein "Besatzungskind" resultiert.

Die Frage, die sich auch stellt, ist die, ob das umgekehrte gilt, also dass es pro Besatzungskind 100 Vergewaltigungen gab ?

Zumindest aus dem Dreiländereck ist mir aufgrund diverser Aktivitäten zum 50.Jahrestages des Kriegsendes, in die auch meine damalige Freundin als Geschichtsstudentin involviert war, bekannt, dass es dort das Phänomen der Prostitution gab. Zahlreiche junge Frauen haben sich also den Soldaten der Besatzungsmächte prostituiert, um auf diese Weise zu Vorteilen zu gelangen. Aus behördlicher Sicht war es primär wichtig, dass diese Frauen ein Gesundheitszeugnis hatten und über die Erfordernisse solcher Gesundheitszeugnisse gibt es also Dokumente in den Archiven, möglicherweise auch über solche Gesundheitszeugnisse selber. Ich bitte um Nachsicht, dass meine Erinnerung auf Ausstellungen in Liestal, Lörrach und Mulhouse sowie dem Wohnort meiner Eltern, also Rheinfelden, beruhen, die nun auch schon fast 20 Jahre zurückliegen. Habe ich erstere drei mit meiner damaligen Freundin zusammen besucht, so habe ich letztere einfach aus Interesse der Stadt gegenüber, in der ich meine Jugend verbracht habe und in die ich doch auch heute noch fast einmal wöchentlich komme, besucht. Ich erinnere mich in Rheinfelden an einen allerdings eher weniger spektakulären Fall, dass da ein Besatzungssoldat mit vorgehaltener Pistole einem Bauern ein Huhn gestohlen hat und der Geschädigte das eben zur Anzeige gebracht hat.

Aus einem Artikel des Tages-Anzeigers, der aber weniger lange zurückliegt, weiss ich auch, dass es zumindest während des Krieges auch zu ganz normalen amourösen Beziehungen zwischen Soldaten und Frauen der Regionen, in denen diese Soldaten stationiert waren, gekommen ist.

Sowohl bei der vorgenannten Prostitution als auch bei den normalen zwar amourösen, aber eben doch ausserehelichen Beziehungen sind auch Kinder zur Welt gekommen, zumal ich auch gewisse Zweifel habe, ob die Versorgung mit Kondomen in der Nachkriegszeit gut gewesen ist.

Kurz und gut - auch da sind also Kinder zur Welt gekommen und das sind Fälle, die die Frau Professorin zumindest in ihrem Interview eben nicht erwähnt. Sie hat einfach eine Formel und daraus berechnet sie etwas; an sich wäre es auch hilfreich, wenn man anstelle des käuflich erwerbbaren Buches eine Studie an der Universität zu diesem Thema einsehen könnte.

Neben dem o.g. Zitat hat mich auch noch der folgende Satz im Interview stutzig gemacht:

Frage: Sie gehen von der Zahl von 860.000 vergewaltigten deutschen Frauen aus. Dies ist weitaus geringer als manche vorige Schätzungen, die teilweise allein von rund zwei Millionen von Rotarmisten vergewaltigten Frauen sprechen. Wie kommen Sie auf diese Zahl?

Prof.Gebhardt: Es gab bislang nur Schätzungen für die Opfer der Roten Armee, die sich zwischen ein und zwei Millionen bewegen. Diese Zahlen beruhen auf einer stichprobenartigen Schätzung von Krankenhausakten eines einzigen Krankenhauses in Berlin. Ich habe einen ganz anderen Weg gefunden.


Mit diesem reduziert sie also die Zahl der Vergewaltigungen der sowjetischen Besatzungsmacht im Vergleich zu derjenigen, von der man bisher ausgegangen war, und gleichzeitig erhöht sie die Zahl der Vergewaltigungen der westlichen Besatzungsmächte, sie gleicht diese beiden Zahlen also an.

Wie gesagt, es sind nur Hinweise und Teilaspekte, die mich stutzig machen; selbstverständlich muss eine Fachperson sich die Mühe machen und diese Zahlen überprüfen. Meines Wissens ist aber ein Analogon zum Peer Review-Prozess der Naturwissenschaften bei historischen Studien nicht vorhanden, weil das gar nicht praktikabel wäre.


Freundliche Grüsse, Ralf
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Re: Universität Konstanz: Professor Miriam Gebhardt

Beitragvon Uli » Donnerstag 5. März 2015, 14:58

ralfkannenberg hat geschrieben:...
Was meint ihr: wann wird sie von ihrem Lehrstuhl entfernt ?


Freundliche Grüsse, Ralf


Dass es auch zu Vergewaltigungen deutscher Frauen durch amerikanische Soldaten gekommen war, ist ein Faktum; entsprechende Berichte liegen vor.
Es geht "nur" um die Zahlen, um die gestritten wird. Andere Schätzungen wie die des amerikanischen Kriminologen J. Robert Lilly liegen weit unter Frau Gebhardts Schätzungen; er kommt auf 14 000 statt auf die 190 000 von Fr. Gebhardt.

Taken by Force explores the patterns of rapes committed by US servicemen during the Second World War between the years of 1942 and 1945, as well as the reaction of the American army in response to the crimes. The book draws upon court records, newspaper articles and trial transcripts, covering the 14,000 rapes that Lilly estimated, using a formula created by Leon Radzinowicz, occurred in Britain, France and Germany at the hands of US soldiers.


aus
http://en.wikipedia.org/wiki/Taken_by_Force_%28book%29

Diese Zahlen wird man wohl nie wirklich zuverlässig erfahren können; es scheinen in jedem Fall "gewagte Hochrechnungen" zu sein. Klar ist, dass Soldaten, die eine Zeitspanne Krieg hinter sich haben, sicherlich weniger Hemmungen haben, Gewalt anzuwenden - auch gegen Frauen. Der Krieg verändert die Menschen: Russen wie Amis.

Gruß,
Uli

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manche Kommentatoren schätzen Lillys Zahlen als zu niedrig ein; evtl. liegt die Wahrheit irgendwo zwischen seinen und Gebhardts Zahlen.
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