Uli hat geschrieben:Im Laufe der Zeit bin ich immer kritischer der NATO-Einmischung gegenüber geworden, da ich mich nicht gegen den Eindruck wehren konnte, dass
(a) Gaddafi von den Medien gezielt dämonisiert und vorverurteilt wurde.
Hallo Uli,
zumindest einige von Ghadhafi-"Taten" sind aktenkundig. Wieviele der zugehörigen Quellen hast Du Dir angeschaut ? Oder anders gefragt: Würdest Du mit den Dir bekannten Quellen analog ein physikalisches Resultat akzeptieren ?
Uli hat geschrieben:Vorwürfe der NTC-Rebellen ("Massengrab gefunden" etc.) wurden immer auf der Stelle unkritisch übernommen. Bisweilen stellte sich dann im nachhinein heraus, dass die präsentierten Knochen animalischer Herkunft waren.
Das ist aber in jeder militärischen Auseinandersetzung so.
Uli hat geschrieben:Für mich steht fest, dass Gaddafi einer differenzierten Analyse bedarf; viele Annehmlichkeiten, die er dem libsychen Volk gebracht hat, stehen außer Zweifel (soziale Sicherheit, Wohlstand, Gleichberechtigung der Frauen etc.).
Hast Du hier auch gute und belastbare Quellen ? Ein gutes Kriterium ist es, wenn Du analog guten Quellen in der Physik Glauben schenken würdest.
Im Übrigen braucht jeder Despot einer "differenzierten Analyse". Ich meine das übrigens ganz neutral - allein die Rechtstaatlichkeit erfordert das. Und das ist auch gut so.
Uli hat geschrieben:Er war ja bis vor kurzem auch noch der "Buddy" unserer Politiker gewesen, Originaltext Sarkozy: Gaddafi sein nicht als Diktator anzusehen o.ä..
Was soll er denn sonst sagen ? Allein aufgrund seines diplomatischen Status kann sich Sarkozy gar nicht anders äussern. Und wenn er ihn für einen Tyrannen hält, wird er auch nur seiner "tiefen Sorge" Ausdruck verleihen können, schliesslich ist Libyen ein souveränes Land.
Uli hat geschrieben:(b) er hat zweifellos einigen Rückhalt im libyschen Volk gehabt; Britta meint, er habe das gesamte libysche Volk hinter sich gehabt. Das scheint mit aber reichlich übertrieben. Nach Meinung eines Libyen-Experten standen v.a. die älteren Bevölkerungsteile und Teile seiner ethnischen Gruppe hinter ihm.
Ich hatte das vor dem Konflikt auch nicht gewusst, dass Libyen aus so vielen Stämmen besteht und alles andere als einig war. Allein deswegen dürfte er grossen Rückhalt bei seinem eigenen Stamm gehabt haben.
Uli hat geschrieben:(c) die NATO-Aktion diente NICHT dem Schutz der Zivilbevölkerung; ansonsten hätten sich die Angriffe der Nato gegen die Rebellen richten müssen, als diese begannen, Syrte und andere Städte in Schutt und Asche zu legen bzw. zu entvölkern, die schwarze Bevölkerung zu drangsalieren und hunderte Kriegsgefangene hinzurichten. Entsprechende AI-Reports sind leicht zu finden.
Ist einerseits mit Vorsicht zu geniessen, ausserdem ist es, wie man im Jugoslawien-Krieg gesehen hat (Stichworte Srebenica, Cepa) gar nicht so einfach, die Zivilbevölkerung zu schützen. Hinterher wird dann gross verkündet, die UN-Soldaten - damals waren es Holländer, hätten weggeschaut. Auch sowas wird wohl historisch etwas besser aufgearbeitet werden müssen, damit es sich von einer "BILD"-Schlagzeile abheben kann, und von einer historischen Aufarbeitung der Geschehnisse in Libyen sind wir nun wirklich noch weit entfernt.
Uli hat geschrieben:(d) den Rest gab mir dann freilich der Mord des NTC-Lnych-Mobs an Gaddafi. Egal wieviel an den Vorwürfen gegen ihn dran sein sollte, einfach widerlich, was die mit einem 70-jährigen hilflosen alten Mann gemacht haben bevor sie ihn abgemurkst haben. Schau mal genauer drauf:
http://www.globalpost.com/dispatch/news ... afi-sodomy
Hilflos ??? Bitte, das glaubst Du doch selber nicht. Oder anders gefragt: Was muss denn noch geschehen, bis Du so einem Herscher etwas kritischer gegenüberstehst ? Zumindest zeigt die Ermordung - von seinem Sohn, der gleich mitermordet wurde, redet übrigens niemand - dass es mit der Beliebtheit Ghadhafis doch nicht so weit her war, gleiches gilt auch für die spontanen Freude-Kundgebungen in ganz Libyen, als die Nachricht seines Todes bekannt wurde.
Gewiss, er hatte kein ordentliches Gerichtsverfahren, sondern wurde einfach umgebracht, aber den Hass dazu, dass sowas passiert ist und dass da nun nichts nachkommen wird, den hat er gesäht.
Man wird auch sehen müssen, wieviel Angst die Libyer hatten, dass Ghadhafi wieder zurückkehrt, und die dann nachfolgende Schreckensherrschaft brauche ich wohl nicht näher auszumalen.
Einmal mehr: Das darf und kann keine Ermordung rechtfertigen, doch wirklich verwundern sollte es auch nicht und wären Ghadhafi und sein Sohn wirklich diese wohltätigen Engelchen gewesen, als die sie manchmal dargestellt werden, dann wäre die Ermordung der beiden vermutlich so nicht passiert.
Auch hier gilt: Die Quellenlage ist hier in Mitteleuropa ungenügend, diese Fragestellung abschliessend beurteilen zu können; alles was wir wissen, ist, dass es offenbar sehr viel Hass gab, dass aufgrund dessen zwei Menschen ermordert wurden und das ganze nun nicht weiter untersucht wird, weil niemand der Betroffenen wirklich daran Interesse hat.
Dass dabei vermutlich pikante Details - was übrigens wundert, da diese ja bestens in Fernsehaufnahmen dokumentiert sind - nicht mehr ans Licht kommen, an denen zahlreiche Regierungschefs nicht interessiert sind, ist nur ein "angenehmer" Nebeneffekt, welcher die Rufe nach einer lückenlosen Aufklärung nicht allzu laut werden lassen düfte.
Uli hat geschrieben:Man kann wie viele nun sagen "halb so schlimm, Hauptsache er ist weg". Hat das noch was mit Menschenrechten zu tun? Sind Vorwürfe gegen einen Verdächtigen nicht noch vor seiner Hinrichtung zu erbringen? Wohl nicht bei allen Menschen, manche sind eben ganz offensichtlich böse.
Das ist schon richtig, wir müssen uns aber auch dessen bewusst sein, dass Libyen eben kein Rechtsstaat war. Und auch noch keiner ist: Das ist dort noch ein langer und steiniger Weg, und wenn es wirklich schlecht läuft, dann kommt es zu ienem Machtkampf unter den Stämmen, in den auch das benachbarte Ausland hineingezogen wird.
So gesehen wäre eine Fortführung des Regimes Ghadhafis stabiler gewesen, und was die Selbstbestimmung des libyschen Volkes anbelangt, so ist dies ja sowieso nicht unser Bier hier in Deutschland oder in der Schweiz. Und ja - das ist es tatsächlich nicht.
Uli hat geschrieben:Die NTC-Offiziellen meinten dazu, sie hätten ihn lieber lebend gehabt, aber die Jugend war halt etwas enthusiastisch. Zum Teufel mit ihnen: es gibt immer nur Ausreden, keine Selbstkritik oder ernstgemeinte Versuche irgendetwas aufzuklären.
Ja natürlich; Gründe dazu siehe oben. Oder anders gesagt: Wer Hass säht, der wird vermutlich keine Liebe ernten.
Uli hat geschrieben:Ja, ich rege mich schon darüber auf, dass "wir" als Nato-Mitglieder diesem Abschaum an die Macht verholfen haben.
Hier kenne ich die Details viel zuwenig.
Uli hat geschrieben:Aber es ist zu befürchten, dass das Elend noch lange nicht vorbei ist; die massiven Verbrechen der NTC-Rebellen an Gaddafi-Anhängern werden zu Vergeltungsaktionen führen.
Das hat man damals bei der Hinrichtung Sadam Husseins (war ja wirklich nur ein besserer Schauprozess, der bei "lebenslänglich" wohl die bessere Akzeptanz erhalten hätte) auch vermutet, aber es kam nichts nach. Vermutlich kommt hier auch nichts nach. Auch ein Indiz übrigens, wie es um die Beliebtheit Ghadhafis aussah.
Uli hat geschrieben:Weiter regt mich auf, dass man neuerdings keinen Moment mehr innehalten darf, wenn es darum geht, einer Militäraktion zuzustimmen. Widerlich, wie alle Seiten über Westerwelle wegen der deutschen Enthaltung zum UNO-Persilschein für die NATO hergezogen sind.
Schwer zu sagen; wegschauen und Demonstranten abschiessen lassen, die sowieso keine Deutschen sind, ist halt einfach. Hätten alle so gedacht, wäre Ghadhafi vermutlich noch am Leben. Ich will aber nicht wissen, wie es dann jetzt in Libyen aussehen würde. Zum Glück ist es dort eher trocken, so dass die Leichenberge nicht bis nach Deutschland riechen würden. Aber wer weiss - vielleicht hätte Ghadhafi statt dessen ja Reformpläne in die Wege geleitet und das Land demokratisiert und sich dann in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet.
Und ja wirklich: Das wäre wirklich schön gewesen !
Uli hat geschrieben:Einmalige Chance verpasst, dass auch die Deutschen mal an einem gewonnenen Krieg teilnehmen und wie stehen unsere Konzerne nun bitteschön da, wenn die NTC-Klicke die Aufträge neu verteilt!
Unfug, dieses Denken in Kategorien des "Sieges" ist in Deutschland zum Glück nicht vorhanden.
Uli hat geschrieben:Ich meine übrigens auch gelesen zu haben, dass die ursprünglichen Vorwürfe gegen Gaddafi (Massaker an Zivilisten bei Ausbruch der Proteste) nicht aufrecht zu erhalten sind (meine, es war ein Amnesty International Report). Es wurde auf bewaffnete Gruppen geschossen, was durchaus angebracht gewesen sein könnte.
Ich meine mal gelesen zu haben, dass Kometen Elektrodenstrahl-Phänomene sind. Und ich meine mich sogar zu erinnern, dass das im "Sterne und Weltraum" stand. Ja und: Was gibst Du auf solche Erinnerungen ?
Und ja, sie stimmen: Der Autor (eine Art Vorgänger von GOM) hatte Geld und kaufte gleich eine ganze Seite vom SuW als Werbung; in kleinster Schrift stand dann wirklich über dem Artikel kaum zu lesen das Wort "Werbung"; ansonsten im gleichen Schrifttyp wie die übrigen Artikel des SuW seine Privattheorie. Unter anderem ich habe damals dafür gesorgt, das dieser Spuk aufhört, und Du kannst Dir gar nicht vorstellen, was mir damals deswegen für Freundlichkeiten zuteil wurden.
Worauf ich aber hinaus will: Meine Erinnerung ist sogar richtig, dennoch ist der Inhalt dieser Erinnerung, dass Kometen Kathodenstrahlphänomene seien, falsch. Auch dann, wenn es im SuW stand. Das sind eben die Details, die man nur herausfindet, wenn man sich das ganze dann doch etwas näher anschaut.
Noch ein Wort zu dieser Art Fehlinterpretation: Vor einigen Jahren war ich in der Stadtbibliothek der Essener Volkshochschule; das ist immerhin die einwohnermässig fünftgrösste Stadt Deutschlands. Meine Mutter wollte dort etwas lesen und mir war es langweilig, und so habe ich bei der Astronomie etwas über Kometen gesucht. Ich habe dort nur ein Buch über dieses Thema gefunden und es war von genau diesem Autor. Inzwischen hat diese Bibliothek indes eine wirklich grossartige und kompetente Auswahl, auch ohne dass ich mich da irgendwie eingebracht hätte.
Uli hat geschrieben:Ich hatte gehofft, dass beim Prozess gegen Gaddafi einige der unbequemen Wahheiten ans Licht kommen, aber das hat sich ja mittels Lynchmord vermeiden lassen.
Nein, da hat sich nichts "vermeiden lassen": Wir Menschen haben einen freien Willen und einige haben diesen freien Willen missbraucht und eine Straftat begangen.
Eine Straftat wohlbemerkt, der vor einem korrekten Gericht vermutlich sehr viel mildernde Umstände zugestanden würde.
Uli hat geschrieben:Nee, Ralf, wird Zeit, dass ich mich wieder mehr auf die Bundesliga konzentriere statt auf dieses schmutzige Geschäft. Verdirbt mir nur die gute Laune.
Das ist nicht meine Botschaft, meine Botschaft ist nur die, dass Du (ich ertappe mich übrigens auch immer wieder dabei) an historisch/politische Angelegenheiten eine viel grössere Grosszügigkeit an die Quellen anlegst als bei Deinem Fachgebiet.
Dabei sollte es doch umgekehrt sein, denn bei Deinem Fachgebiet kennst Du Dich aus und kannst Unsinn von guten Sachen in zahlreichen Fällen unterscheiden. Deswegen ist es wichtig, in einem Nicht-Fachgebiet an die verwendeten Quellen einen viel strengeren Massstab anzulegen !
Freundliche Grüsse, Ralf