Was geschah wirklich im New Yorker Sofitel? Die Fahnder erheben schwere Vorwürfe gegen IWF-Chef Strauss-Kahn, das Zimmermädchen hat ihn bei einer Gegenüberstellung identifiziert. In den US-Medien wird er als "anzügliches Franzosenmännchen" verurteilt - er selbst bestreitet die Sex-Vorwürfe.
Das New Yorker Luxushotel Sofitel liegt in stiller Sonntagsidylle. Im Restaurant "Gaby" sitzen die Frühstücksgäste, leises Gemurmel hängt über dem Saal. In der blumenbestückten Marmorlobby davor, in der schwerer Teppich jeden Schritt schluckt, rückt eine Concierge Zeitschriftenstapel zurecht. Ganz obenauf liegt das Magazin "France-Amérique". Covergirl: Frankreichs Finanzministerin Christine Lagarde.
Erst, als die Gäste vor die Tür treten, merken sie, dass etwas anders ist an diesem Sonntag. Gegenüber, vor der Anwaltskammer, lauert ein halbes Dutzend Kamerateams, die Stative mit Schirmen geschützt. Scheinwerfer tauchen den Morgendunst in fades Licht. Eine Kamera schwenkt die Fassade hoch und erfasst den gläsernen Rundturm des Hotels, dessen Spitze in den niedrigen Regenwolken verschwindet.
Dort oben, in der Penthouse-Etage im 28. Stock, soll es geschehen sein. Tags zuvor habe ein Zimmermädchen die Suite 2806 betreten, berichtet Polizeisprecher Paul Browne in der Nacht. Plötzlich sei ein älterer Mann aus dem Bad gekommen, "splitternackt", und habe sie "sexuell angegriffen". Die Frau habe sich gewehrt. Er habe sie ins Bad geschleift und sie dort weiter bedrängt. Am Abend identifizierte die 32-Jährige den Mann bei einer Gegenüberstellung.
Das Zimmermädchen, nach Polizeidarstellung eine 32-jährige Frau, habe die Suite säubern wollen. Strauss-Kahn habe dann versucht, sie zum Geschlechtsverkehr zu zwingen.
Nach dem Angriff habe Strauss-Kahn die Flucht ergriffen und dabei sein Handy in der Suite zurückgelassen. "Es sah so aus, als hätte er es eilig gehabt", sagte Polizeisprecher Browne.
Strauss-Kahn hat den Angaben zufolge eine permanente Vereinbarung mit Air France, wonach er jederzeit kurzfristig einen Sitzplatz in der First Class bekommen kann. Die Polizei habe schnell herausgefunden, dass er auf den nächsten Air-France-Flug 23 gebucht war, der am Samstag um 16.40 Uhr vom Kennedy-Flughafen aus nach Paris gehen sollte.
Während der Rest Europas im Taumel des Eurovision Song Contest versank, holten Beamte der New Yorker Flughafenpolizei PAPD Strauss-Kahn - der keine diplomatische Immunität genießt - nur Minuten vor dem Start aus der Boeing 777 und führten ihn ab.
"Sie wollten gerade die Türen schließen", sagte PAPD-Sprecher John Kelly. Strauss-Kahn, ohne Begleitung unterwegs, habe keinen Widerstand geleistet. Seine letzten Worte, so meldete die "New York Post": "Worum geht's denn?"
Selbst die "New York Times" kolportiert genüsslich, dass Strauss-Kahn und seine dritte Ehefrau, die Journalistin Anne Sinclair, gerne als "Kaviar-Linke" verspottet werden - weil sie "die feineren Dinge des Lebens genießen".
Sinclair stellte sich am Sonntag an die Seite des Gatten: "Ich glaube die Anschuldigungen gegen meinen Mann nicht für eine Sekunde. Ich zweifle nicht daran, dass seine Unschuld bewiesen werden wird." Seine Partei in Paris sprach von einer "orchestrierten Kampagne".
Aber auch für das Sofitel ist das Ganze ein ziemliches PR-Desaster. "Die Sicherheit unserer Klienten ist unsere höchste Priorität", erklärte Sicherheitschef John Sheehan schnell.
Am Sonntag ging das Hotelleben stoisch weiter, beäugt von Reportern, Schaulustigen und Touristen, die sich in die Seitenstraße verirrt hatten. Musik säuselte durch die Lobby. Im Frühstückssaal wurden wie immer US-französische Genüsse serviert: Oeufs Brouillés, Oefs Pochés, French Toast und Pommery.
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Die ganze Welt fragt sich nun, ob das 32-jährige Zimmermädchen die Wahrheit sagt. Vielleicht ist sie ja nur erschrocken, als sie den Mann nackt aus der Dusche kommen sah und vielleicht hat er sich ja nur einen Spaß erlaubt und einen dummen Spruch gebracht, den sie für ernst auffasste und entsetzt wegrannte und er rannte hinter ihr her, um das Missverständnis aufzuklären und sie zu beruhigen. In der Wahrnehmung des Zimmermädchens könnte das ein sexueller Angriff gewesen sein. Vielleicht aber ist es die Wahrheit. Die Medien jedenfalls spielen sich bereits als Ankläger, Richter und Vollstrecker auf.
Bisher konnte hochrangigen Persönlichkeiten wie Strauss Kahn sowas nur passieren, wenn sie in der Bankenwelt in Ungnade gefallen waren, so wie etwa Eliot Spitzer. Wäre Spitzer damals nicht über eine Prostituierte gestolpert, wäre er wahrscheinlich Chef der SEC geworden und es ist sehr wahrscheinlich, dass dann einige Wall Street Investmentbanker heute Schuhe putzen würden, für den Schaden, den sie durch die von ihnen verursacte Finanzkrise verursacht haben. Im Gegensatz zu Strauss Kahn hatte Spitzer es seinen Feinden leicht gemacht, ihn mit Schmutz zu bewerfen. Alle wußten von seinen Vorlieben und man hätte die Schmutzkampagne schon viel eher starten können.
Stauss Kahn hatte ebenfalls hochrangige Feinde, wobei Sarkozy wohl eher nebensächlich ist, obwohl dessen Umfragewerte in den Keller gesunken sind. Am ehesten Grund eine solche Sache zu inszenieren hat aber die Bankerfraktion, deren Politik der letzten 20 Jahre die ganze Welt in Schulden gestürzt und ruiniert hat und die daran gut verdiente. Strauss Kahn war nämlich gerade dabei, der Bankerparty ein Ende zu bereiten. Joseph Stiglitz beschreibt es als "Schalter umlegen".
The annual spring meeting of the International Monetary Fund was notable in marking the Fund’s effort to distance itself from its own long-standing tenets on capital controls and labor-market flexibility. It appears that a new IMF has gradually, and cautiously, emerged under the leadership of Dominique Strauss-Kahn.
Slightly more than 13 years earlier, at the IMF’s Hong Kong meeting in 1997, the Fund had attempted to amend its charter in order to gain more leeway to push countries towards capital-market liberalization. The timing could not have been worse: the East Asia crisis was just brewing – a crisis that was largely the result of capital-market liberalization in a region that, given its high savings rate, had no need for it.
That push had been advocated by Western financial markets – and the Western finance ministries that serve them so loyally. Financial deregulation in the United States was a prime cause of the global crisis that erupted in 2008, and financial and capital-market liberalization elsewhere helped spread that “made in the USA” trauma around the world....The crisis showed that free and unfettered markets are neither efficient nor stable.
("The IMF's Switch in Time", Joseph Stiglitz, Project Syndicate)
Also versuchte Strauss-Kahn, die Politik des IWF zu ändern und zwar in die Richtung, dass Länder ihre Wirtschaft nicht mehr für fremdes Kapital öffnen müssen, was die Preise in die Höhe treibt und Blasen entstehen läßt, die dann irgendwann platzen, wodurch hohe Arbeitslosigkeit entsteht, die Nachfrage fällt und es dann zur Rezession kommt. Er wollte einen gemäßigteren Weg, der Regierungen nicht dazu zwingt, staatliche Betriebe zu privatisieren oder Gewerkschaften zu drücken. Natürlich sind solche Aktionen bei den Bankern und Konzernchefs nicht gerne gesehen. Vom IWF erwartet man eben eher die Legitimierung der Plünderung aller Länder dieser Welt. Für diese Leute war die bisherige IWF- und Weltbankpolitik vor Strauss Kahn optimal, weil sie die Ergebnisse produzierte, die man erwartet wenn man nur auf immer weiter steigende Profite schaut.
Nochmal Stiglitz.
Strauss-Kahn is proving himself a sagacious leader of the IMF.... As Strauss-Kahn concluded in his speech to the Brookings Institution shortly before the Fund’s recent meeting: “Ultimately, employment and equity are building blocks of economic stability and prosperity, of political stability and peace. This goes to the heart of the IMF’s mandate. It must be placed at the heart of the policy agenda
Strauss Kahn fand also, dass Beschäftigung und Vermögen die Voraussetzung für wirtschaftliche Stabilität und Wirtschaftswachstum sind. Dass ist genau das Gegenteil dessen, was der IWF bisher immer gemacht hat, denn IWF-Auflagen für Kredite bedeuteten immer Einsparungen, Beschäftigungsabbau, Lohnkürzungen, Sozialabbau und Verarmung der Bevölkerung.
Der IFW war immer verantwortlich für die Verteilung des Vermögens von unten nach oben, für mehr Profite für Banken und Großkonzerne. Nun plötzlich sollte alles wieder umstrukturiert werden, von Hypotheken über Steuern, Langzeit-Subventionen und Sparmaßnahmen. Plötzlich soll Sozialpolitik betrieben werden, die Allen zugute kommt?
Man kann sich vorstellen, dass dies nicht wirklich im Interesse von Investment-Bankern ist, obwohl eine anderweitige Politik unsere Welt auf Dauer zu einm Ort macht, an dem es sich nur noch für eine kleine Minderheit wirklich gut leben läßt und große Gewinne dann auch nicht mehr zu machen sind.
Waren die Banker nun tatsächlich über diese neuen Töne so besorgt, dass sie Strauss Kahn in dauerhaften Urlaub schickten? Manch einer würde seine Großmutter darauf verwetten.
Über Jahrzehnte hat der IWF die Weltbevölkerung verarmt und die Banker bereichert. Wenn sie das so weiter betreiben wollten, mußte man Strauss-Kahn loswerden, gerade jetzt wo in Griechenland wieder neue Kredite benötigt werden, neue "Sparmaßnahmen" des IWF vorgeschrieben werden sollen. Maßnahmen, durch die die Pleite-Länder nur noch tiefer in die Krise kommen, die Bevölkerung dieser Länder noch mehr verzichten muß, obwohl der IWF sich proforma auf die Fahnen geschrieben hatte, die Armut in der Welt zu bekämpfen. Die Ergebnisse jedenfalls, zeigen dass das genaue Gegenteil erreicht wurde und so blind das nicht zu sehen, können die jahrzehntelang nicht gewesen sein. Das geschah absichtlich, zumal eben eine kleine Gruppe dabei immer reicher wurde.
Manch einem Land blieb aber nichts anderes übrig, denn Kredite von der Weltbank gab es nur gegen Erfüllung der Auflagen des IWF. Aus diesem Grund hat Chavez die Bank des Südens gegründet, um Südamerika aus der IWF-Falle herauszuholen. Gaddafi hatte ähnliches vor, mit der Gründung einer Bank für Afrika. Seine Planungen waren schon weit vorangeschritten.
In einer Welt, in der es immer mehr Proteste und Revolutionen wegen der ärmlichen Verhältnisse gibt und nach der globalen Finanzkrise, hatte Strauss-Kahn nichts anderes getan, als nach einer Lösung gesucht und festgestellt, dass man die Regeln ändern muß.
In seiner Rede von letzter Woche an der George Washington Universität sagte er:
http://wcampaign.org/issue.php?mid=625&v=y)The pendulum will swing from the market to the state,'.. Globalization has delivered a lot . . . but it also has a dark side, a large and growing chasm between the rich and the poor. Clearly we need a new form of globalization' to prevent the 'invisible hand' of loosely regulated markets from becoming 'an invisible fist.'
Für Verschwörungstheoretiker war mit dieser Rede sein Todesurteil unterschrieben.
Es wird wohl jetz keine Änderung der IWF-Politik geben. Die Institution wurde ja auch zu dem Zweck gegründet, die Menschen zu bestehlen und zu betrügen und sie hat, aus dieser Sicht gesehen, einen hervorragenden Job gemacht.
Seit wann haben Banken und Konzerne ein Herz und eine helfende Hand?
Strauss Kahn wurde durch seinen Stellvertreter, John Lipsky ersetzt, früherer Vizechef von JP Morgan.