Pussy Riot Urteil

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Re: Pussy Riot Urteil

Beitragvon ralfkannenberg » Mittwoch 5. September 2012, 10:38

Uli hat geschrieben:Schon zu Sowjetzeiten war er bei den Funktionären weit unbeliebter als sein Schach-WM-Vorgänger Karpow, der eher opportunistisch agierte. Aber man konnte nunmal nicht verhindern, dass er Karpow ablöste.

Hallo Uli,

man konnte, indem man den Wettbewerb kurzerhand annulliert hat. Als Referenz wage ich es, mein eigene Erinnerung zu verwenden, das war Mitte der 80iger jahre, als Karpow schnell 5:0 in Führung ging und Kasparow daraufhin extremes Sicherheitsschach spielte und Karpow, der ja den Matchball hatte, ebenfalls keinerlei Risiken mehr einging.

Der erste Sieg Kasparows wurde dann in diesem Remis-Geschiebe nicht weiter beachtet, doch plötzlich gewann Kasparow 2 Partien kurz nacheinander, worauf der Wettkampf abgebrochen wurde.

Erst in der Wiederholung konnte sich dann Kasparow ebenso wie im Revanchekampf durchsetzen.

Weit erstaunlicher war an sich der Umstand, dass im nächsten Finale 1987 in Sevilla, für das sich Karpow als Herausforderer erneut qualifizieren konnte, Kasparow zwar früh in Führung ging, dann aber einbrach und mit Remisen die Titelverteidigung über die Runden retten wollte. Das klappte aber nicht, weil Karpow die vorletzte Partie gewann und ihm ein Remis in der letzten Partie zum Titelgewinn gereicht hätte.

Kasparow setzte in der letzten Partie alles auf eine Karte, spielte extrem riskant und gewann unter dem begeisterten Beifall des Publikums, während Karpow mit weit aufgerissenen Augen auf die Bühne sprang und wortlos hinter den Vorhang wegrann.


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Re: Pussy Riot Urteil

Beitragvon ralfkannenberg » Mittwoch 5. September 2012, 17:23

Britta hat geschrieben:Ich mag diesen Mann nicht.

Dieser Mann hatte dann die Idee, dass die Finalisten der Weltmeisterschaften diese selber vermarkten und die entsprechenden Gelder einstreichen dürfen, was einen der grössten Eklats in der Schachgeschichte zur Folge hatte, nämlich den Ausschluss des Weltmeisters und seines Herausforderers (Nigel Short) aus dem Schachverband FIDE, was auch ihre Streichung aus der Weltrangliste zur Folge hatte.

Dadurch kam Anatoli Karpow zum Handkuss, der sich nicht hatte qualifizieren können und nach Kasparows Ausschluss wieder offizieller Weltmeister der FIDE wurde.

Die FIDE-Weltmeisterschaft fand zwar durchaus Beachtung, allerdings wusste natürlich jeder, dass man dort nur um Platz 3 (später dann, als Anand und Kramnik besser wurden, um Platz 2) spielte, was den Zuschauerzahlen und damit den Einnahmen nicht gerade förderlich war. Einige Zeit später dann das nächste Fiasko, also die FIDE die traditionelle Schach-Olympiade 1994 in wenn ich mich recht entsinne Griechenland organisierte; offenbar hatten die Griechen damals schon finanziell andere Ansichten, jedenfalls versickerten Gelder, Garantien konnten nicht eingehalten werden und der Anlass musste abgesagt werden ... - doch plötzlich fanden die Spiele in Moskau statt, was dem FIDE-Präsidenten vermutlich das Amt gerettet hat.

Wie war ein so schneller organisatorischer Wechsel möglich gewesen ? Was heute kaum mehr jemand weiss: es war Kasparow persönlich, der sein "Netzwerk" nutzte, wobei ihm sicherlich auch zuhilfe kam, dass die Russen dem Schachspiel sehr aufgeschlossen sind und bei der Durchführung eines solchen Anlasses in Moskau wohl auch eher mal ein Auge zudrücken, wenn es da noch ein bürokratisches Detail zu klären gibt.

Der FIDE-Präsident war übrigens kein undankbarer und nahm die Schach-Dissidenten umgehend wieder in die Weltrangliste auf und präsentierte zur Vermarktung "neue" Ideen, die im Wesentlichen diejenigen Gerri Kasparows waren.

Ich persönlich bin der Meinung, dass ein mitunter unbequemer Gerri Kasparow viel mehr für den Schachsport gemacht hat als der stets linientrue Karpow, auch wenn heutzutage immer wieder etwas untergeht, dass Karpow ebenfalls ein herausragender Schachspieler war.


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Re: Pussy Riot Urteil

Beitragvon galileo2609 » Donnerstag 6. September 2012, 00:28

Hallo Britta,
Britta hat geschrieben:und weil er einen Polizisten gebissen hat

der angebliche Verstoss gegen "Demonstrationsbedingungen" ist ja bereits vom Tisch.

Erstaunlich ist, dass du offenbar so genaue Kenntnis hast, dass Kasparow den Büttel wirklich "gebissen hat". Der Rest der Welt ist sich da nicht so sicher. ;)

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Re: Pussy Riot Urteil

Beitragvon ralfkannenberg » Donnerstag 6. September 2012, 09:28

galileo2609 hat geschrieben:wirklich "gebissen hat". Der Rest der Welt ist sich da nicht so sicher. ;)

War das nicht eine andere Sportart, in der mal gebissen wurde ? Wenn ich mich recht entsinne der Weltmeister persönlich (Holyfield), und zwar ins Ohr; von einem Herausforderer namens Mike Tyson; aber das war nicht Schach.

Da ging es früher aber auch beherzter zur Sache und im 19.Jahrhundert wagte es ein unbekannter Spieler, den Weltmeister (war das der mit dem Lemma ?) mit einem guten Zug zu belästigen, so dass dieser dem unbekannten Spieler verärgert ins Gesicht spuckte.

Daraufhin sprang der beliebte englische Grossmeister Blackburne auf, packte den Weltmeister und stiess dessen Kopf durch das Fenster, welches meines Wissens nicht geöffnet war - natürlich erneut unter dem begeisterten Applaus des Publikums. Die Details müsste ich bei Interesse in einer Schach-Biographie nachlesen.

Gebissen haben die sich aber auch nicht.


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Re: Pussy Riot Urteil

Beitragvon Uli » Donnerstag 6. September 2012, 11:04

naja, bei Karpow-Kortschnoi ging es auch hoch her; das einzige persönliche Wort des Herausforderers an den WM während des Turniers:
"Halte still, du kleiner Regenwurm, sonst muß ich dich einen Faschisten nennen!"

laut
http://www.gegenstandpunkt.com/msz/html ... schach.htm

oder ganz "lustig" ist auch:
Marottentheater auf den Philippinen
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Re: Pussy Riot Urteil

Beitragvon ralfkannenberg » Donnerstag 6. September 2012, 12:22

Uli hat geschrieben:naja, bei Karpow-Kortschnoi ging es auch hoch her; das einzige persönliche Wort des Herausforderers an den WM während des Turniers:
"Halte still, du kleiner Regenwurm, sonst muß ich dich einen Faschisten nennen!"

Pah, das war doch nichts im Vergleich zu Fischer - Spasski 1972 in Reykjavík, wo statt Schach zu spielen sämtliche Sessel komplett zerlegt wurden, weil jemand behauptete, die seien vom Geheimdienst manipuliert worden. Erst derjenige Fischers angeblich vom russischen Geheimdienst, und nachdem man nichts gefunden hatte, drehte die russische Delegation den Spiess um und liess denjenigen Spasskis zerlegen, weil dieser nun angeblich vom amerikanischen Geheimdienst manipuliert sei.

Während dem Finale schien Fischer die besseren Nerven zu haben, später zeigte sich indes, dass auch Fischer ein äusserst sensibler Mensch war, zu dessen wenigen ausgesuchten Freunden bis zuletzt auch sein damaliger Gegner Spasski gehörte.

Aber ja - der Weltmeisterschaftskampf zwischen Kramnik und Leko, die gemeinsam frühstückten, gemeinsam ihre Partien vor dem Publikum analysierten und auch sonst ihre freie Zeit zeitweise zusammen verbrachten, wirkt da geradezu unwirklich harmonisch, da brauchte es dann wieder etwas Pfeffer seitens des Bulgaren Topalow und vor allem seines Managers, der dem stets untadeligen und fairen Sportsmann Kramnik einen WM-Kampf später unerträglicherweise unterstellte, auf der Toillette via Handy von einem leistungsstarken Rechner Tipps zu bekommen.


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Re: Pussy Riot Urteil

Beitragvon ralfkannenberg » Donnerstag 6. September 2012, 12:30

Uli hat geschrieben:das einzige persönliche Wort des Herausforderers an den WM während des Turniers:
"Halte still, du kleiner Regenwurm, sonst muß ich dich einen Faschisten nennen!"

Hallo Uli,

hierzu sei aber auch eine Episode eines Studienkollegen von mir, der beim Schweizer Schachmeister spielte, nicht verschwiegen:

Kortschnoi hatte seine Partie bereits beendet und ging nun umher und sah einen Mannschaftskameraden in aussichtsloser Stellung. "Gib auf", sagte er ihm, doch der verwies Kortschnoi darauf, dass sich der andere in extremer Zeitnot befand und er deswegen die Partie dennoch gewinnen wird.

Kortschnoi wies seinen eigenen Clubkameraden zurecht: "So etwas macht man nicht. - Gib auf".

In der Schweiz ist Kortschnoi sehr beliebt.


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Re: Pussy Riot Urteil

Beitragvon Britta » Freitag 7. September 2012, 10:47

Hallo Galileo,
galileo2609 hat geschrieben:der angebliche Verstoss gegen "Demonstrationsbedingungen" ist ja bereits vom Tisch.

Das war nicht anders zu erwarten. Er scheint da Narrenfreiheit zu haben.

galileo2609 hat geschrieben:Erstaunlich ist, dass du offenbar so genaue Kenntnis hast, dass Kasparow den Büttel wirklich "gebissen hat". Der Rest der Welt ist sich da nicht so sicher. ;)

Habe ich nicht weil ich nicht dabei war, aber ich kann es mir bei ihm vorstellen.

@Uli & Ralf: Danke für den Ausflug in die Schachgeschichte. Ihr scheint euch da echt für zu interessieren. Spielt ihr Schach?
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Re: Pussy Riot Urteil

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 7. September 2012, 11:03

Britta hat geschrieben:Spielt ihr Schach?

Hallo Britta,

ich lüge weniger, wenn ich mit nein antworte.

Mein Schwager war einmal ein Top-Spieler in Bulgarien (zum Leidwesen seiner Eltern, weil er deswegen sein Studium vernachlässigt hat) und hat dem damaligen bulgarischen Weltmeister Topalow ein Remis abgetrotzt.

Was er über Topalow denkt würde mir indes eine Verwarnung einbringen, wenn ich das aufschreibe.

Vorletztes Jahr hat er mir aus Höflichkeit angeboten, mit ihm zu spielen ; ich hatte lange nicht mehr gespielt und in der ersten Partie wirklich Schrott gespielt und dann aufgegeben.

In der zweiten Partie war ich nach rund 20 Zügen mit der Situation konfrontiert, dass alle (!!) meine Figuren wieder auf der Grundlinie standen, während er sehr schön entwickelt stand - ich habe sowas noch nie erlebt.

Schliesslich meinte ich, dass ich eigentlich nur das Vier-Springer-Spiel kenne, worauf er in der dritten Parie dieses eröffnete; wie er das dann gemacht hat ist mir ein Rätsel, aber ich habe tatsächlich nach wenigen Zügen meinen Läufer verloren - auch das ist mir noch nie passiert; normalerweise wenn ein Gegner das versucht führt das dazu, dass er die Partie verliert, weil er seinen Damenflügel unnötig öffnet und in der Regel die Bauern nicht halten kann.


Liebe Grüsse, Ralf
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Re: Pussy Riot Urteil

Beitragvon ralfkannenberg » Freitag 7. September 2012, 11:19

ralfkannenberg hat geschrieben:Was er über Topalow denkt würde mir indes eine Verwarnung einbringen, wenn ich das aufschreibe.

Nur um einen Hinweis zu geben: Vor einigen Jahren war ich in einem stressigen Projekt spät am Abend im Büro und mein PC tat nicht so wie ich wollte und ich schimpfte laut vor mich hin, die grosse Mehrheit meiner Wörter fing mit einem "f..." an.

Plötzlich hörte ich ein Geräusch und zu meinem Entsetzen bemerkte ich, dass ich zu so später Stunde gar nicht alleine im grossen Büro war - zwei rumänische Kollegen waren auch noch da. Wie mega-peinlich ... - ich ging also zu den beiden und habe mich entschuldigt. Worauf beide zeitgleich herzhaft zu lachen anfingen: so wie ich gesprochen habe so würden in Rumänien die kleinen Kinder reden ...

Und die Wortwahl in Bulgarien ist bei solchen Sachen nicht unähnlich mit derjenigen in Rumänien.


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