Die Illusion des "Ich"

Psychologie und das Seelenleben, der Sinn des Lebens und Lebensträume, Hoffnungen und Ängste, Liebe, Zorn und Gefühle, Ego, Selbstbewusstsein, Sinnlichkeit und der Tod

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Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Sonntag 3. Mai 2015, 06:19

Ich habe vor ein bis zwei Jahren begonnen, mich mit dem Thema Tod zu befassen und was er bedeuten koennte. Ich bin kein religioeser Mensch und deshalb sind meine Gedankengaenge so weit wie moeglich sachlich ausgelegt, ohne Schnickschnack.

Meine Ausgangslage:
Es gibt keine Seele, kein Leben nach dem Tode, keine onmipotente Entitaet, die sich fuer uns hier auf Erden oder anderswo interessiert.

Schlussfolgerung:
Wenn die Lebensfunktionen unseres Koerpers versagen, ist unsere Existenz beendet und es bleibt nichts als unser toter Koerper. So als wuerde der Off-Schalter am Computer betaetigt. Ende.

Frage:
Warum bin ich denn hier? Wieso bin ich gerade der Mensch, der ich bin. Was waere geschehen, wenn meine Eltern sich niemals getroffen haetten? Waere ich dann niemals erschaffen worden?
Bin ich, mein "Ich-Bewusstsein" einmalig, eine Eintagsfliege im unendlichen Kosmos?

Gedankengaenge:
Ich bin ein Lebewesen, das soweit entwickelt ist, dass es Selbsterkenntnis besitzt. Ein Lebewesen unter vielen Milliarden auf demselben Planeten. Was unterscheidet mich von den anderen? Nichts. Ich bin eine Instanz des Lebewesens Homo Sapiens. Ich koennte ebenso eine andere Instanz sein inmitten der vielen Milliarden Menschen. Mit anderen Worten, meine Ueberzeugung ein "Ich" zu sein und einmalig, im Zentrum der Schoepfung zu stehen, ist eine Illusion.

Ist es also ein Wunder, dass ich entstanden bin? Zu diesem Zeitpunkt? An diesem Ort? Als dieser Mensch? Auf dem Planeten Erde? Nein, es ist kein Wunder. Es ist eine Illusion, dass ich nur hier und jetzt und als dieses Individuum entstanden konnte. Das "Ich-Bewusstsein" gibt mir die Illusion etwas besonderes zu sein.

Tod:
Da "Ich" eine Taeuschung ist, bedeutet der eigene Tod nur, dass diese Instanz ans Ende ihres Daseins angelangt ist. Es wird aber wieder ein "Ich" entstehen, und wieder wird dieses "Ich" davon ueberzeugt sein, einmalig zu sein, ohne sich darueber klar zu sein, was vor der Geburt oder nach seinem Tode geschehen wird.
Der Tod ist demnach der Moment, wo erneut ein "Ich" sein Leben beginnt. Dass der Ursprung dieses neuen Daseins auf den Planeten Erde begrenzt sein sollte, dafuer sehe ich keine physikalische Rechtfertigung. Das "Ich" koennte irgendwo im Universum als Instanz einer Spezies von Lebewesen entstehen.

Ich wuerde mich freuen, wenn ihr eure Meinungen zu meiner unorthodoxen Hypothese aeussern wuerdet. Vielleicht klingt das alles aber auch nur konfus fuer euch. Ist auch ein wenig schwer zu erklaeren.

Gruss Ralf Maeder.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon Spacerat » Sonntag 3. Mai 2015, 10:40

Also deine Ausgangslage ist jene wie in modernen Auslegungen des Satanismus und der (neu) Reformierten (ev. luth.). In beiden dieser Glaubensrichtungen existiert kein fiktives Wesen mehr, welches verehrt wird, sondern ein "reales". Bei den neu Reformierten tritt Jesus an die Stelle Gottes, sie gehen also mehr den Weg wie Buddhisten, also mit einem geistigen Führer, der evtl. tatsächlich mal gelebt haben kann, bei Satanisten hingegen ist klar, wer der geistige Führer ist, nämlich das Individuum selbst und als solches ist man in der Lage sich selbst ein Idol zu suchen. In all diesen Lebensweisen lassen sich Leben und Tod etwa wie folgt beschreiben.

1. Lebe dein Leben und hinterlasse Eindruck.
2. Für dich mag der Tod zwar endgültig sein, aber frage dich Zeit deines Lebens, welchen Eindruck du hinterlässt.

Siehst du wie viele tote Menschen urplötzlich weiter auf Erden wandeln? Manchmal nur schade, dass sie keine eigene Meinung geschweige denn einen eigenen Willen mehr haben. Man sollte sich also niemals fragen, ob eine Seele existiert, wohl aber, ob diese, wenn man von seinem Recht auf Ableben gebrauch macht, grundsätzlich verflucht ist.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon nocheinPoet » Sonntag 3. Mai 2015, 10:58

Moin Ralf,

tolles Thema, hab dazu viel zu sagen, grüble mein ganzes Leben ja schon über solche Fragen, nur mal vorab und kurz, es gibt ein Buch mit genau diesem Titel:

http://www.amazon.de/Die-Illusion-Ich-A ... 3442217172

Von Alan Watts, hab ich und auch gelesen, ist schon interessant. Ich komme auf Deinen Thread zurück, wenn ich mehr Zeit für solche tiefen Themen habe, ... ;)


Schönen Sonntag noch

Manuel
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon Struktron » Sonntag 3. Mai 2015, 13:40

Hallo Ralf,
ralf Maeder hat geschrieben:Ich habe vor ein bis zwei Jahren begonnen, mich mit dem Thema Tod zu befassen und was er bedeuten koennte. Ich bin kein religioeser Mensch und deshalb sind meine Gedankengaenge so weit wie moeglich sachlich ausgelegt, ohne Schnickschnack.

Meine Ausgangslage:
Es gibt keine Seele, kein Leben nach dem Tode, keine onmipotente Entitaet, die sich fuer uns hier auf Erden oder anderswo interessiert.

Meine Ausgangslage war mal so, jetzt denke ich anders.
ralf Maeder hat geschrieben:Schlussfolgerung:
Wenn die Lebensfunktionen unseres Koerpers versagen, ist unsere Existenz beendet und es bleibt nichts als unser toter Koerper. So als wuerde der Off-Schalter am Computer betaetigt. Ende.

Glaube bedeutet erst mal nicht wissen. In der Wissenschaft meinen wir, vieles zu wissen. Mir erscheinen dafür nur Wahrscheinlichkeiten wichtig zu sein, wie etwas eventuell nachvollzogen werden kann...
Nun haben wir aber alle (zumindest die Älteren unter uns) die Entwicklung der letzten Jahre mitbekommen.
- Immer weiter können wir ins Universum schauen und fanden dort Planetensysteme...
- Technische Hilfsmittel werden immer besser und helfen dadurch, dass uns immer leichter immer mehr Informationen zugänglich sind (z.B. Wikipedia im Mobitel).
- Immer mehr persönliche Informationen werden gesammelt und gespeichert (Facebook, Google, NSA,...).
- Künstliche Intelligenz wird intensiv erforscht und es ist meiner Meinung nach nur eine Frage der Zeit, wann sie da ist.
- Irgend wann könnte so ein Compuersystem entstehen, welches beispielsweise meinen Enkeln vortäuschen könnte, dass ich noch lebe, wenn ich auch längst gestorben bin. Das wäre dann etwas wie eine künstliche Seele.

Nun stellt sich die Frage, ob im Universum vielleicht Millionen Jahre vor uns so etwas entstanden ist?
Wie mächtig wäre das?
Wäre eine Aufzeichnung von Gedanken durch eine solche Macht denkbar?
Wäre damit ein Erhalt des persönlichen "Ich" denkbar?
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es so etwas gibt?
Und zuletzt, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass so eine Macht schon eine Möglichkeit gefunden hat, hier auf unserem Planeten diese Kommunikationsmöglichkeit zu installieren?

ralf Maeder hat geschrieben:Frage:
Warum bin ich denn hier? Wieso bin ich gerade der Mensch, der ich bin. Was waere geschehen, wenn meine Eltern sich niemals getroffen haetten? Waere ich dann niemals erschaffen worden?
Bin ich, mein "Ich-Bewusstsein" einmalig, eine Eintagsfliege im unendlichen Kosmos?

Weil wir davon ausgehen können, dass etwas existiert und auch, dass es Ereignisse gibt, muss es vielfältige Existenz geben. Die Wechselwirkungen zwischen den existierenden Objekten wurden erfolgreich erforscht und werden es immer weiter bis ins Allerkleinste. Dabei ist bisher nichts entdeckt worden, was völlig unabhängig von anderem Existierenden entsteht oder verschwindet. Das "Ich-Bewusstsein" ist meiner Meinung nach eine Struktur in einer Umgebung, welche zwar viel komplizierter als ein einzelnes Elementarteilchen, aber trotzdem nach Naturgesetzen existent ist. Dazu gibt es noch viel zu erforschen. Aber die Frage, warum ich nicht jemand anderes oder etwas anderes bin, stellt sich mir nicht. Ich denke, alles ist so, wie es ist und passiert, wie es passieren muss (determiniert). Nur können wir es nicht vorher wissen und die Details erfassen.

MfG
Lothar W.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon fallili » Sonntag 3. Mai 2015, 19:21

Hallo Ralf,
ich verstehe den Sprung zur Aussage, dass "das Ich eine Täuschung ist", nicht?
Wieso sollte das "Ich" mit der Überzeugung, im Zentrum der Schöpfung zu stehen, verknüpft sein?
Wieso soll der Tod der Moment sein wo erneut ein "Ich" sein leben beginnt.
So wie ich das sehe, haben wir derzeit schon 7 Milliarden "Ich's" und ständig kommen und vergehen einmalige "Ich's".
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Sonntag 3. Mai 2015, 20:33

Hallo fallili, wie gesagt, einige meiner Gedankengaenge sind wohl etwas holprig, auch weil ich diese kaum mal zu Papier gebracht habe.

Lass mich versuchen, deine Fragen zu klaeren:

ich verstehe den Sprung zur Aussage, dass "das Ich eine Täuschung ist", nicht?
Taeuschung im Sinne, dass jeder andere Mensch (eigentlich jedes andere selbstbewusste Lebewesen) ebenfalls dieses "Ich" Bewusstsein hat und seine eigene Existenz als etwas Aussergewoehnliches und Einmaliges ansieht.

Wieso sollte das "Ich" mit der Überzeugung, im Zentrum der Schöpfung zu stehen, verknüpft sein?
Das nur als Erklaerung, dass religioese Interpretationen und Gehhilfen keine Bedeutung haben. Dass das "Ich" eine zentrale Bedeutung hat und eventuell ewig leben muesste oder eine Seele haette, schliesse ich (Ralf) aus.

Wieso soll der Tod der Moment sein wo erneut ein "Ich" sein leben beginnt.
Das "Ich" ist nur eine Instanz von vielen. Es gibt aber keine physikalische oder zeitliche Verbindung zwischen einem "Ich" und einem anderen "Ich". So koennte es aus meiner Sicht so sein, dass wenn "Ich" aufhoere zu existieren, ein neues "Ich" beginnt. Es koennte aber auch ein undefinierbarer Zeitraum zwischen dem "Tod" des einen und der "Geburt" des anderen liegen. Nur wer und wie sollte man diesen Zeitraum messen koennen?

So wie ich das sehe, haben wir derzeit schon 7 Milliarden "Ich's" und ständig kommen und vergehen einmalige "Ich's".
Ja, das stimmt natuerlich. Und die Verstorbenen seitdem es selbstbewusste, menschenartige Wesen auf Erden gibt, machen sicher ein vielfaches der 7 Milliarden aus.
Das ist auch ein gutes Argument gegen die religoese Vorstellung von Seele, Leben nach dem Tod oder Wiederleben. Wenn es doch immer mehr Menschen (in unserem irdischen Fall) gibt, die alle eine Seele haetten, die dann in anderen Menschen weiterlebte, so sollte es doch immer sehr viele neue Seelen dazukommen, die dementsprechend noch nie "gelebt" haben. Allerdings wird in den vermeintlichen Zurueckfuhrungen immer ein oder mehrere Vorleben ausgegraben. Wo ist denn die grosse Mehrheit, die jungfraeuliche Seelen haben sollten?

Wie dem auch sei, mein Anliegen ist nicht, gegen religioese Denkweisen anzugehen (nur peripher), sondern einen logische Erklaerung zu versuchen, warum ich "Ich" bin und was der Tod bedeuten koennte.

Gruss Ralf Maeder.
Zuletzt geändert von ralf Maeder am Sonntag 3. Mai 2015, 21:58, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Sonntag 3. Mai 2015, 20:41

Hallo NocheinPoet,

ich kenne das von dir erwaehnte Buch nicht, muss auch zugestehen, dass ich ueber dieses Thema wenig gelesen habe. Die einzige Literatur, die mich inspirierte war wohl "Golem XIV" oder "Also sprach Golem" von Stanislaw Lem. Aus meiner Sicht behandelt Lem dort hochinteressante Fragen zur Evolution und zum Menschsein.

Wuerde mich freuen, ein paar deiner Gedanken zum Thema zu lesen.

Gruss Ralf Maeder.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Sonntag 3. Mai 2015, 20:45

Hallo Spacerat,

von meinem Standpunkt aus haben Religionen nichts Sinnvolles zum Thema beizusteuern. Auch kenne ich die Aussagen der Religionen zu wenig um darauf kompetent antworten zu koennen.

Gruss Ralf Maeder.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Sonntag 3. Mai 2015, 20:57

Hallo Struktron,

interessante Ansatz mit der Simulation. Habe ich auch schon des oefteren gelesen, finde ich allerdings ziemlich unplausibel. Das waere dann so, dass eben alles ein Scheinbild, eine Simulation sei. Ziemlich ernuechternd und bringt uns kaum weiter.

Das alles miteinander verbunden sei auf eine elementare Weise ist einleuchtend, so koennen wir ja auch nicht eindeutig bestimmen, wo sich ein Partikel genau befindet. Dass man diese Annahme auf spirituelles verlagern kann (wenn es das ist, worauf du anspielst) halte ich zunaechst einmal fuer gewagt. Energie kann wohl nicht voellig auf ein Lebewesen begrenzt angesehen werden (z.B. Waermeenergie), aber dass Gedanken oder sonstiges "Spirituelles" ausserhalb der Synapsen des Gehirns einen Einfluss oder Praesenz haben koennten, daran kann ich nicht so sehr glauben. Zumindest war meine Ausgangslage(frage) bezueglich des erlebten "Ich", das jeder von uns fuer sich in Anspruch nimmt.

Hat dieses "Ich" eine hoehere Bedeutung und hat das "Ich" einen bleibenden Einfluss oder Ort, wo es nach dem Tod verweilt? Ich meine nicht.

Gruss Ralf Maeder.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Sonntag 3. Mai 2015, 22:04

Hierzu moechte ich auch auf dieses Video hinweisen, das lose auf den Ideen von Stanislaw Lem's Novelle "Golem XIV" zurueckgeht. Das Video spricht nicht von dem "Ich" aber davon, dass der Mensch versucht seine Existenz mit Sinn zu fuellen mit Hilfe der von uns erschaffenen Kulturen und sozialen Strukturen.

Das Video ist auf englischer Sprache.
Golem
Zuletzt geändert von ralf Maeder am Sonntag 3. Mai 2015, 22:22, insgesamt 1-mal geändert.
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