Rechte für Hirnprothesen?

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Rechte für Hirnprothesen?

Beitragvon nocheinPoet » Sonntag 16. Februar 2014, 09:08


In ein paar Jahrzehnten könnten es gut sein, dass die Technik soweit fortgeschritten ist, dass defekte Hirnareale durch Computertechnik ersetzt wird. Als die ersten Herzen transplantiert wurden, war das für einige Menschen auch sehr unheimlich, auch Menschen mit Kunstherz verunsichern den einen oder anderen. Wie werden wir mit Menschen umgehen, denen Teile des Hirns durch Technik ersetzt wurde. Werden wir sie als „behindert“ betrachten, oder gar als nicht vollständigen Menschen und werden wir deren Rechte beschneiden?

Spannend wird es doch auch, wenn immer mehr ersetzt werden muss, so über die Zeit und der Patient irgendwann eine Vollhirnprothese sein eigen nennt?

Was sind da die Worte „ich bin Deine Vater...“ noch wert?

Und ist es ein Fortschritt in eine hochtechnische Medizin und ein Segen für alle Demenzerkrankten und deren Angehörige? Wer keinen kennt, damit nicht direkt konfrontiert, mag hier über eine solche Technik ganz anders denken, als Außenstehende. Wer Frau, Mann, Bruder, Schwester oder andere Angehörige oder gute Freunde an eine Demenz verliert, wer erlebt wie die Menschen sich selber vergessen, und wie sie darunter leiden, der könnte eine solche Technik für einen Segen halten.

Nur mit was haben wir es dann zu tun?

Eine Biomaschine, ein Körper der von einer Bewusstseinssimulation bewegt wird?

Und die Probleme fangen damit erst an, ...

Was meint Ihr?


Schönes Wochenende

neP
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Re: Rechte für Hirnprothesen?

Beitragvon Artie » Sonntag 16. Februar 2014, 12:05

Ein Thema das von Mange / Anime "Ghost in the Shell" angeschnitten wird.
Wann bin "ich" immer noch ein Mensch?
Manga und Anime deshalb weil in diversen Anläufen die Geschichte mit anderen Schwerpunkten nochmal erzählt wurde.
Ein ähnliches Thema deckt auf "Blade Runner" ab, denn wer sagt das die Prothesen Digital/mechanisch sein müssen?

Nach meiner Ansicht sind wir schon Biomaschinen mit einer Bewusstseinssimulation .
Chief: „Die Beschleunigung bleibt vorhanden obwohl die Summe alle Kräfte gleich Null ist. F_magnetanziehung+F_trägheit=0.
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Highway: „Aus F1=-F2 folgt F1+F2 <> 0 du Amateur.“

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Re: Rechte für Hirnprothesen?

Beitragvon fallili » Sonntag 16. Februar 2014, 14:16

Die Fragen sind nicht uninteressant.
Wenn es möglich würde, das Gehirn zu "erweitern" wird dies auch ganz sicher gemacht. Irgendwer wird immer ein Interesse daran haben und es kann selbstverständlich auch als "positive" Weiterentwicklung dargestellt werden.
Da Du auch das Thema "Demenz" einbringst: Wer könnte ernsthaft dagegen sein, wenn es möglich wäre im Hirn eine "Art Festplatte" einzubauen die eben ein Vergessen verhindert. Wär doch eine tolle Sache, oder ???????

Die Frage ist jedoch, wie weit man ein Hirn durch derartige Erweiterungen ersetzen kann. Noch ist absolut unklar was "Bewusstsein" letztendlich ist.
Und sollte es möglich sein eine "Vollprothese" zu entwickeln, die alle Funktionen des Hirns ersetzt, tun sich enorme philosophische Probleme auf.

Jede "mechanische" Vollprothese kann mit Sicherheit absolut identisch kopiert werden. Wer ist dann noch der "bewusste Mensch" ? Gibt's jemanden dann zweimal? (Da gibt's doch einen Schwarzenegger Film mit einem Klon von ihm - ist nicht mechanisch aber das selbe Problem)

Als SciFi Leser sind mir die diversen Szenarien bekannt in denen man als "Softwareversion" unsterblich werden könnte, aber ginge das wirklich?
Kann ich als Softwareversion theoretisch ewig leben, oder ist das dann einfach nur eine nette Kopie von mir?

Eine eigentlich wirklich schwierige Frage. ich schlaf am Abend ein und am Morgen wach ich auf.
Wäre das denkbar, dass ich am Abend einschlafe und am Morgen als "Software" mit meinem Bewusstsein also definitiv als ICH in virtueller Umgebung aufwache?
Selbst wenn so ein Transfer in die Maschine möglich wäre - bin das dann noch ich ?
Fragen die ich mir vor allem gestellt habe (und mit nein beantwortet) als ich von Lem "die Wiederauferstehungsmaschine" gelesen habe - sehr gute Darstellung dieses ganzen Problems (natürlich noch nicht mit digitalem Bewusstsein, so was war damals noch nicht vorstellbar).
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Re: Rechte für Hirnprothesen?

Beitragvon Uli » Sonntag 16. Februar 2014, 15:03

Artie hat geschrieben:Ein Thema das von Mange / Anime "Ghost in the Shell" angeschnitten wird.
Wann bin "ich" immer noch ein Mensch?
Manga und Anime deshalb weil in diversen Anläufen die Geschichte mit anderen Schwerpunkten nochmal erzählt wurde.
Ein ähnliches Thema deckt auf "Blade Runner" ab, denn wer sagt das die Prothesen Digital/mechanisch sein müssen?

Nach meiner Ansicht sind wir schon Biomaschinen mit einer Bewusstseinssimulation .


Du meinst, du tust nur so als ob du ein Bewusstsein hättest, bist aber in Wirklichkeit eine Maschine?
Irgendwie eine traurige Vorstellung, finde ich.

Was streben wir dann nach persönlicher Entwicklung und Entfaltung, wenn wir eh nur Maschinen sind? Was soll sich da dann überhaupt entwickeln?

----
Ich finde, dass z.B. einige neuere Egebnisse der Gehirnforschung ("Neuroplastizität", z.B. http://de.sott.net/article/12279-Neurog ... en-sprieen ) durchaus auch die Interpretation nahelegen könnten, dass das Bewusstsein sich sein Gehirn entsprechend schafft oder anpasst.
Vision-Sonderbericht: Das Gehirn neu verdrahtet
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Re: Rechte für Hirnprothesen?

Beitragvon Elfer » Sonntag 16. Februar 2014, 16:21

Bis wohin geht der Segen und wann beginnt der Fluch?

Scheiße NeP, da hast Du ein großes Thema aufgeworfen.

Wir hatten zwei Demenzfälle in der Familie und es stimmt, das ist belastend. Die Frage ist, ob es auch für die Betroffenen belastend ist. OK, für alle drum herum ist es das.

Wer will schon eine Maschine sein? Sind die Grenzen da, wo man nur natürliche Abläufe unterstützt poder überbrückt oder übernimmt die "Maschine" aktiv Teile oder das Ganze. Egal, wie nah sie am Menschen programmiert ist, sie wäre programmiert und da beginnt das Problem der Entmenschlichung.

Oder gibt es Systeme, die die vorhandenen Ressourcen nur aufnehmen und regenerieren oder verstärken?!

Viel Stoff!
They´ll never get caught. They´re on a mission from God.
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Re: Rechte für Hirnprothesen?

Beitragvon Uli » Montag 17. Februar 2014, 10:35

Elfer hat geschrieben:Wer will schon eine Maschine sein? Sind die Grenzen da, wo man nur natürliche Abläufe unterstützt poder überbrückt oder übernimmt die "Maschine" aktiv Teile oder das Ganze. Egal, wie nah sie am Menschen programmiert ist, sie wäre programmiert und da beginnt das Problem der Entmenschlichung.


Vielleicht bin ich ja etwas "sentimental", aber der Mensch erzeugt in seiner Kreativität "Dinge" wie Poesie, Kunst, Musik, ... .
Warum sollte eine Maschine so etwas tun?
Ich sehe keinen Überlebensvorteil darin, sich in eine Symphonie zu "versenken".
Ich war neulich auf einem Konzert von Giora Feidman; er sagte "Musik, das ist ein Gebet ohne Religion".

Dass der Mensch ein biologischer Computer sein soll, ist doch auch nichts als eine "Arbeitshypothese". Sie mag ja auch ausreichen, einiges zu erklären, aber man sollte sie nicht zum materialistischen Glaubensbekenntnis erheben.

Gruß,
Uli
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Re: Rechte für Hirnprothesen?

Beitragvon Der Neandertaler » Montag 17. Februar 2014, 11:05

Hallo nocheinPoet.
    Gehirnprothese? - ich geh jetzt mal davon aus, damit ist auch ein Chip gemeint, der derartig funktioniert?
Interessantes Thema! Großes Thema! Böses Thema!
Interessant, groß und böse deshalb, weil, wenn man drüber nachdenkt ... in allen Facetten ... tief und gründlich, ...
... ich möchte kaum darüber nachdenken.
Aber im Einzelnen!

Ich fange gerne meine Beiträge mit einer kleinen Geschichte an - von der ich hoffe, daß sie interessant sein könnte.
... vielleicht verdeutlicht sie auch Einiges.
So will ich dem auch diesmal nicht nachstehen.
    Phineas Gage ist trotz seines jungen Alters von 25 Jahren ein Routinier in Sachen Sprengungen. Seine Aufgabe:
      entlang der geplanten Eisenbahntrasse im US-Bundesstaat Vermont Bohrlöcher, die mit Schießpulver gefüllt sind, mit Sand zu verschließen und das Ganze mit Hilfe eines sieben Kilo schweren und drei Zentimeter dicken Eisenstocks festzustampfen.
    Hat auch immer ohne Probleme funktioniert - bis ...
    (vielleicht hast Du dies in der Zeitung gelesen, oder zumindest davon gehört?)
      Am 13. September 1848 wurde er von Kollegen abgelenkt, in ein Gespräch verwickelt. Er stampft aber trotzdem alles mit der Stange im Loch fest. Dumm nur:
        er vergaß den Sand - schlug also mit der Eisenstange direkt auf's Schwarzpulver.
        (den "Erfolg" kann sich wohl jeder denken.)
      Die Stange fliegt durch die Luft - komplett durch Gages Kopf. In Höhe des linken Auges tritt sie durch den Wangenknochen ein und schießt am Hinterkopf wieder heraus. Seinen Kollegen, die immer noch verduzt herumstanden, erklärte er nachher den Hergang des Unfalls. Danach fährt mit einem Ochsenkarren in seine Unterkunft und begrüßt den herbeigeeilten Arzt John D. Harlow mit den Worten:
      "Doktor, hier gibt es ordentlich was zu tun für Sie!"
      Er spricht weiterhin normal und erinnert sich an alles, was mit ihm passiert ist und auch seine intellektuellen Fähigkeiten waren weiterhin völlig intakt. Ihm fehlte lediglich ein Auge. Allerdings veränderte sich seine Persönlichkeit auf merkwürdige Weise - er wurde kindischer, impulsiver und unzuverlässiger. Ebenso wurde aus dem besonnenen, freundlichen und ausgeglichenen Gage das genaue Genteil.
      Der behandelnde Arzt John D. Harlow machte später die Verletzung des Frontalhirns dafür verantwortlich:
        "Die Eisenstange zerstörte die Regionen von Mitgefühl und Autoritätsgefühl, nun beherrschten animalische Leidenschaften seinen Charakter"
      Phineas Gage lebte so immerhin noch 12 Jahre.
So, nun aber zum Thema!
    Gesetz den Fall, zu dieser Zeit hätte schon die Möglichkeit bestanden, mit einer Gehirnprothese Abhilfe zu schaffen, ...
Abhilfe, wofür?
    Wenn etwa nach einem Unfall den Geschädigten die motorischen Fähigkeiten abhanden gekommen sind - etwa, weil ihnen Nervenbahnen durchtrennt wurden, aber die entsprechenden Körperteile noch vorhanden sind, können wir eine solche Prothese in's Gehirn (oder wohin auch immer) einetzen, damit gedanklich diese Bewegungen ausgeführt werden können.
Phineas Gages Motorik war aber in Ordnung.
Meinst Du, er hätte sich zur 'Wiederherstellung seiner natürlichen Charaktereigenschaften' einer solchen Prozedur unterzogen?
Ich glaube dies weniger!
(vielleicht hat er ja die Veränderungen seiner Charaktereigenschaften garnicht 'bewußt'
zur Kenntnis genommen ... bemerkt!)
Und damit wären wir beim nächsten Problem:
Elfer hat geschrieben:Die Frage ist, ob es auch für die Betroffenen belastend ist.
    Demenz!
Wir nehmen in jeder Sekunde sehr viel Reize ... Informationen auf. Informationen, die unser Gehirn nicht alle verarbeiten kann. Informationen, die aber auch recht unwichtig sind - zumindest meint unser Gehirn dies zu unterscheiden. Wichtige Informationen werden sofort gespeichert - lange bevorratete. Unwichtigere - je nach Wertigkeit - vergeßen.
    Das sensorisches Gedächtnis hält Informationen für Millisekunden bis Sekunden - das Arbeitsgedächtnis (auch Kurzzeitgedächtnis) speichert Informationen etwa 20-45 Sekunden - das Langzeitgedächtnis speichert Informationen über Jahre hinweg.
Es ist also einerseits "normal", wenn wir etwas vergeßen. Andererseits bestimmt aber auch überlebensnotwendig, daß unser Gehirn nicht mit allem belastet wird.
Warum sollte also eine Teil-Vergeßlichkeit für die Betroffenen eine Belastung sein?
(um bei obigen Beispiel - Phineas Gage - zu bleiben:)
... "ein Defizit in kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, eine Beeinträchtigung sozialer und beruflicher Funktionen".
Wobei bei Demenzerkrankten die kognitiven Leistungen des Langzeitgedächtnisses ja nicht gelitten haben - lediglich das Kurzzeitgedächtnis ist in Mitleidenschaft geraten.

fallili, eine "Art Festplatte" im Hirn wäre eine schreckliche Vorstellung! Ich möchte nicht mit Menschen zu tun haben, die in spock'scher Weise reagieren, die keine Emotionen haben ... keine Empathie zeigen ... nur Fakten, Fakten und nochmals Fakten, nichts als Fakten.
(da ist mir Pille lieber!)
Man denke sich nur, wie leicht ein Mensch, viele Menschen dadurch beinflußen könnte ... wie er bestimmen könnte, was diese zu wissen haben. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das nicht nur sein Verhalten reflektiern ... hinterfragen kann, sondern auch, je nachdem, sein Verhalten ändern kann.
... neu lernen kann
Das wäre ja dann kaum noch möglich, vielleicht auch nicht mehr nötig, weil ja alles "programiert" wäre.

Artie, die Hirnvorschung hat schon genug Böses hevorgebracht.
    Stimmt!!!
    Misbrauch zwecks Beeinflußung!
Dies ist aber noch garnichts gegen das, was möglich wäre, wenn eines Tages, in aller Konsequenz, eine Vollhirnprothese (oder auch nur eine Teil-Prothese) zur 'Wiederherstellung seiner natürlichen Charaktereigenschaften' verwendet werden könnte ... eingesetzt werden könnte.

So, das war's ... für's Erste.
    (oder auch für's ZDF)
War viel, ich weiß - vielleicht haben trotzdem Einige durchgehalten.
Danke für die Aufmerksamkeit!
Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.

Die Welt ist so geräumig und der Kopf ist so beschränkt.

Zpět k budoucnosti ke nejlebší čas.


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Viele Grüße
Der Neandertaler
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