Besuch in Hamburg bei DESY - mit Bildern

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Besuch in Hamburg bei DESY - mit Bildern

Beitragvon nocheinPoet » Freitag 14. August 2015, 18:47

Vorwort:

Ich gebe hier nun den Artikel zum Besuch in DESY von Gerd wieder, zu dem ich ihn genötigt habe. Ich fand den Tag und den Besuch wirklich richtig gut, es war für mich auch das zweite Mal, dass Joachim so nett war das alles mal ganz in Ruhe zu zeigen und zu erklären. Gerd war so nett und hat die Bilder auch in größerer Auflösung für den Artikel bereitgestellt. Ich danke hier noch mal Joachim und Gerd für den gemeinsamen informativen Tag, die Führung und die schönen Bilder, meine Leistung bestand darin, beide zu kennen. Viel Freude bei dem Artikel und den Bildern wünsche ich nun:

DESY, das Deutsche ElektronenSYnchrotron hat seinen Hauptsitz in Hamburg-Bahrenfeld und wurde 1959 gegründet. Die dort betriebene Grundlagenforschung konzentriert sich auf die drei Punkte:

• Entwicklung, Bau und Betrieb von Teilchenbeschleunigern;

• Untersuchung der fundamentalen Eigenschaften von Materie und Kräften im Rahmen der Teilchenphysik bzw. Hochenergiephysik;

• Forschung mit Photonen, d. h. Synchrotronstrahlung und Freie-Elektronen-Laser in den Gebieten Physik, Chemie, Biologie, Geologie und Medizin.

Wir starteten unsere Tour über das DESY Gelände in Hamburg an einem ausgemusterten Detektor. (Bild 2015-01313s_manuel.jpg) In den Anfängen wurden geladene Teilchen in sogenannten Blasenkammern sichtbar gemacht und die Spuren auf Film gebannt. Wie so ein Foto ausgesehen hat, zeigt eine Gravur auf einer Glasplatte, die in die Blasenkammer eingebracht wurde. Die Blasenkammer war Bestandteil des Beschleunigerrings DESY, er beschleunigte Elektronen auf 7,4 GeV.
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2015-01312m.jpg (1.82 MiB) 7076-mal betrachtet

Die Blasenkammer war mit einer Flüssigkeit gefüllt, die heißer als ihr Siedepunkt ist. Geladene Teilchen hinterließen nun Spuren von Dampfbläschen entlang ihres Weges. Diese Bläschenspuren ließen sich fotografieren und auswerten.
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2015-01316m.jpg (3.84 MiB) 7074-mal betrachtet

Weiter ging's zu einem weiteren ausgedienten Detektor: ARGUS. Er wurde am Ring DORIS (Doppel-Ring-Speicher) eingesetzt. Mit diesem Detektor wurde erstmals der sogenannte golden Zerfall (siehe Quelle 3) beobachtet und das Bottom-Quark nachgewiesen. Die Größe des Detektors hat mich dann doch überrascht. Das zeigt aber gut, welcher Aufwand getrieben werden muss, um die „Welt der kleinsten Teilchen“ zu erforschen. Diese Art von Detektoren erfordern allerdings eine Auswertung per Computer.

Sieben Stockwerke unter der Erde fanden wir die Experimentierhalle
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2015-01360m.jpg (3.15 MiB) 7074-mal betrachtet

des Beschleunigers HERA (Hadron-Eletron-Ring-Analge, siehe Quelle 7). HERA war der größte Beschleuniger bei DESY, ist nicht mehr in Betrieb und wir konnten verschiedene demontierte Detektoren in Augenschein nehmen. Die Auswertung der Messergebnisse hat einige Jahre in Anspruch genommen und liegen nun vor. HERA lieferte das genaueste Bild des Protons, siehe Quelle 11. In Betrieb war noch ein einfacher Detektor, der über Funkenschlag geladener Platten Myonen registrierte. Die Myonen entstehen beim Aufprall von Protonen der Kosmischen Strahlung auf der Erdatmosphäre. Sie zerfallen in rund 1,5 μs in ein Elektron, ein μ-Neutrino und ein Anti-Elektronenneutrino. Da sie sich mit mit annähernd Lichtgeschwindigkeit bewegen, sorgt die Zeitdilatation dafür, dass sie auf der Erdoberfläche ankommen und nachgewiesen werden können.
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2015-01322m.jpg (2.45 MiB) 7074-mal betrachtet

Wieder an der Oberfläche machten wir uns auf den Weg zum Freie-Elektronen-Laser FLASH. Unterwegs konnten wir einen Blick auf die Beschleunigermodule für das in Bau befindliche XFEL werfen.
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2015-01367m.jpg (2.12 MiB) 7074-mal betrachtet

XFEL (Xray Free Electron Laser) wird gerade als ca. 3 km langer Linearbeschleuniger für Elektronen gebaut. 101 dieser Elemente sollen Elektronen auf 17,5 MeV beschleunigen und am Ende über Undulatoren (sie zwingen die Elektronen auf einen Zickzackkurs) starke Röntgenblitze von 10 – 100 fs Dauer erzeugen. Damit sollen chemische Reaktionen „gefilmt“ und Moleküle untersucht werden.
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2015-01372m.jpg (3.1 MiB) 7074-mal betrachtet

Das Bild zeigt ein Blick in die Experimentierhalle FLASH I. Man konnte die angespannte Stimmung während der laufenden Experimente spüren. Da sind wir lieber schnell weiter gezogen. FLASH, der Freie Elektronen-Laser in Hamburg ist ein etwa 260 m langer supraleitender Linearbeschleuniger, der Elektronen auf 1,25 GeV beschleunigt. In Undulatoren erzeugen die beschleunigten Elektronen ultrakurze Röntgenblitze. Damit können schelle Abläufe wie chemische Reaktionen untersucht werden.

Wir schlenderten weiter zu PETRA III (siehe 9). Die bogenförmige Halle umfasst ein Achtel des 2,3 Kilometer langen Ringes.
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2015-01386m.jpg (1.3 MiB) 7074-mal betrachtet

PETRA (Positron-Elektron-Tandem-Ring-Anlage) wurde Mitte der Siebziger Jahre erbaut und erforschte zunächst Positronen und Elektronen. Mit dieser Anlage gelang der Nachweis der Gluonen, den Trägerteilchen der starken Kernkraft. Ab 1990 wurde die Anlage bis 2007 als PETRA II als Vorbeschleuniger für HERA benutzt. Nach dem Umbau zu PETRA III wird
dieser Speicherrung seit 2009 als brilliante Röntgenquelle benutzt. Dank des stark gebündelten, kurzwelligen Röntgenlicht können hier selbst kleinste Proben untersucht werden. Die riesige bogenförmige Halle bietet Platz für 14 Messplätze.
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2015-01404m.jpg (2.73 MiB) 7074-mal betrachtet


Die Messplätze stehen alle auf einer einzigen großen Betonplatte. Auf dem Weg zum Steuerstand gingen wir durch eine Montagehalle. Hier warteten etliche Vakuumpumpen auf ihren Einsatz.
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2015-01412m.jpg (2.27 MiB) 7074-mal betrachtet

Hier wurde mir bewusst, welcher Aufwand getrieben werden muss, um die Welt im Kleinen zu erforschen. Und wie viel Ingenieurskunst in den Anlagen steckt. Es sind ja nicht nur die großen Beschleunigeranlagen und die riesigen Detektoren. Die Beschleuniger benötigen ein hochreines Vakuum. Die Pumpen, die das technisch ausgeklügelt erzeugen sahen wir hier vor uns. Das Grundprinzip ist in Quelle 10 erläutert. Im Steuerstand
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2015-01421m.jpg (1.75 MiB) 7074-mal betrachtet

werden die Beschleunigeranlagen nach den Vorgaben der Experimentatoren betrieben. Die Operatoren sorgen für den reibungslosen Ablauf der einzelnen Experimente. Leider konnten wir den Steuerstand nicht betreten, da wir nicht stören wollten. Im Laufe der Besichtigung sahen wir etliche Computer, alles PCs. Hier im Steuerstand wurde deutlich, dass für den Betrieb und vor allem die Datenauswertung ordentlich Rechenleistung benötigt wird. Einzelheiten dazu finden sich in Quelle 12. Das Rechenzentrum selbst konnten wir nicht besichtigen.
Zum Schluss gingen wir auf ein Bier in die Kantine. Die DESY Currywurst musste ich natürlich probieren, aber sie konnte nicht mit der VW Variante mithalten :-) Bei anregenden Gesprächen ließen wir den Abend ausklingen.

Danken möchte Joachim, dass er Manuel und mich über das DESY Gelände führte und die Exponate und die Technik kompetent erläuterte; Manuel, dass er an mich gedacht und
mich mitgenommen hat; und – last but not least – Herrn Zoufal von der DESY Pressestelle für die Freigabe der Bilder.

Quellen:

1. http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_ ... ynchrotron
2. http://www.desy.de/
3. http://www-herab.desy.de/subgroup/detec ... node4.html
4. http://de.wikipedia.org/wiki/Myon
5. http://de.wikipedia.org/wiki/European_XFEL
6. http://flash2.desy.de/
7. http://www.desy.de/forschung/anlagen__p ... x_ger.html
8. http://www.amazon.de/kleinsten-Teilchen ... 3499184745
9. http://petra3.desy.de/index_ger.html
10.http://physik-begreifenzeuthen.desy.de/ ... x_ger.html
11. http://www.desy.de/aktuelles/news_suche ... _columns=0
12.http://www.desy.de/infos__services/pres ... ew?id=8741
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