Die letzten elf Fragen (der Physik) zum Universum

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Die letzten elf Fragen (der Physik) zum Universum

Beitragvon nocheinPoet » Dienstag 26. Juni 2012, 09:24

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Der National Research Council der National Academies (USA) hat in einem Bericht die elf dringlichsten Fragen zur Natur des Universums formuliert. Diese kreisen unter anderem um den Ursprung und die Entwicklung des Kosmos, die dunkle Energie und das Verhalten von Materie unter Hochenergiebedingungen.

Die Autoren der Studie sind der Ansicht, dass zu einer befriedigenden Beschreibung des gesamten Universums die Verflechtungen zwischen Quarks und dem Kosmos aufgeklärt werden müssen. Neben den elf Fundamentalfragen macht der Forschungsrat auch sieben konkrete Vorschläge, wie dieses Ziel zu erreichen wäre.


Probleme als Forschungsimpuls

Fragen als Bestimmungsstücke des status quo einer Wissenschaftsdisziplin haben Tradition. Der bekannteste Fragenkatalog der Wissenschaftsgeschichte wurde wohl im Jahr 1900 von David Hilbert am zweiten internationalen Mathematikerkongress in Paris formuliert.

In diesem legte er 23 bis dahin ungelöste Probleme bzw. unbestätigte Vermutungen vor. Das "Hilbert-Programm" war von einem umfassenden Optimismus getragen, den Hilbert mit den berühmten Worten "Statt des törichten Ignoralismus heiße im Gegenteil unsere Lösung: Wir müssen wissen, wir werden wissen" beschrieb.

Die Astronomen und Physiker des National Research Councils der National Academies verfolgen eine ähnliche Stoßrichtung. Die Formulierung der wichtigsten Rätsel des Universums soll zu Forschungsimpulsen führen, um jene "Fragen zu beantworten, die die Grenzen unserer Vorstellungskraft berühren".


Die elf Fragen im Überblick

    1. Was ist dunkle Materie?
    2. Was ist das Wesen der dunklen Energie?
    3. Wie entstand das Universum?
    4. Hat Einstein mit seiner Gravitationstheorie recht behalten?
    5. Welche Masse haben Neutrinos?
    6. Wie funktionieren kosmische Beschleuniger?
    7. Sind Protonen instabil?
    8. Gibt es bei hoher Dichte und Temperatur neue Materiezustände?
    9. Gibt es zusätzliche Raumzeit-Dimensionen?
    10. Wie entstanden die schweren Elemente?
    11. Brauchen wir eine neue Theorie von Licht und Materie bei hohen Energien?

1. Was ist dunkle Materie?

Astronomen konnten zeigen, dass Galaxien durch eine Materieform zusammengehalten werden, die keinerlei Licht abgibt. Diese dunkle Materie ist durch ihre Gravitationskraft für die großräumigen Strukturen des Universums verantwortlich und könnte zudem neue Elementarteilchen enthalten.


2. Was ist das Wesen der dunklen Energie?

Noch herrscht unter Astronomen noch keine Eingkeit über die Frage, ob die Expansion des Universums beschleunigt oder abgebremst verläuft. Ersteres widerspräche der fundamentalen Annahme, dass Gravitation immer anziehend wirkt. Daher nimmt man eine Existenzform der Energie (die so genannte dunkle Energie) an, deren Gravitation abstoßend wirkt.


3. Wie entstand das Universum?

Es gibt gute Hinweise darauf, dass das Universum während der ersten Momente seiner Existenz einer gigantischen Expansion (auch kosmische Inflation genannt) ausgesetzt war. Die physikalischen Ursachen dieser Inflation sind nach wie vor ein Rätsel.


4. Hat Einstein mit seiner Gravitationstheorie recht behalten?

Einsteins Gravitationstheorie kann auf die Beschreibung unseres Sonnensystems bis hin zu den extremen Gravitationswirkungen der schwarzen Löcher verwendet werden. Eine komplette Gravitationstheorie sollte aber auch Quanteneffekte mit einbeziehen (was für Einsteins Theorie nicht gilt) - oder zumindest erklären, warum diese nicht relevant sind.


5. Welche Masse haben Neutrinos?

Kosmologen gehen davon aus, dass Neutrinos im Universum allgegenwärtig sind. Weiters gibt es Evidenzen, dass sie eine geringe Masse aufweisen, die in ihrer Gesamtheit mit jener von Sternen vergleichbar ist. Genaueres Wissen über die Neutrino-Masse könnte Hinweise darauf geben, wie die Grundkräfte der Natur und die chemischen Elemente entstanden sind.


6. Wie funktionieren kosmische Beschleuniger?

Physiker haben eine erstaunliche Vielfalt an Phänomenen der Energie im Universum entdeckt, wie zum Beispiel Partikelstrahlung unerwartet hoher Energie, deren Ursprung unbekannt ist. In Laborbeschleunigern kann man zwar auch Partikelstrahlen herstellen, die aber bei weitem nicht jene Energie ihrer kosmischen Gegenstücke erreichen.


7. Sind Protonen instabil?

Der Stoff aus dem wir bestehen, ist ein geringes Überbleibsel der Vernichtung von Materie und Antimaterie im frühen Universum. Das leichte Ungleichgewicht zwischen Materie und Antimaterie könnte durch die Instabilität von Protonen (die den einfachsten Materie-Zustand repräsentieren) zu erklären sein.


8. Gibt es bei hoher Dichte und Temperatur neue Materiezustände?

Die Theorie über den Aufbau der Atomkerne durch Protonen und Neutronen ist gut entwickelt. Bei höheren Dichten können sich Protonen und Neutronen in einer "Suppe" von Quarks und Gluonen "auflösen". Solche Dichten treten zum Beispiel in Neutronensternen auf. Noch höhere Dichten und Temperaturen herrschten in den Anfängen des Universums.


9. Gibt es zusätzliche Raum-Zeit-Dimensionen?

Zum Verständnis der Quantennatur der Gravitation haben Teilchenphysiker die Existenz zusätzlicher Raumzeit-Dimensionen postuliert. Dies könnte Konsequenzen für Ursprung und Entwicklung des Universums, die Wechselbeziehungen der Materieteilchen sowie für die Gravitationskräfte in kurzen Distanzen haben.


10. Wie entstanden die schweren Elemente?

Das Verständnis jener Vorgänge, die zur Bildung von chemischen Elementen bis zum Eisen führten, kann als komplett bezeichnet werden. Offene Fragen gibt es bei jenen schweren Elementen, die im Periodensystem zwischen Eisen und Uran angeordnet sind.


11. Brauchen wir eine neue Theorie von Licht und Materie bei hohen Energien?

Materie und Strahlung unter Laborbedingungen können durch die Gesetze der Quantenmechanik, des Elektromagnetismus und deren Vereinigungstheorie, der Quantenelektrodynamik, ausgezeichnet beschrieben werden. Das Universum konfrontiert uns aber mit Objekten - wie etwa Neutronensterne oder Gammastrahl-Quellen -, die viel extremer gestaltet sind, als wir unter Laborbedingungen als Test dieser grundlegenden Theorien reproduzieren können.

Quelle: http://sciencev1.orf.at/science/news/51125


Fand das neulich und dachte mir, könnte man doch mal als Diskussionsgrundlage ins Forum setzen.
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Re: Die letzten elf Fragen (der Physik) zum Universum

Beitragvon ralfkannenberg » Dienstag 26. Juni 2012, 12:05

nocheinPoet hat geschrieben:.
Der National Research Council der National Academies (USA) hat in einem Bericht die elf dringlichsten Fragen zur Natur des Universums formuliert. Diese kreisen unter anderem um den Ursprung und die Entwicklung des Kosmos, die dunkle Energie und das Verhalten von Materie unter Hochenergiebedingungen.

Hallo Manuel,

ich will ja nicht immer herummeckern, aber irgendwie vermisse ich in dieser Auslistung einige mir wichtig erscheinende Punkte, primär die Vereinheitlichung der Grundkräfte ("die Weltformel"). In diesem Zusammenhang auch Begriffe wie SUSY (Supersymmetrie), Inflationstheorie und magnetische Monopole. So hübsche Sachen wie "falsches Vakuum" und "negative Gravitation" kann man auch hier ansiedeln, weiteres Stichwort: "Wurmloch". Und ja - hierbei ist die Gravitation noch aussen vor, es ist "nur" eine Vereinheitlichung der drei stärksten Grundkräfte.

Nett wäre es zudem, auch dem Higgs-Boson eine offene Frage zu widmen.

Ebenfalls nett wäre es zu wissen, ob es dichter komprimierte Materie als Neutronensterne (z.B. Quarksterne) geben kann.

Und last not least würde mich neben dem Hochenergieverhalten auch das extrem-kalte Verhalten interessieren, Stichworte "Einstein-Bose-Kondensat", "Superfluidizität" und "Supraleitung".


Freundliche Grüsse, Ralf
Zuletzt geändert von ralfkannenberg am Mittwoch 27. Juni 2012, 09:18, insgesamt 2-mal geändert.
Grund: Stichwort "Wurmloch" ebenfalls in Apostrophe gesetzt und fett kursiv hervorgehoben
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Re: Die letzten elf Fragen (der Physik) zum Universum

Beitragvon Artie » Dienstag 26. Juni 2012, 22:47

Sind es wirklich nur Elf?

Viel besser noch, die unphysikalische Frage:
Warum?
Warum das Alles?
:lol:
Chief: „Die Beschleunigung bleibt vorhanden obwohl die Summe alle Kräfte gleich Null ist. F_magnetanziehung+F_trägheit=0.
F1=-F2=> F1+F2 = 0.“

Highway: „Aus F1=-F2 folgt F1+F2 <> 0 du Amateur.“

Chief: „Du lügst schon wieder Du Arsch!“
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die 13 grössten Rätsel

Beitragvon Yukterez » Dienstag 26. Juni 2012, 23:50

Auf Scienceblogs lässt Herr Freistetter auf 13 erweitern:

Liste 13 hat geschrieben:3) Ändert sich die Feinstrukturkonstante [α] im Laufe der Zeit? Diese Konstante gibt die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung an und ist daher fundamental für die Abläufe in unserem Universum. Manche Messungen an Quasaren könnten andeuten, dass sich ihr Wert im Laufe der Zeit ändert.

Das hiesse aber, dass sich entweder c, oder ε0, was wiederum auf´s selbe und noch mehr hinausliefe, oder aber h, was auf den Spin und damit die gesamte Materie unausmalbare Auswirkungen hätte, ändert:

Bild

Was wäre wenn das Wirkungsquantum einen anderen Wert hätte ? Bei geringerem/höherem Drehimpuls die selbe Wirkung wie jetzt oder komplett andere Teilchen ? Interessant wäre auch, was das für Quasare waren und wie man darauf kommt...
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Re: Die letzten elf Fragen (der Physik) zum Universum

Beitragvon Yukterez » Mittwoch 4. Juli 2012, 00:54

sehr schön ! Interessant wäre sich mal durchzurechnen wie weit das Universum funktionieren würde wenn zwar alle Werte wie ε0, μ0, c & ℏ schwanken, aber im insgesamten Verhältnis dennoch den exakten α-Wert ergäben (:
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Fragen an's Universum

Beitragvon Herr Senf » Mittwoch 20. Februar 2013, 00:10

Einmal trübe Aussichten wegen falschem Vakuum im Universum? http://www.spiegel.de/wissenschaft/natu ... 84216.html . Ist aber olle Kamelle.
Zweimal etwas Dunkle Materie gefunden? http://www.spacenews.com/article/big-da ... SPy2WdZP94 .
In zwei Wochen sollen erste Ergebnisse der ISS-Experimente zur DM vorgestellt werden, bei zurückliegenden geheimnisvollen Vorankündigungen zu neueren Erkenntnissen blieb's ja meistens hinter den Erwartungen zurück.
ich will auch mal was dazu sagen
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Re: Die letzten elf Fragen (der Physik) zum Universum

Beitragvon nocheinPoet » Mittwoch 20. Februar 2013, 00:19

Da bin ich mal gespannt. Wäre schön, wenn mal wieder was Neues kommt.
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Re: Fragen an's Universum

Beitragvon ralfkannenberg » Mittwoch 20. Februar 2013, 13:15

Herr Senf hat geschrieben:Einmal trübe Aussichten wegen falschem Vakuum im Universum? http://www.spiegel.de/wissenschaft/natu ... 84216.html . Ist aber olle Kamelle.

Hallo zusammen,

eher neu würde ich sagen. Wenn man sich da ein bisschen durchgooglet, so kommt man auf The top quark and Higgs boson masses and the stability of the electroweak vacuum (Alekhin, Djouadib, Mochd), wobei es mich zumindest überrascht, dass die Zukunft des Universums von den Massen der beiden massereichsten Partikel des Standardmodells, dem Top-Quark und dem Higgs-Boson abhängen soll, und ausgerechnet beide Massen "zufällig" gerade an der Grenze liegen sollen ! Allerdings enthält der Artikel beim ersten Lesen etwas gar viele "if's", und solche Einschränkungen wie diese sollten auch etwas prominenter genannt sein, wie z.B.:

one could extrapolate the model up to high scales


Hier noch ein weiterer Artikel, der gerade mal einen guten Monat alt ist: Electroweak Vacuum (In)Stability in an Inflationary Universe (Kobakhidze, Spencer-Smith)

Vermutlich findet man noch mehr, wenn man da was sucht.


Freundliche Grüsse, Ralf
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Re: Fragen an's Universum

Beitragvon Herr Senf » Mittwoch 20. Februar 2013, 16:26

Das Thema wurde schon im Zusammenhang mit der beschleunigten Expansion (Supernovae-Ergebnisse) wieder hochdiskutiert, also seit 1998. Ursprünglich geht diese Vermutung wohl auf die Inflationstheorie bzw das Inflatonpotenzial zurück, wenn eine kritische Abkühlungstemperatur durchlaufen wird.
Ich hab das dann mal als Satire im Zukunftsdialog "Freie Energie" aufgegriffen, wo ja kaum einer "von uns" gegen angegangen ist:

"....Wenn das derzeit echte Vakuum, das sogenannte Quantenvakuum (das hier für die Freie Energie genutzt werden soll) durch unkontrollierten Energieentzug unterkühlt wird, kippt es um und wird zu einem sogenannten falschen Vakuum. Genau das war die Urkraft des Urknalls, als das Weltall gigantisch aufgebläht wurde.
Achtung, solche Versuche würden, wenn Sie tatsächlich Erfolg hätten wie Prof. Turtur behauptet, innerhalb von Sekunden zu einer sich gigantisch ausbreitenden Explosion führen, die Erde wäre ausgelöscht. Verhindert solche Versuche, stoppt die Experimente von Prof. Turtur, sonst könnte die Zukunft der Erde auf dem Spiel stehen. Diese Befürchtungen zum falschen Vakuum wurden untersucht mit der Vermutung, daß uns aus dem Weltall keine Gefahr drohen wird, weil jetzt keine natürlichen Prozesse diesen Vorgang mehr auslösen können. Wollen wir eine solche Katastrophe künstlich auslösen, nur weil einige Aktivisten Natur-Strom nicht mehr bezahlen wollen. am 15.04.2012 um 22:49 Uhr von Herr Senf (Gast) kommentiert" :?

Dazu noch ein "lustiger" Artikel aus 2007 http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/285813 mit der (ernsthaften?) Behauptung, daß unsere bloßen Beobachtungen von Supernovae einen solchen Prozeß beschleunigen könnten, "Physiker" gibt's.
Muß nun yukterez seine ganzen Kurven neu rechnen :)
ich will auch mal was dazu sagen
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