Der Neandertaler hat geschrieben:Liebe Britta.
Ich greife erstmal einen Punkt heraus - damit es nicht zu lang wird ... monologhaft.
Wachstum generell zuverurteilen, schuldig zu sprechen, für alle unsere Probleme, halte ich nicht für gerechtfertigt.
Ich verurteile das Wachstum nicht, aber den Zwang zum Wachstum. Umsatz- und Profitsteigerung sind das Wichtigste für ein Unternehmen und daran wird auch das Management gemessen. Wirtschaftswachstum steht ganz hoch im Kurs und wenn es mal Nullwachstum gibt, dann sind gleich wieder die Arbeitsplätze in Gefahr. Bei Minus ist man in der Krise.
Der Neandertaler hat geschrieben:Wachstum ist vielschichtig, dies ist für vieles verantwortlich - oder kann für vieles verantwortlich sein.
Einerseits hat Wachstum zu unserem Wohlstand beigetragen - Stichwort: Ludwig Erhard und das Wirtschaftswunder - und andererseits zerstören wir, wie Du richtiger Weise bemerktest, unsere Umwelt, unsere Basis des Lebens immer fort. Letztlich gefährden wir uns dadurch selbst.
Genau das meine ich. Aber keiner redet darüber, dass wir uns auf diese Weise selbst zerstören.
Wachstum hat zu unserem Wohlstand beigetragen, nur irgendwann haben wir den Ausstieg verpasst und das Wachstum zur Priorität gemacht. Eine Politik, die Umweltschutz fördert, gibt es nicht. Das was gemacht wird, ist alles nur Augenwischerei und wenn man an die Einstellung der Solarförderung denkt sogar der reinste Hohn.
Der Neandertaler hat geschrieben:
Wachstum ist aber auch dafür verantwortlich, daß wir heute soviele Menschen sind, daß wir - unsere Landwirtschaft - diese ernähren können. Und das ist auch das Problem, der Teufelskreislauf. Je mehr Menschen wir sind, umso stärker wird geforscht, wie wir diese versorgen können ... Wachstum wird gefordert - das ist momentan das Einzige, was verantwortlichen Leuten einfällt.
Ja, sie sind ziemlich einfallslos. Darunter leidet die Lebensqualität der Mehrheit der Menschen.
Der Neandertaler hat geschrieben:Stillstand ist Rückschritt!
sagte einst Rudolf Christian von Bennigsen-Foerder - Vorstandsvorsitzender der VEBA AG. So sehr ich auch den Aussagen der Wirtschaftsbosse mistraue, aber dies erscheint mir logisch. Da wir uns nunmal -
mit unsere Wirtschaftsordnung - darauf festgelegt haben ...
auf Wachstum, dürfen wir aber auch nicht stehenbleiben - heißt:
es wird weiter auf Wachstum gesetzt, gesetzt werden müssen.
Das Wachstum ist aber ziemlich einseitig. Bei den Einen wachsen die Bankkonten, bei den Anderen schrumpfen sie. Wo liegt der Nutzen bei dieser Art Wachstum?
Man könnte auch andere Dinge wachsen lassen. Bildung bei den Menschen zum Beispiel, damit sie sich der Problematik mal so richtig bewußt werden, aber das verschweigen unsere Medien, obwohl man es am Besten täglich im TV bringen sollte, aber es wäre schädlich für das Wachstum, würde man das tun und die Leute es begreifen.
Der Neandertaler hat geschrieben:Alexander Rüstow -
deutscher Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler, sagte im September
1932 in Dresden auf der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik:
"Der neue Liberalismus jedenfalls, der heute vertretbar ist, und den ich mit meinen Freunden vertrete, fordert einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da, wo er hingehört."
"Ob wenig oder mehr Staatstätigkeit – diese Frage geht am wesentlichen vorbei. Es handelt sich nicht um ein quantitatives, sondern um ein qualitatives Problem.
Sehe ich auch so. Die Qualität unserer Politiker ist echt mies. So mies, dass manche sich sogar einen Doktortitel erschwindeln müssen oder zinsgünstige Kredite nehmen müssen.
Der Neandertaler hat geschrieben:Der Staat soll weder den Wirtschaftsprozeß zu steuern versuchen, noch die Wirtschaft sich selbst überlassen: Staatliche Planung der Formen – ja; staatliche Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses – nein. Den Unterschied von Form und Prozeß erkennen und danach handeln, das ist wesentlich. Nur so kann das Ziel erreicht werden, daß nicht eine kleine Minderheit, sondern alle Bürger über den Preismechanismus die Wirtschaft lenken können.
Würde mal der Staat die Wirtschaft ein wenig lenken, statt sich von der Wirtschaft lenken zu lassen, so w#re schon ein wesentlicher Schritt getan.
Der Neandertaler hat geschrieben:
Die einzige Wirtschaftsordnung, in der dies möglich ist, ist die des 'vollständigen Wettbewerbs'. Sie ist nur realisierbar, wenn allen Marktteilnehmern die Möglichkeit genommen wird, die Spielregeln des Marktes zu verändern. Der Staat muss deshalb durch einen entsprechenden Rechtsrahmen die Marktform – d. h. die Spielregeln, in denen gewirtschaftet wird, – vorgeben."Letztere Satz stammte von Walter Eucken - ein deutscher Ökonom ... zitiert aus dem Vorwort, erster Band seines Jahrbuchs ORDO.
Leider ist das nicht durchführbar.
Der Neandertaler hat geschrieben:Noch ein Zitat - weil's so schön war, damit es aber nicht langweilig wird, ein kurzes:
"Das Maß der Wirtschaft ist der Mensch. Das Maß des Menschen ist sein Verhältnis zu Gott."
dies stammte ebenfalls von einem Ökonomen - von Wilhelm Röpke.
Alle drei vor genannten Personen sind
eher als geistige Väter der Sozialen Marktwirtschaft anzusehen ... weniger Ludwig Erhard, der dies später komprimiert als "Soziale Marktwirtschaft" einbrachte.
Der Mensch ist schon lange nicht mehr das Maß der Wirtschaft. Das sind inzwischen die Umsatzzahlen und ihr Verhältnis zum Profit.
Der Neandertaler hat geschrieben:
Aber alle, auch Erhard, waren Mitglieder der Freiburger Schule des Ordoliberalismus ... oder hatten zumindest eine Nähe dazu. Aber Du siehst auch daraus, daß alle auf Marktwirtschaft, Wettbewerb und letztlich auf Wachstum setzten ... niemand hat Wachstum verteufelt.
Von daher sehe ich zwar Wachstum kritisch, keine Frage, aber in gewißem Rahmen ... mit gewißen Regeln?
Wir haben uns heutzutage so weit von den Gedanken der vorgenannten Herren und der Sozialen Marktwirtschaft fortentwickelt, wie ...
Allerdings sollten wir - jeder Einzelne - unser Verhalten und unsere Wünsche hinterfragen, unser Verhalten letztlich ändern. Solange dies nicht geschieht, solange nicht jeder in seinen Anmaßungen etwas zurückfährt und sein Verhalten ändert, solange etwa auf Autobahnen immer nach der kleinsten Lücke geschielt wird, auf den kleinsten Fehler des Nachbarn gehofft wird, der dann gnadenlos ausgenutzt wird - selbstverständlich, ohne Rücksicht auf Verluste, also unter Inkaufnahme von erhöhtem Verschleiß und Energie, solange brauchen wir uns nicht um die nächste Krise sorgen ... die kommt bestimmt - sie ist schon im Anmarsch ... mit großen Schritten.
Ich sehe keinen Weg, das aufzuhalten.
Es wird wohl so sein, dass die Party bis zum bitteren Ende weitergeht - solange bis eben nichts mehr geht und es für Alle und Alles zu spät ist.
Der Neandertaler hat geschrieben:
Das ist auch Wachstum - der Fortschritt!
Hm...
Der Neandertaler hat geschrieben:Allerdings:
Was wäre die Alternative - zu Wachstum ... zum Kapitalismus?
Denn Kapitalismus beinhaltet ja Wachstum ... Wirtschaftunternehmen sind ja nicht zwangsläufig gemeinnützige Einrichtungen.
Als Alternative zum Kapitalismus fällt mir nur Sozialismus ein. Und ob Sozialismus - so gut er und sein Konzept sich auch anhört ... in der Theorie, ... ich frage mich nur immer wieder, ob der Sozialismus nicht zwangsläufig in einer Diktatur enden
muß?
Muß es denn immer irgendein ...ismus sein?
Der Neandertaler hat geschrieben:
Da aber der Mensch nunmal dummerweise lieber frei sein will - siehe Tunesien, Libyen, ect. ... den Menschen ging es ja nicht unbedingt schlecht, sie hatten nur keine Freiheit, und da der Mensch so etwas im gewißen Rahmen braucht, sehe ich im Sozialismus nicht unbedingt den Heilsbringer. Zumal diese Wirtschaftsordnung ja gescheitert ist.
Ich sehe das ja anders... Die Menschen in Lybien wurden Opfer unseres Wachstums. Lybien war eines der wenigen Länder, die sich der Jontrolle westlicher Konzerne entzogen hatten. Eines der wenigen Gebiete, wo man noch "wachsen" kann. Viele gibt es ja nicht mehr. Nur noch Syrien, Iran, Nordkorea, China, Russland und Venezuela. Aber das garantiert ja noch ein paar Jahre Wachstum...
Und Freiheit? Was nützt dir alle Freiheit, wenn du nichts zu essen hast, kein Geld für Miete, Strom und Unterhaltung?
Der Neandertaler hat geschrieben:
Womit wir wieder beim Rahmen sind - bei Rahmenbedingungen.
Anstatt uns über gutes und schleches Wachstum zu unterhalten und wie gut oder schlecht es für uns oder unsere Wirtschaft ist, anstatt darüber zu streiten, sollten wir lieber dafür sorgen, daß Verantwortliche in die Lage versetzt werden - auch gezwungenermaßen, etwa durch eine hohe Wahlbeteiligung, diese Rahmenbedingungen zu erlassen. Weniger die Ewiggestrigen zu stärken ... egal welcher Couleur.
In Australien haben sie Wahlpflicht. Wer nicht wählen geht, geht für ein paar Tage ins Gefängnis. Aber wen willst du wählen, wenn eh diejenigen, die es Anders machen würden, nie zur Wahl stehen?
People who lie to others have merely hidden away the truth, but people who lie to themselves have forgotten where they put it.