Hallo Britta,
Britta hat geschrieben:Welches Präsidenten? Amadou Toumani Toure wurde im März 2012 gestürzt. [...]
Die neuen Machthaber in Mali haben keine Legitimation.
das ist so nicht ganz richtig. Das Hilfsersuchen an Frankreich erging durch den amtierenden Übergangspäsidenten
Dioncounda Traoré. Die Präsidentschaft von Traoré ist das Ergebnis der internationalen Eindämmung des Putsches vom 22.03.2012 und seiner Folgen. Konkret der Vereinbarungen zwischen den Putschisten und der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) vom 06.04.2012 und ist auch mit der malischen
Verfassung vom 25.02.1992 (
englische Übersetzung) vereinbar:
Verfassung von Mali hat geschrieben:ARTICLE 36/ - Lorsque le Président de la République est empêché de façon temporaire de remplir ses fonctions, ses pouvoirs sont provisoirement exercés par le Premier Ministre. En cas de vacance de la Présidence de la République pour quelque cause que ce soit ou d'empêchement absolu ou définitif constaté par la Cour Constitutionnelle saisie par le Président de l'Assemblée Nationale et le Premier Ministre, les fonctions du Président de la République sont exercées par le Président de l'Assemblée Nationale. Il est procédé à l'élection d'un nouveau Président pour une nouvelle période de cinq ans. L'élection du nouveau Président a lieu vingt et un jours au moins et quarante jours au plus après constatation officielle de la vacance ou du caractère définitif de l'empêchement. Dans tous les cas d'empêchement ou de vacance il ne peut être fait application des articles 38, 41, 42 et 50 de la présente Constitution.
Article 36: When the President of the Republic is temporarily unable to fulfil his duties, his powers shall be provisionally exercised by the Prime Minister. In case of a vacancy of the Presidency of Republic for some unforeseen, disruptive cause that is an absolute or unavoidable obstacle, noted by the Constitutional Court, and the President of the National Assembly and the Prime Minister, the functions of the President of the Republic shall be carried out by the President of the National Assembly. A new process for election of a new president for a new period of five years shall then commence. The election of the new President shall take place between twenty-one and forty days after the official recognition of the vacancy or preventative obstacle. In every case of a preventative obstacle or vacancy, Articles 38, 41, 42, and 50 shall not be applied.
Die bis zum Putsch amtierende Premierministerin
Cissé Mariam Kaïdama Sidibé wurde durch die Putschisten festgenommen, während Präsident
Amadou Toumani Touré mit Hilfe loyaler Truppen fliehen konnte. Bis zum 17.04.2012 war die Funktion des Ministerpräsidenten unbesetzt und wurde nach der Vereinbarung vom 06.04.2012 schliesslich von
Cheick Modibo Diarra ausgeübt.
Seine Regierung der nationalen Einheit, die vor allem die die Wiederherstellung der staatlichen Ordnung in allen Teilen des Landes und die Abhaltung von freien Wahlen scheiterte am 10.12.2012 durch einen "zweiten Putschversuch" der aufständischen malischen Truppenteile und trat daraufhin geschlossen zurück. Wenige Tage später konnte Übergangspräsident Traoré unter dem Druck der UN mit
Django Sissoko eine weitere Zivilregierung einsetzen, die seitdem die Regierungsgeschäfte führt.
Dieser Übergang wurde durch den gestürzten gewählten Präsidenten Touré soweit unterstützt, als dieser am 09.04.2012 offiziell von seinem Amt zurückgetreten ist, um die verfassungsgemässe Neuwahl eines Präsidenten innert 40 Tage nach der Inauguration des legitimen Übergangspräsidenten Traoré zu ermöglichen. Dass es bislang dazu nicht kam, liegt an dem nicht entschiedenen Machtkampf mit den illegalen Putschisten um
Amadou Sanogo. Zur Erinnerung: Dioncounda Traoré wurde am 21.05.2012 durch einen jugendlichen Mob aus dem Umfeld der Putschisten malträtiert und konnte erst am 27.07.2012, nach medizinischer Behandlung im Ausland, seine Amtsgeschäfte wieder antreten.
Die Zielvorgaben des französischen Präsidenten für die
Opération Serval umfasst auch
"eine legitime Ordnung und einen Wahlprozess" in Mali selbst. Dieses "nation
re-building" ist dann aber auch eine Aufgabe der internationalen Staatengemeinschaft. Ebenso wie der Schutz der nomadisierenden Minderheiten auf malischem Staatsgebiet:
Britta hat geschrieben:Die Franzosen helfen ihnen aber und sie werden ihre Machtposition stärken, was wiederum für andere Parteien in Mali wie etwa die Tuareg nicht wirklich gut ist.
Es muss klargestellt werden, dass es zu keinen Kriegsverbrechen und Racheakten gegen diejenigen kommen darf, die grob fahrlässig mit den marodierenden Islamisten in einen Topf geworfen werden. Klar muss sein, dass es
"die Tuareg" nicht gibt. Diese Gemeinschaftsbezeichnung für die unterschiedlichsten Stämme in der Sahara und der Sahelzone stammt aus der gewaltsamen
Islamisierung der berberischen Nomaden. Die Tuareg haben mit einer radikalislamischen Auslegung des Koran oder seiner propagierten Lebensweise wenig am Hut. Beispielsweise wird die traditionell liberalere Stellung der Frauen bei diesen Nomadenstämmen durch die Fundamentalisten der
Ansar Dine und der Terrororganisationen
MUJAO und
AQMI existenziell bedroht. Die Verbrechen gegen die Menschenrechte, die in den vergangenen Monaten durch die Islamisten im Norden Malis verübt wurden, sind durch nichts zu gerechtfertigen. Nicht mal durch eine schwere Kindheit. Es ist völlig in Ordnung und unterstützungswürdig, wenn die Interventionskräfte diese religiös motivierten Gewaltakte gegen die Bevölkerung und die Kulturstätten im Norden Malis und den Anrainerstaaten definitiv neutralisieren. Mit diesen Warlords und ihren reisenden Kriegsknechten ist kein Staat zu machen. Aber Staaten können scheitern, wenn solche irreguläre Kombattanten ihr Unwesen treiben. Hoffen wir mal, dass Frankreich und seine Alliierten so erfolgreich sind, diese Terrorbanden nicht nur in die Nachbarstaaten Malis abzudrängen, sondern nachhaltig auszuschalten.
Grüsse galileo2609