Dgoe hat geschrieben:Besser Level (-1) oder besser (-3), (-n), (sqrt(-n)) i oder so
Hallo Dgoe,
Level 0 ist schon korrekt, in Anlehnung an die Abschätzungen in "0.Näherung".
Das "Problem" bei der Differenzial- und Integralrechnung ist an sich der Umstand, das man auch folgende Funktion definieren kann:
f(x) = 1 für x rational
f(x) = 0 für x nicht rational
Sowas "kann man nicht brauchen", d.h. man benötigt geeignete Tools, um sowas ausschliessen zu können. Und das geeignete "Tool" ist die Stetigkeit, und eine Stetigkeit kannst Du nur auf dem Kontinuum definieren, und dieses wiederrum wird durch die reellen Zahlen bzw. einem Intervall in ihnen, z.B. [0,1] realisiert.
Das Problem ist nun aber, dass man die reellen Zahlen algebraisch gar nicht konstruieren kann, und das ist der Grund, warum man sich vorgängig Gedanken über die Zahlen machen muss.
Ausgehend von den Peano-Axiomen oder der leeren Menge und Mengen, die dann die leere Menge enthalten usw. kann man sich die natürlichen Zahlen definieren und eine sinnvolle Addition betreiben. Man nennt eine solche Struktur auch "Halbgruppe".
Wenn man nun noch die Subtraktion hinzufügt - die braucht man nämlich, um Gleichungen lösen zu können, so erhält man die Menge der ganzen Zahlen, die eine Gruppe bilden.
Will man nun auch noch multiplizieren, so erhält man einen Ring - immer noch die ganzen Zahlen, und wenn man auch dividieren kann bis auf 0 (genauer: bis auf das Neutralelement der Addition) - die Division benötigt man ja, um multiplikative Gleichungen lösen zu können, so erhält man einen Körper, nämlich den sogenannten Quotientenkörper der rationalen Zahlen.
Beachte übrigens, dass diese Quotientenkörperbildung ein kleines Problem beinhaltet, denn die Zahlen sind nicht mehr eindeutig darstellbar, da man Brüche ja erweitern und kürzen kann. Man kann aber alle Erweiterungen und Kürzungen als dieselbe Zahl interpretieren - also 1/2 ist dasselbe wie 2/4 oder 3/6 oder (-1)/(-2); dabei sind dann 1/2, 2/4, 3/6 oder (-1)/(-2) Repräsentanten derselben Äquivalenzklasse. Brüche sind also letztlich Äquivalenzklassen.
Wir hatten diesen Begriff ja bei den Restklassen auch schon angetroffen.
Wie auch immer - schon im Altertum hat man bemerkt, dass die Diagonale eines Quadrates mit Kantenlänge 1 zwar mit Zirkel, Lineal und Einheitsmassstab einfach konstruierbar ist, aber nicht als Bruch darstellbar ist: gemäss des Satzes von Pythagoras hat sie die Länge Quadratwurzel 2 und man kann zeigen, dass diese eben kein Bruch ist.
Obgleich also die Brüche unendlich dicht gepackt liegen, gibt es trotzdem Zahlen "dazwischen", die nicht zu den Brüchen gehören.
Algebraisch kann man das ein Stück weit noch ergänzen, indem man auch die Nullstellen von Polynomen mit rationalen Koeffizienten hinzunimmt; dadurch kommt die Quadratwurzel von 2 als Nullstelle des Polynoms f(x) = x
2 - 2 dazu, aber es gibt eben Zahlen wie e oder pi, die man auch diese Weise nicht hinzufügen kann. Und schlimmer noch: Cantor konnte mit ganz elementaren Methoden 1875 beweisen, dass die Menge der Zahlen, die man nicht erfasst hat, ungleich riesiger ist als die Menge der Zahlen, die Nullstellen von Polynomen mit rationalen Koeffizienten sind. Wir werden diese Fragestellung beim Präsidenten-Paradoxon ebenfalls antreffen.
Wie auch immer: mit algebraischen Methoden kriegt man die Menge der Zahlen einfach nicht voll.
Ich will jetzt gar nicht weiter ausholen, es genügt mir völlig, dass Du verstehst, warum da so allerlei zusätzliche Überlegungen angestellt werden müssen, ehe man dann den Stetigkeitsbegriff sinnvoll definieren kann. Das sind dann so mathematische Situationen, in denen man die Wortwahl "für alle epsilon echt grösser null gilt" antrifft. Situationen, für deren Beweis man übrigens fast immer mit der Dreiecksungleichung auskommt, also dass die Summe der Länge zweier Seiten eines Dreieck stets grösser ist als die dritte Dreiecksseite. Sowas kann man sich ruhig mal merken, denn die Dreiecksungleichung ist ja doch recht einfach und spielt in diesem Kontext bei den Beweisen eine herausragende Rolle.
Etwas naiv
vervollständigt man die rationalen Zahlen - die algebraischen Zahlen braucht es hier nicht, weil ja schon die rationalen Zahlen unendlich dicht gepackt sind - und ergänzt also alle Grenzwerte von konvergenten Cauchy-Folgen mit rationalen Folgegliedern.
Was ist denn das schon wieder: nun, das sieht viel schlimmer aus als es ist:
Sei folgende Folge gegeben: (3, 3.1, 3.14, 3.141, 3.1415 usw.), welche gegen pi konvergieren soll. Die Folgenglieder sind also 3, 31/10, 314/100, 3141/1000, 31415/10000 usw, und das sind alles Brüche. Aber der Grenzwert ist eben kein Bruch.
Betrachten wir noch diese Folge: (4, 3.2, 3.15, 3.142, 3.1416 usw.). Das sind auch alles Brüche. Und nun kann man pro Folgenglied den Abstand des n.-ten Folgengliedes der ersten Folge zu pi und den Abstand des n.-ten Folgengliedes der ersten Folge zu pi bestimmen, und da beide Folgen ja konvergieren, gibt es da also für die Abstände schöne epsilons, zu denen man kleinere Zahlen findet; pro Folge hat man so eines und dank der Dreieckungleichung kann man dann zeigen, dass eben der Abstand zum Grenzwert auch nicht gross werden kann, sondenr klein genug bleibt, so dass er das Konvergenzkriterium ebenfalls erfüllt.
Auf Level 0 reicht das völlig aus, der Rest ist eigentlich nur noch das formal korrekte Aufschreiben der hier genannten Schritte.
Freundliche Grüsse, Ralf
EDIT 2.11.2013 11:49 Uhr: 3147100 korrigiert zu 314/100; Typo, weil / = Shift-7