Der Volksmund studiert umsonst, denn er weiß schon alles.
Diesen plakativen Satz möchte ich erklären, denn er ist durchaus ernst gemeint.
Ja, ich gehe sogar so weit zu sagen: Der Volksmund ist die Weisheit selbst bzw. ihre Personifikation, ihr symbolischer Träger.
Wir alle kennen die Sprüchlein, deren Ursprung in absoluter Dunkelheit liegt, oder deren Ursprung kleine lustige Bücher oder Lexikas zu kennen vorgeben; und die man bei langeweile gerne einmal durchblättert.
Letztendlich schnappen wir diese Sprüche auf, wie traditionelle Religionen ihr Wissen mündlich weitergaben, bis sie eines Tages aufgeschrieben wurden, als geheimliteratur von Kloster zu Kloster geschleust wurden, und letztlich der Buchdruck dafür sorgte, dass sie zum allgemeingut werden.
Und ebenso, wie die Form der Überlieferung des Volksmund urtümlich ist, ja gerade zu ursprünglich, so ursprünglich sind auch ihre einfache und dichtgepackte Struktur geblieben.
Da wird, um ein Beispiel zu nennen, davon gesprochen, ob einem etwas fehle, eventuell weil man sieht, dass er nicht alle Tassen im Schranke habe.
Zwei kleine Sprüchlein, die Konzept der Krankheitsdiagnose unserer Vorfahren darstellt. Einem Konzept, dass wir noch Heute bis in die letzten Winkel der Welt, bei Urvölkern zurückverfolgen können, wo die Heiler und Kräutermanner und -Frauen auch Heute noch geraubte, oder verlorene Körper oder Seelenteil aus der Unterwelt oder entfernten Winkeln zurück holen, die fehlen.
Denn Krankheit sei Spaltung oder Fragmentierung und Gesundheit sei Ganzheit. Fehlt meinem Patienten etwas? Ist nicht das der Satz, den sich ein Arzt oder Schamane stellt, den er fragt, wenn er mit den Kollegen oder Hilfgeistern kommuniziert?
Und wie die Weisheit spricht, so sehen wir auch den selben Ursprung der Krankheit, wo fehlende Tassen, also gestörter Geist und fehlende Teile - im Sinne körperlicher Erkrankungen - keiner Unterscheidung unterliegen...
Ich denke, der Volksmund würde umsonst studieren, denn er weiß schon alles. Vielmehr sollten wir seine Schüler werden und dafür sorgen, dass unsere mündlichen Überlieferungen nicht mit unseren Kindern und Kindeskindern verloren gehen. Wir sollten uns Kümmern.
Was kennt Ihr für Deutungen und Weisheiten, die der Volksmund uns zu teil kommen lässt?