Die relativistische Zahnradbahn

Hier wird die Relativitätstheorie Einsteins kritisiert oder verteidigt

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Re: Die relativistische Zahnradbahn

Beitragvon Tachyon » Dienstag 8. März 2011, 11:01

Hallo Uli und Manuel,

ihr scheint beide die Auffassung zu vertreten, nur die Physik im Ruhesystem eines Objektes sei real. Das ist aber nicht der Fall. Das Relativitätsprinzip garantiert, dass man in einem Inertialsystem, in dem ein Kristall bewegt ist, mit den gleichen Gesetzen die Form des Kristalls bestimmen kann, wie in seinem Ruhesystem. In diesem System ist der Kristall verkürzt. Deshalb müssen die Kräfte zwischen zwei bewegten Atomen derartig sein, dass ihr Gleichgewichtsabstand kürzer ist als bei im selben Inertialsystem ruhenden Atomen.

Und nochmal: Es gibt Bewegung in einem Inertialsystem. Wäre das nicht der Fall, so könnte man die SRT gar nicht verwenden.

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Re: Die relativistische Zahnradbahn

Beitragvon Uli » Dienstag 8. März 2011, 11:49

Tachyon hat geschrieben:Das Relativitätsprinzip garantiert, dass man in einem Inertialsystem, in dem ein Kristall bewegt ist, mit den gleichen Gesetzen die Form des Kristalls bestimmen kann, wie in seinem Ruhesystem. In diesem System ist der Kristall verkürzt.


Dem stimme ich 100%ig zu, Joachim.

Tachyon hat geschrieben:Deshalb müssen die Kräfte zwischen zwei bewegten Atomen derartig sein, dass ihr Gleichgewichtsabstand kürzer ist als bei im selben Inertialsystem ruhenden Atomen.


Hier kommt nun eine - für mich etwas verwirrende - Schlussfolgerung: dafür, dass die Gleichgewichtsabstände kürzer als im Ruhesystem sind, sorgt doch nun die ganz "allgemeine" Lorentz-Transformation, die gar nichts von harmonischen Oszillatoren oder sonstigen Wechselwirkungen "weiss". Ihre Vorhersagen gelten für beliebige Kräfte; deshalb finde ich deine Schlussfolgerung auf die Kräfte zwischen Atomen im Gitter schon verwirrend, wenn deine Aussage auch so gesehen nicht falsch ist. Aber es ist doch viel sinnvoller zu sagen, dass die Struktur unserer Raumzeit für diese Konsequenzen verantwortlich ist, oder nicht ?

Für mich suggeriert deine Schlussfolgerung zu sehr, dass dies eine spezielle Eigenschaft der "Gitterkräfte" sei: nein, die Art der Kraft spielt keine Rolle - die Abstände kontrahieren.

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Re: Die relativistische Zahnradbahn

Beitragvon Tachyon » Dienstag 8. März 2011, 14:57

Hi Uli,

Uli hat geschrieben:Hier kommt nun eine - für mich etwas verwirrende - Schlussfolgerung: dafür, dass die Gleichgewichtsabstände kürzer als im Ruhesystem sind, sorgt doch nun die ganz "allgemeine" Lorentz-Transformation, die gar nichts von harmonischen Oszillatoren oder sonstigen Wechselwirkungen "weiss".


Ja, aber die Lorentztransformation ist nicht Ursache der Stauchung. Ursache dafür, dass sich Objekte bei Beschleunigung stauchen, ist die bindende Kraft. Ungebundene Objekte (du hast es am Gas erläutert) bleiben gleich lang, wenn alle ihre Bestandteile beschleunigen.

Stell dir doch mal vor, die SRT wäre falsch und wie lebten in einer Welt, in der die Naturgesetze Galileo-Invariant sind. Auch hier würde die Anwendung der Lorentztransformation zu einer Verkürzung aller nun bewegten Objekte und zu einer Verlängerung aller nun ruhenden Objekte führen. Aber die Lorentztransformation würde die Struktur der Naturgesetze nicht erhalten. Ein Objekt würde im neuen Koordinatensystem nicht seine Ruhelänge einnehmen, sondern eine um Gamma größere Länge.

Uli hat geschrieben:Ihre Vorhersagen gelten für beliebige Kräfte; deshalb finde ich deine Schlussfolgerung auf die Kräfte zwischen Atomen im Gitter schon verwirrend, wenn deine Aussage auch so gesehen nicht falsch ist. Aber es ist doch viel sinnvoller zu sagen, dass die Struktur unserer Raumzeit für diese Konsequenzen verantwortlich ist, oder nicht ?


Ja, aber die Struktur der Raumzeit hat eben die Konsequenz, dass Kraftfelder lorentzinvariant sind. Und das beinhaltet, dass jede bindende Kraft bei einem bewegten Körper kürzere Bindungslängen ergibt als bei einem ruhenden.

Vielleicht sollte ich hier also noch einen Satz drüber einschieben. Mir war wirklich nicht bewusst, dass mein Text so klingt, als sei lorentzinvarianz eine spezielle Eigenschaft der elektromagnetischen Kraft. Zumal ich ja auch explizit die Kernkräfte erwähne.

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Re: Die relativistische Zahnradbahn

Beitragvon Uli » Dienstag 8. März 2011, 15:56

Hi Joachim,

Tachyon hat geschrieben:Hi Uli,

Uli hat geschrieben:Hier kommt nun eine - für mich etwas verwirrende - Schlussfolgerung: dafür, dass die Gleichgewichtsabstände kürzer als im Ruhesystem sind, sorgt doch nun die ganz "allgemeine" Lorentz-Transformation, die gar nichts von harmonischen Oszillatoren oder sonstigen Wechselwirkungen "weiss".


Ja, aber die Lorentztransformation ist nicht Ursache der Stauchung. Ursache dafür, dass sich Objekte bei Beschleunigung stauchen, ist die bindende Kraft. Ungebundene Objekte (du hast es am Gas erläutert) bleiben gleich lang, wenn alle ihre Bestandteile beschleunigen.


Es muss eben beides zusammenkommen:
(a) eine bindende Kraft, die dazu tendiert, dass die Moleküle gewisse Gleichgewichtsabstände voneinander einnehmen
und
(b) die Lorentztransformation, die für die Verkürzung der Maßstäbe im bewegten System sorgt.

Tachyon hat geschrieben:Stell dir doch mal vor, die SRT wäre falsch und wie lebten in einer Welt, in der die Naturgesetze Galileo-Invariant sind. Auch hier würde die Anwendung der Lorentztransformation zu einer Verkürzung aller nun bewegten Objekte und zu einer Verlängerung aller nun ruhenden Objekte führen. Aber die Lorentztransformation würde die Struktur der Naturgesetze nicht erhalten. Ein Objekt würde im neuen Koordinatensystem nicht seine Ruhelänge einnehmen, sondern eine um Gamma größere Länge.


Ich sehe nicht, was dieser Vergleich mit meiner Argumentation zu tun hat: die Kombination Lorentz-Transformation und Galilei-invariante Naturgesetze ist eh suspekt.

Tachyon hat geschrieben:
Uli hat geschrieben:Ihre Vorhersagen gelten für beliebige Kräfte; deshalb finde ich deine Schlussfolgerung auf die Kräfte zwischen Atomen im Gitter schon verwirrend, wenn deine Aussage auch so gesehen nicht falsch ist. Aber es ist doch viel sinnvoller zu sagen, dass die Struktur unserer Raumzeit für diese Konsequenzen verantwortlich ist, oder nicht ?


Ja, aber die Struktur der Raumzeit hat eben die Konsequenz, dass Kraftfelder lorentzinvariant sind. Und das beinhaltet, dass jede bindende Kraft bei einem bewegten Körper kürzere Bindungslängen ergibt als bei einem ruhenden.


Das sehe ich auch so.

Tachyon hat geschrieben:Vielleicht sollte ich hier also noch einen Satz drüber einschieben. Mir war wirklich nicht bewusst, dass mein Text so klingt, als sei lorentzinvarianz eine spezielle Eigenschaft der elektromagnetischen Kraft. Zumal ich ja auch explizit die Kernkräfte erwähne.


Die Erwähnung der Kernkräfte war mir gar nicht aufgefallen; vielleicht hatte ich zu flüchtig oder eine zu alte Version gelesen.

Mir scheint, im Grunde sind wir nicht so weit auseinander; du willst auf diese Weise betonen, dass sich Kräfte in der SRT bei Wechsel des Beobachters zwangsläufig anders transformieren müssen als sie es in der nichtrelativistischen Physik denn täten.

Du siehst das anscheinend primär als eine Eigenschaft der Kräfte an, ich aber eher als eine Konsequenz der Lorentz-Transformationen, denn dass diese wiederum Lorentz-invariante Naturgesetze erfordert, um eine konsistente Theorie zu ergeben, dürfte klar sein.

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Re: Die relativistische Zahnradbahn

Beitragvon Tachyon » Donnerstag 10. März 2011, 11:32

Hi Uli,

Uli hat geschrieben:Mir scheint, im Grunde sind wir nicht so weit auseinander; du willst auf diese Weise betonen, dass sich Kräfte in der SRT bei Wechsel des Beobachters zwangsläufig anders transformieren müssen als sie es in der nichtrelativistischen Physik denn täten.


Nein, es geht hier primär nicht um Koordinatentransformation sondern um Beschleunigung. Ich möchte also darauf hinweisen, dass das Transformationverhalten von Kräften direkten Einfluss auf deren Struktur in einem Koordinatensystem hat. Aus dem Transformationsverhalten einer Kraft kann man auf ihre Eigenschaften bei hohen Geschwindigkeiten schließen.

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