Über die Euler'sche Identität

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Über die Euler'sche Identität

Beitragvon ralfkannenberg » Sonntag 10. Mai 2020, 20:49

Hallo zusammen,

eine Umfrage hat ergeben, dass die Euler'sche Identität von der überwiegenden Mehrheit der Befragten als die schönste mathematische Gleichung empfunden wird. Auch ich persönlich teile diese Ansicht, wobei mir nicht ganz klar ist, nach welchen Kriterien die "Schönheit" einer mathematischen Gleichung zu beurteilen ist. Aber intuitiv ja, da bin ich ebenfalls ganz klar einverstanden.

Euler'sche Identität:

ei*φ = cos(φ)+i*sin(φ)

Bei "e" handelt es sich um die Euler'sche Zahl und bei "i" handelt es sich um die Quadratwurzel aus (-1).

Fast noch schöner lautet die Formel im Spezialfall φ=π, also 180°:

ei*π = -1

Man beachte dabei, dass cos(π)=-1 und sin(π)=0.

Es ist erstaunlich, dass die Euler'sche Identität einen Zusammenhang zwischen den prominenten Zahlen e, π, i und -1 herstellt.


Wir werden im Verlaufe dieses Threads eine Beweisidee der Euler'schen Identität anschauen, doch zunächst einmal lohnt es sich, etwas über die Euler'sche Zahl e selber in Erfahrung zu bringen. Vor 6 Jahren habe ich ebenfalls schon im Kontext mit der Irrationalität der Euler'schen Zahl einiges dazu geschrieben, aber sechs Jahre ist schon ziemlich lange her und ich möchte deswegen diesen Thread von Grund auf neu aufbauen. Sei noch angemerkt, dass die Euler'sche Zahl nicht nur irrational, sondern sogar transzendent ist, d.h. sie ist nicht algebraisch, d.h. sie ist keine Nullstelle eine Polynoms mit rationalen Koeffizienten. Die irrationale Zahl Quadratwurzel aus 2 indes ist algebraisch, also Nullstelle eines sogar quadratischen Polynoms mit rationalen Koeffizienten, nämlich eine der beiden Nullstellen des Polynoms x²-2=0. - Auch die komplexe Einheit i ist algebraisch, also Nullstelle eines Polynoms mit rationalen Koeffizienten, nämlich eine der beiden Nullstellen des ebenfalls sogar quadratischen Polynoms x²+1=0. Die Kreiszahl π indes ist eine transzendente Zahl.

Man kann die Euler'sche Zahl e auf unterschiedliche Weise definieren und dann zeigen, dass die verschiedenen Definitionen äquivalent sind. In diesem Thread ist das nicht nötig, da wir die übliche Definition der Euler'schen Zahl verwenden:

e := 1/0! + 1/1! + 1/2! + 1/3! + 1/4! + 1/5! + ...

wobei per definitionem 0! := 1 gesetzt wird und wenn wir es später benötigen, 00 := 1 ebenfalls gesetzt wird. Zu letzterem ist anzumerken, dass das für den Grenzwert lim{x->0}(xx) gilt, d.h. Basis und Exponent müssen gleichschnell gegen 0 gehen, nicht aber für den wegen Mehrdeutigkeit gar nicht existierenden Grenzwert "lim"{x->0,y->0}(xy).

Man kann zeigen, dass gilt:
1. lim n{n in IN}(1+ (1/n) )n = e
2. wenn f(x)=f'(x) für alle x gilt, dass f(x)=ex

Es würde den Umfang dieses Threads bei weitem übersteigen, würden wir das beweisen, zumal wir diese beiden Resultate gar nicht benötigen.


So, das war nun etwas viel Kost für den Anfang.

Schaut Euch das nun mal in Ruhe an; als erstes werde ich dann zeigen, dass e so wie oben definiert existiert und nicht gegen unendlich wegdivergiert.


Freundliche Grüsse, Ralf


Bemerkung: dieser Thread wird parallel geführt, und zwar zu trigonometrische Additionstheoreme
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