Liebe Britta.
Ich greife erstmal
einen Punkt heraus -
damit es nicht zu lang wird ... monologhaft.Wachstum generell zuverurteilen, schuldig zu sprechen, für alle unsere Probleme, halte ich nicht für gerechtfertigt.
Wachstum ist vielschichtig, dies ist für vieles verantwortlich - oder kann für vieles verantwortlich sein.
Einerseits hat Wachstum zu unserem Wohlstand beigetragen -
Stichwort: Ludwig Erhard und das Wirtschaftswunder - und andererseits zerstören wir, wie Du richtiger Weise bemerktest, unsere Umwelt, unsere Basis des Lebens immer fort. Letztlich gefährden wir uns dadurch selbst.
Wachstum ist aber auch dafür verantwortlich, daß wir heute soviele Menschen sind, daß wir -
unsere Landwirtschaft - diese ernähren können. Und das ist auch das Problem, der Teufelskreislauf. Je mehr Menschen wir sind, umso stärker wird geforscht, wie wir diese versorgen können ... Wachstum wird gefordert - das ist momentan das Einzige, was verantwortlichen Leuten einfällt.
Stillstand ist Rückschritt!
sagte einst Rudolf Christian von Bennigsen-Foerder - Vorstandsvorsitzender der VEBA AG. So sehr ich auch den Aussagen der Wirtschaftsbosse mistraue, aber dies erscheint mir logisch. Da wir uns nunmal -
mit unsere Wirtschaftsordnung - darauf festgelegt haben ...
auf Wachstum, dürfen wir aber auch nicht stehenbleiben - heißt:
es wird weiter auf Wachstum gesetzt, gesetzt werden müssen.
Alexander Rüstow -
deutscher Soziologe und Wirtschaftswissenschaftler, sagte im September
1932 in Dresden auf der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik:
"Der neue Liberalismus jedenfalls, der heute vertretbar ist, und den ich mit meinen Freunden vertrete, fordert einen starken Staat, einen Staat oberhalb der Wirtschaft, oberhalb der Interessenten, da, wo er hingehört."
"Ob wenig oder mehr Staatstätigkeit – diese Frage geht am wesentlichen vorbei. Es handelt sich nicht um ein quantitatives, sondern um ein qualitatives Problem. Der Staat soll weder den Wirtschaftsprozeß zu steuern versuchen, noch die Wirtschaft sich selbst überlassen: Staatliche Planung der Formen – ja; staatliche Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses – nein. Den Unterschied von Form und Prozeß erkennen und danach handeln, das ist wesentlich. Nur so kann das Ziel erreicht werden, daß nicht eine kleine Minderheit, sondern alle Bürger über den Preismechanismus die Wirtschaft lenken können. Die einzige Wirtschaftsordnung, in der dies möglich ist, ist die des 'vollständigen Wettbewerbs'. Sie ist nur realisierbar, wenn allen Marktteilnehmern die Möglichkeit genommen wird, die Spielregeln des Marktes zu verändern. Der Staat muss deshalb durch einen entsprechenden Rechtsrahmen die Marktform – d. h. die Spielregeln, in denen gewirtschaftet wird, – vorgeben."
Letztere Satz stammte von Walter Eucken -
ein deutscher Ökonom ... zitiert aus dem Vorwort, erster Band seines Jahrbuchs ORDO. Noch ein Zitat - weil's so schön war, damit es aber nicht langweilig wird, ein kurzes:
"Das Maß der Wirtschaft ist der Mensch. Das Maß des Menschen ist sein Verhältnis zu Gott."
dies stammte ebenfalls von einem Ökonomen - von Wilhelm Röpke.
Alle drei vor genannten Personen sind
eher als geistige Väter der Sozialen Marktwirtschaft anzusehen ... weniger Ludwig Erhard, der dies später komprimiert als "Soziale Marktwirtschaft" einbrachte.
Aber alle, auch Erhard, waren Mitglieder der Freiburger Schule des Ordoliberalismus ... oder hatten zumindest eine Nähe dazu. Aber Du siehst auch daraus, daß alle auf Marktwirtschaft, Wettbewerb und letztlich auf Wachstum setzten ... niemand hat Wachstum verteufelt.
Von daher sehe ich zwar Wachstum kritisch, keine Frage, aber in gewißem Rahmen ... mit gewißen Regeln?
Wir haben uns heutzutage so weit von den Gedanken der vorgenannten Herren und der Sozialen Marktwirtschaft fortentwickelt, wie ...
Allerdings sollten wir - jeder Einzelne - unser Verhalten und unsere Wünsche hinterfragen, unser Verhalten letztlich ändern. Solange dies nicht geschieht, solange nicht jeder in seinen Anmaßungen etwas zurückfährt und sein Verhalten ändert, solange etwa auf Autobahnen immer nach der kleinsten Lücke geschielt wird, auf den kleinsten Fehler des Nachbarn gehofft wird, der dann gnadenlos ausgenutzt wird - selbstverständlich, ohne Rücksicht auf Verluste, also unter Inkaufnahme von erhöhtem Verschleiß und Energie, solange brauchen wir uns nicht um die nächste Krise sorgen ... die kommt bestimmt - sie ist schon im Anmarsch ... mit großen Schritten.
Das ist auch Wachstum - der Fortschritt!
Allerdings:
Was wäre die Alternative - zu Wachstum ... zum Kapitalismus?
Denn Kapitalismus beinhaltet ja Wachstum ... Wirtschaftunternehmen sind ja nicht zwangsläufig gemeinnützige Einrichtungen.
Als Alternative zum Kapitalismus fällt mir nur Sozialismus ein. Und ob Sozialismus - so gut er und sein Konzept sich auch anhört ... in der Theorie, ... ich frage mich nur immer wieder, ob der Sozialismus nicht zwangsläufig in einer Diktatur enden
muß?
Da aber der Mensch nunmal dummerweise lieber frei sein will - siehe Tunesien, Libyen, ect. ... den Menschen ging es ja nicht unbedingt schlecht, sie hatten nur keine Freiheit, und da der Mensch so etwas im gewißen Rahmen braucht, sehe ich im Sozialismus nicht unbedingt den Heilsbringer. Zumal diese Wirtschaftsordnung ja gescheitert ist.
Womit wir wieder beim Rahmen sind - bei Rahmenbedingungen.
Anstatt uns über gutes und schleches Wachstum zu unterhalten und wie gut oder schlecht es für uns oder unsere Wirtschaft ist, anstatt darüber zu streiten, sollten wir lieber dafür sorgen, daß Verantwortliche in die Lage versetzt werden -
auch gezwungenermaßen, etwa durch eine hohe Wahlbeteiligung, diese Rahmenbedingungen zu erlassen. Weniger die Ewiggestrigen zu stärken ... egal welcher Couleur.