ralf Maeder hat geschrieben:Das "Ich" ist beliebig austauschbar, alle Ich-bewussten Lebewesen erleben ihr Dasein aus der Ich-Perspektive.
Ich koennte den Threadtitel auch folgendermassen vervollstaendigen: Die Illusion des "Ich" besteht darin, sich fuer etwas besonderes zu halten und als einmalig anzusehen, das "Ich" ist aber universell.
Hallo Namensvetter,
da bin ich anderer Meinung: Dein "Ich" ist dadurch ausgezeichnet, dass Du handlungsfähig bist. Du kannst zwar versuchen, mich zu beeinflussen, aber Dein Ich kann letztlich nur Deinen Körper beeinflussen; Dein "Ich" ist es, das die Entscheidungen fällt, die Du fällen willst.
ralf Maeder hat geschrieben:Schwierige Fragen, die so denke ich, unorthodoxe Denkweisen erlauben und vielleicht sogar verlangen.
Ganz im Gegenteil; noch wichtiger als bei monokausalen Zusammenhängen in der Naturwissenschaft ist es bei solchen polykausalen Zusammenhängen, grosse Disziplin zu wahren und die wissenschaftliche Argumentationskette "Axiom" - "Voraussetzung" - "Theorem" - "Beweis" - "Überprüfung (Experiment)" pedantisch genau einzuhalten, den sonst kann eine solche Diskussion ins willkürliche ausarten.
Im astronews-Forum wurde einmal die Frage erörtert, was es passiert, wenn es gelänge, ein "Ich" zu kopieren, also ohne Kopierfehler. Danach hätte man zwei verschiedene "Ich", die aber über dieselben Erinnerungen verfügen.
Als religiöser Mensch habe ich allerdings den grossen Vorteil, dass sich solche Fragen für mich gar nicht stellen: der Schöpfergott hat mich - und gleichwertig alle anderen Menschen auch - gewollt, noch ehe meine Eltern mich gezeugt haben, und der Schöpfergott wird mich nach meinem Tod dann zu sich führen, wobei ich darauf vertrauen darf, dass er so barmherzig ist, dass ich diesen Weg trotz meiner Sünden beschreiten darf. Aber ja: das ist mein Glaube, und ein Glaube ist etwas, was man per definitionem nicht beweisen kann.
Und da Gott uns in Freiheit geschaffen hat, habe ich auch die Freiheit, nicht zu glauben. Hätte Gott das nicht gewollt, so hätte er nicht Menschen nach seinem Abbild geschaffen, sondern Roboter, die er so programmiert hätte, dass sie sündenfrei sind und Gott jederzeit verehrt hätten. Gottes Plan sah aber die Schöpfung des freien Menschen vor und nicht die Schaffung williger und unfreier Roboter. Gott will also von den Menschen geliebt werden und nimmt dafür in Kauf, dass diese Menschen nicht perfekt sind.
Wobei ich das sogar verstehen kann: natürlich hätte ich mir per Katalog eine Frau aus einem armen Land "bestellen" und diese ehelichen können; es ist mir aber lieber, mit einer Frau verheiratet zu sein, die mich um meiner Willen liebt und nicht, weil ich sie in einem Katalog gefunden und aus ihren ärmlichen Verhältnissen "herausgeheiratet" habe. Aber ja: meine Frau "wagt" es auch, mir zu widersprechen, wenn sie anderer Meinung ist; aber diese Freiheit, die meine Frau hat, nehme ich gerne in Kauf, da ich dafür um meiner selbst willen geliebt bin. - Ich denke, mit Gott ist das gar nicht so viel anders, nur dass Gottes Liebe, Geduld und Barmherzigkeit eben noch unermesslich höher ist als meine.
Freundliche Grüsse, Ralf