Hallo M.S.
Worüber reden wir eigentlich? Konflikt (meist unter Jugendlichen oder Kollegen), Mobbing ... Cybermobbing!
Worin bitteschön besteht denn der Unterschied zwischen einem Konflikt, dem "normalen" Mobbing - was es ja in abgewandelter Form schon immer gab, hast schon Recht - und dem Cyber-Mobbing - wie Du es immer wieder mantramäßig betonst?
Deffinition Konflikt, klar?
Dr. Heinz Leymann - Diplompsychologe und Mobbingforscher an der Universität Umeå/Schweden - beschreibt es dahingehend, daß der grundlegende Unterschied zwischen einem Konflikt und Mobbing ist, daß ein Konflikt meist unter etwa Gleichstarken ausgetragen wird. Wohingehend bei Mobbing die betroffene Person deutlich unterlegen ist.
Da sich bei Mobbing dieser psychische Druck mit der Zeit auswachsen kann ... und wird - weil das Mobben ja ständig ausgeübt wird und so lange Zeit anhält, ergeben sich darausfolgend sehr viele Erkrankungen. Deshalb auch die Einschätzung, daß psychische Störungen die Folge von Mobbing sind - keine Vorausetzung dessen. Wobei sich dies in einer Spirale ausarbeitet, die sich insich verstärkt, zuspitzt - die Spitze ist dann eine Depression, die sich eventuell in einem Suizid oder dessen Gedanken darüber abzeichnet.
Cybermobbing ist weitgehend die modernere Form eines Konfliktes, der sich zum Mobbing ausarten kann ... meist auch wird - letztlich nur mit anderen Mitteln und unter anderen Umständen.
Es ist ein Unterschied zwischen Mobbing unter Jugendlichen und Mobbing unter Erwachsenen, klar, daß es aber Cyber-Mobbing unter Erwachsenen nicht gibt, bzw. diese damit umgehen können oder sie erst garnicht in diese Situationen kommen (können) - aufgrund innerer Stärke, ... das ist mir zu billig und sehr vereinfacht.
Was aber beiden Arten gemein ist, daß Mobbing immer bestimmten Regeln folgt:
aus ungleichen Machtverhältnissen resultiert ein gleiches Verhaltensmuster, die selben negativen Handlungen
Die Handlungsweisen sind systematisch, das heißt: sie wiederholen sich beständig.
Zuerst wird jemand fortgesetzt geärgert, schikaniert - er wird in passiver Form als Kontaktverweigerung mehrheitlich gemieden oder in sonstiger Weise in seiner Würde verletzt. Infolge der ungleichen Machtverteilung - Täter hat dies geplant, hat andere Voraussetzungen (s.o.) - hat das Opfer zunehmend Schwierigkeiten, sich zu verteidigen - die Beteiligten haben also unterschiedliche Einflußmöglichkeiten auf die jeweilige Situation. Der Unterschied kann alleine schon durch die bloße Anzahl beteiligter Täter bedingt sein: Viele Personen gegen eine Person.
Mobbing bezieht sich daher auf ein Verhaltensmuster - nicht auf eine einzelne Handlung.
Nimm doch mal das Beispiel oder das Vorkommnis, welches Ralf anbrachte. Schon alleine dies kann schlimm genug sein.
Nun stell Dir aber bitte vor, dies würde jemandem geschehen, der - sagen wir mal - 20 Jahre in einer Firma tätig war, sich nie etwas zu schulden hat kommen lassen und nie etwas derartiges ahnte - und nun bekommt derjenige die Kündigung. Wer denkt denn dann bei Kritik an seiner Arbeit seitens der Arbeitskollegen direkt an Mobbing?
Daß Kollegen etwas früher wahrgenommen haben, zwecks Insolvenz und wegen der Angst der Kollegen um ihren Arbeitsplatz, reagieren sie anders ... eventuell schneller, aggressiver.
Erstmal muß er dies verarbeiten - er ging ja davon aus, daß sein Arbeitsplatz, weil sein Argeitgeber ja relativ sozial eingestellt ist, daß er einen sicheren und dauerhaften Arbeitsplatz inne hatte. Die Verarbeitung gelingt ihm noch so halbwegs - nach einiger Zeit. Nach etlichen Bewerbungen und darauffolgend einigen Absagen - auf Nachfrage: Warum? - bekommt er die Antwort: Unqualifiziert! Daß er, vielleicht auch aufgrund seines Alters, dann erstmal in ein tiefes schwarzes Loch fällt, das kannst Du doch noch vorstellen, oder?
Diese Situation zieht dann eventuell noch eine private Krise nach sich - Haus muß abbezahlt werden, vielleicht kann die Frau nicht arbeiten, etc. Letztlich ist er auch nicht sehr gut im Bekanntenkreis angesehen - aufgrund der prekären Situation zieht er sich immer mehr zurück. Getuschel!
Cyber-Mobbing kann sowohl zwischen Gleichaltrigen - Freunden und Mitschülern - als auch zwischen unterschiedlichen Generationen - Schülern und Lehrern - stattfinden.
Darüberhinaus - Ralf hat es ja schon angedeutet, bei Cyber-Mobbing schaut unter Umständen die ganze (virtuelle) Welt mit. Da sich der Cyber-Täter (auch Cyber-Bully genannt) eine eigene Identität aufbauen kann, er sich seinem Opfer nicht direkt zeigt, sondern letztlich anonym agiert - was ihm eine (wenn auch vielleicht trügerische) Sicherheit und oftmals eine zähe Ausdauer verleiht, kann diese perverse Form von Mobbing einem Opfer zusätzlich Angst machen und es verunsichern - es weiß ja nicht, wer es belästigt. Aber altersabhängig?
Es ist zwar verständlich, daß jemand, der davon - (Cyber-) Mobbing und/oder Depressionen - nicht
direkt betroffen ist, daß er dies erstmal verdrängt, daß er sich dies für seine Verhältnisse kaum oder garnicht vorstellen kann - weil so weit weg, daß ist nachvollziehbar. Ich geh ja in der Regel auch erst zum Arzt, wenn's richtig weh tut.
Nebenbei:
Es gibt eine etwas ältere Studie, geschrieben von Bärbel Meschkutat, Martina Stackelbeck, Georg Langenhoff von der Sozialforschungsstelle Dortmund - Forschungsbereich: Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt. Darin ist dies nach Soziodemographie gestaffelt, unterteilt. (die meisten und umfangreichsten Untersuchungen zu diesem Thema kommen aus dem skandinavischen Raum, da dies hierzulande erst spät als Krankheit (an)erkannt wurde ... dies überhaupt erst bewußt wahrgenommen wurde.
In der Ethologie wurde der Begriff "Mobbing" erstmals 1963 von Konrad Zacharias Lorenz - österreichischer Zoologe und Verhaltensforschung - benutzt, geprägt.)
Von Dieter Zapf - deutscher Psychologe und Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main. gibt es eine, ebenfalls älteren Artikel - beide empfehle ich Dir.