Hallo
Kurt,
Deine Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten:
mich würde interessieren wie du "Unendlich", das du ja wohl in Mathematik als "normal" anschaust, auf die Realwelt bezogen händeln willst.
Ob du davon ausgehst, dass das was in Mathe möglich ist auch in Realo so ist.
Zum ersten: "Unendlich" schaue ich nicht als normal an, sondern "Unendlich" ist - aus gutem Grunde - nicht definiert.
Nun müssen wir vorgängig unterscheiden, was denn überhaupt unendlich sein soll: eine "Zahl", also beispielsweise eine Grösse, die vom Absolutbetrag her grösser als jede natürliche Zahl ist ? Oder der Umfang einer Menge ?
Als "Zahl" und auch als "Vektor" liefert unendlich Widersprüche, da man bei Zahlen und Vektoren wenigstens sinnvoll addieren und subtrahieren möchte. Und unendlich kann man nicht subtrahieren, da sonst beispielsweise aus der Gleichung oo+2 = oo+3 folgen würde, dass 2=3 sei.
Bei Mengen indes ist das anders; so liefern uns die Peano-Axiome die natürlichen Zahlen und die haben bekanntlich "mehr" als nur endlich viele Elemente. Denn hätten sie nur endlich viele Elemente, so könnte man diese anordnen und das grösste von ihnen bestimmen, nennen wir es der Einfachheit halber N. Aufgrund der Peano-Axiome git es dann aber auch ein Element N+1, welches grösser wäre, im Widerspruch zur Annahme, dass es eine grösste natürliche Zahl gäbe. Die von den Peano-Axiomen induzierte Unendlichkeit nennt man übrigens auch "abzählbar unendlich", das kommt daher, dass man solche Mengen bijektiv auf die natürlichen Zahlen abbilden kann und man jeder natürlichen Zahl eine Nummer geben kann.
Wir haben hier übrigens eine zunächst paradox anmutende Situation:
jede natürliche Zahl ist endlich, aber es gibt unendlich viele von diesen natürlichen Zahlen nur endlichen Absolutbetrages.
Man kann aber auch die Axiome der Geometrie bemühen und beispielsweise Geraden betrachten. Man kann zeigen, dass es keine Bijektion der Punkte einer Geraden in die natürlichen Zahlen gibt (Cantor'scher Diagonalbeweis), deswegen nennt man die Menge der Punkte einer Geraden ("Kontinuum"), die man isomorph zur Zahlengeraden mit der Menge der reellen Zahlen identifizieren kann, überabzählbar unendlich gross.
Also kurz zusammengefasst:
- unendlich grosse Zahlen: nein, da wir widerspruchsfrei addieren und subtrahieren wollen
- unendlich grosse Mengen: ja, das wird über den Mächtigkeitsbegriff, d.h. über Bijektionen gemacht
Nun möchtest Du einen Bezug in die reale Welt haben. Tatsächlich geht man davon aus, dass unser Universum "nur" endlich viele Teilchen hat - zwar eine riesig grosse Zahl, aber nur endlich viele davon. Somit stellt sich die Frage, ob man grössere Zahlen denn überhaupt benötigt. In diesem Kontext sei auch noch die IEEE 754 genannt, die sich auf eine Mathematik mit nur endlich grossen Speicherplätzen bezieht. Dabei kann es natürlich zu Overflow- und Underflow-Situationen kommen und in zahlreichen Fällen kann man diese "abfangen" und dennoch halbwegs sinnvoll weiterrechnen, solange man nicht in einer aussagefreien naN-Situation landet.
Zurück zu Deiner Frage: die Mathematik wird einfacher, wenn man auch unendlich grosse Mengen zulässt und lieber innerhalb dieses allgemeinen Rahmens zusätzliche Randbedingungen definiert, anhand derer dann berücksichtigt werden kann, dass unser Universum eben kein Kontiuum ist, und wenn man in atomare Massstäbe kommt, dann sind die Funktionen allesamt auch nicht mehr stetig, wobei man sie durch lineare Interpolation stetig machen kann, allerdings sind sie dann nicht mehr ableitbar. Wobei man das mit einer Spline-Interpolation sogar hinkriegen kann, dass solche Funktionen immerhin zweimal ableitbar sind.
Zu Deiner konkreten Frage: in der Praxis dürfte es der richtige Weg sein, die Mathematik mit ihren unendlich grossen Mengen zu studieren und dann im konkrteen Anwendungsfall die Randbedingungen konkret ausrechnen.
Beantwortet das wenigstens halbwegs Deine Frage ?
Freundliche Grüsse, Ralf