Ist der Atheismus auch ein Glaube?

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Ist der Atheismus auch ein Glaube?

Beitragvon Xedion » Sonntag 28. November 2010, 13:15

In fast allen Diskussionen zwischen Atheisten und "Gläubigen" kommt irgendwann der Punkt, wo einem Atheisten unterstellt wird, er würde auch irgendwie glauben (nämlich daran, dass es keinen Gott gibt). Demnach wäre der Atheismus auch ein Glaube.

Atheisten lehnen das gerne ab und berufen sich darauf, dass sie "wissen" und nur der Wissenschaft folgen. Nichtglaube sei kein Glaube.

Was denkt Ihr, kann der Atheismus auch als Glaube bezeichnet werden? Und sind Atheisten generell rationaler? Bevor ich meinen Kommentar dazu abgebe würde ich gern hören, was andere so darüber denken :)
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Re: Ist der Atheismus auch ein Glaube?

Beitragvon Elfer » Sonntag 28. November 2010, 14:47

Ich glaube (:-)) nicht, dass Atheisten grundsätzlich rationaler sind, nur weil sie nicht an einen Gott glauben.

Man könnte meinen, dass sie ohne Glauben sind. Allerdings glauben viele ebenso bedingungslos an ihre "Lehre" von der Gottlosigkeit. In ihrem "Glauben" sind sie sicherlich ebenso auf ihre Kernaussage fixiert, wie die Gottgläubigen.

In der Betrachtung der Philosophen, denen auch die Atheisten anhängen, findet sich viel Glaube in der Betrachtung von Mensch und Gesellschaft.

Definiert man Glauben als "etwas für wahr halten", kann sich wohl kaum jemand davon frei sprechen.
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Re: Ist der Atheismus auch ein Glaube?

Beitragvon elfenpfad » Sonntag 28. November 2010, 15:13

Ich finde dieses Zitat von Goethe sehr aussagekräftig zm Thema ;)


"Daher denn auch der Mathematiker seine Formelsprache so hoch steigert, uns, insofern es möglich, in der meßbaren und zählbaren Welt die unmeßbare mitzubegreifen.
Nun erscheint ihm alles greifbar, faßlich und mechanisch,
und er kommt in den Verdacht eines heimlichen Atheismus, indem er ja das Unmeßbarste, welches wir Gott nennen, zugleich mitzuerfassen glaubt und daher dessen besonderes oder vorzügliches Dasein aufzugeben scheint."

- Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen1286
"Nur das Denken, das wir leben, hat einen Wert.
Hermann Hesse, Demian, Gesammelte Werke Bd. 5"
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Re: Ist der Atheismus auch ein Glaube?

Beitragvon Xedion » Montag 29. November 2010, 00:16

Ich sehe ähnlich wie Elfer, um das gleich vorweg zu nehmen :)
In meinen Augen sieht es so aus:

Gerade auch in Internetforen liest man ja immer wieder, dass Atheisten von sich selbst behaupten nicht zu glauben. Ich halte das für unüberlegt. Der Atheismus selbst ist ja als der Nichtglaube an eine Gottheit definiert. Das war es aber auch schon. Ein Atheist kann genauso an Geister, ein Leben nach dem Tod oder was auch immer glauben. Ein großer Teil lehnt jedoch auch solche Dinge ab - aus einer ähnlichen Argumentation heraus.
Mit so einem "Nichtglauben" sind aber oftmals viele weitere Glaubenskonstrukte verbunden, die auf den ersten Blick nicht so offensichtlich sind.

Ein Beispiel:
Person 1 hat eine Gotteserfahrung, die sie davon überzeugt, dass es einen Gott gibt. Person 2 ist Atheist. Person 2 muss eine solche Erfahrung als falsch ablehnen - würde sie diese Erfahrung für wahr halten, wäre sie kein Atheist mehr. Hier ist der Übergang zwischen "ich glaube nicht, dass diese Erfahrung mit Gott zu tun hat" und "ich glaube, dass diese Erfahrung nicht mit Gott zu tun hat" fließend. Um also "nicht glauben" zu können, muss man gewisse Dinge "glauben" - gewisse Annahmen treffen.

Besonders offensichtlich wird dies dann, wenn ein Gläubiger als naiv oder dumm dargestellt wird, weil er an einen Gott (oder Seele, oder was auch immer) glaubt. Denn so eine Behauptung geht sogar noch einen Schritt weiter. Dies entspricht dann eindeutig dem "ich glaube, dass diese Erfahrung Unsinn ist". Die Beweislast liegt hier ganz klar beim Atheisten.

In meinen Augen ist der Atheismus daher kein Glaube, seine Anhänger machen ihn jedoch oftmals dazu. Irgendwie wäre das Thema damit ja schon zu Ende...man müsste mal ein paar kritische Stimmen dazu finden ;)
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Re: Ist der Atheismus auch ein Glaube?

Beitragvon Daak » Sonntag 30. Oktober 2011, 18:09

Absolut, Atheismus als ein weiterer Glaube, als eine Gegenthese zu jeglicher Form von Theismus ist ein viel zu weitverbreiteter Irrglaube.

(Religiöser) Glaube muß zwangsläufig ein sich zuwenden an nichtstoffliches, und ultimativ unbeweisbares, sein, "erfahrbar" einzig für den Glaubenden, durch Wahrnehmungs-Surrogate wie Hoffnung und rel. Erfahrung.

Die übereingekommen reale Welt, die für alle Menschen gleichermaßen wahrnehmbar ist, stofflich, beweisbar, benötigt keinen Glauben an sie, sie bildet vielmehr den "Status quo", die Blaupause, von der jegliche Glaubenswelt nur ein bloßes Derivat bleiben muß.
Ein Glaube an eine Welt sans jeglicher religiöser Glaubensvorstellung ist tatsächlich eine Gewissheit, die einem Theismus diametral gegenübersteht.

Zumal ein kürzerer Ansatz, das Atheismus schon alleine deshalb kein Glaube sein kann, da es sich nicht nur wie oben beschrieben um den übereingekommenen Ist-Zustand handelt, sondern darüberhinaus eine bloße Ablehnung eines Glaubens, der seinerseits vielleicht eine Haltung ist, aber sicher kein Glaube sein kann.
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