Schulnoten - sind sie nötig? Andere Schulmodelle

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Schulnoten - sind sie nötig? Andere Schulmodelle

Beitragvon elfenpfad » Dienstag 25. Januar 2011, 18:04


Muss es in der Schule Noten geben?

Noten gehören zur Schule wie der Tüv-Bericht zum Auto - muss das so sein?
Ja, meint Josef Kraus, Präsident des Lehrerverbandes: Ohne Noten sei Leistung nicht messbar.
Nein, meint Lehrerin und Buchautorin Sabine Czerny: Noten machten blind gegenüber den individuellen Fähigkeiten der Schüler.

http://www.spiegel.de/schulspiegel/wiss ... 75,00.html


Wie ist Eure Meinung dazu? Und wie habt Ihr es erlebt in der Schule, oder erlebt es noch diesbezüglich ? ;)
Gibt man sich mehr Mühe, wenn benotet wird, oder kann nicht die Angst davor eher kontraproduktiv wirken ??
Welche Alternative könnt Ihr Euch vorstellen ?


Ich erinnere mich noch an meine Grundschulzeit, da bekam ich von meinem Vater jeweils 1 DM für ne Eins, und 50 Pfennig für ne zwei. Ohne Noten wäre mein Sparschwein also bissl leerer gewesen :mrgreen:
Zuletzt geändert von elfenpfad am Donnerstag 3. Februar 2011, 00:41, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Schulnoten - muss das wirklich sein ?

Beitragvon Elfer » Dienstag 25. Januar 2011, 20:26

Ich kenne es wie alle auch, aus eigener Erfahrung. Ich kenne es aber auch aus der Schulzeit meiner Kids.

Zunächst einmal die Frage, ob es im Lehr- und Berufs-Leben gänzlich ohne Bewertung gehen kann?
Dann natürlich die Frage, wie könnte eine alternative Bewertung ausfallen. In welcher Phase des Lernens ist welche Beurteilung angemessen?

Grundschule, weiterführende Schule(n), Ausbildung und Studium.

Ich bekomme regelmäßig eine schriftliche Beurteilung von meinem Chef. Sie besteht aus formulierten Bausteinen, die sich letztendlich in einer Art Note wiederspiegeln. Ich bin da der Meinung, kann man alles auf eine Note reduzieren und den Rest in einem Gepräch (das eh geführt werden muss) darlegen.

Grundsätzlich bin ich für eine Kombination zwischen Noten und schriftlichen Beurteilungen. Noten sind eine für alle gleichermaßen nachvollziehbare Größe. Wie gerne schriftliche Beurteilungen mißverstanden werden, zeigt sich in der Schule, wo sie ja grundsätzlich pädagogisch positiv verfasst sein müssen.

Bei meinen Kids kam die Diskussion auf, dass es ausreichend ist, wenn man im 2. Halbjahr der 4. Klasse Noten einführt und bis dahin lediglich beurteilt. Für mich hatte das immer was von Kulturschock vor einem Schulwechsel. Daher bin ich ein Freund davon, dass sich Beurteilung und Noten hin zum Übergewicht der Noten in den ersten drei Jahren entwickeln müssen. Damit hat der Schüler ein Jahr Zeit, sich an dem harten Notenwert zu orientieren.

Ich bin aber auch ein grundsätzlicher Befürworter von Kopfnoten, die in der heutigen Gesellschaft mehr denn je notwendig sind. Es bleiben die Ausgestaltung und die Konsequenzen der Kopfnoten.
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Re: Schulnoten - muss das wirklich sein ?

Beitragvon elfenpfad » Mittwoch 26. Januar 2011, 17:04

@Elfer

Danke für Dein Statement ! Klingt ganz vernünftig und ich kann mich einigen Punkten durchaus anschliessen.

Was mich sehr interessieren würde ist, wie KInder zu Noten stehen. Ich bin auf der Suche nach Statistiken oder Umfragen.

Wichtig finde ich auch den Punkt der vorurteilsbehafteten Benotung, die es ja durchaus auch gibt.
Ein diskussionswürdiges Thema dabei ist auch die Benotung bei Aufsätzen.

Ich werde zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr dazu schreiben
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Re: Schulnoten - muss das wirklich sein ?

Beitragvon Elfer » Mittwoch 26. Januar 2011, 18:21

Es gibt sicherlich Arbeiten, die eher für eine Beurteilung geignet sind, als für "harte" Noten.

Ich bin mir nicht sicher, was Kinder da denken oder wollen. Ist auch viel Nachgeplapper. So habe ich es zumindest während der Schulzeit der Kids erlebt.

Ich weiß, dass Kinder Noten verfluchen :evil: wenn sie nicht gut genug sind. :D

Ich glaube, dass Noten Kindern eine Orientierung und Sicherheit geben können, vielleicht sogar Anreiz. Mehr als wohlgeformte Sätze, die sie eh nicht wirklich verstehen, weil sie nicht so verbogen sind, dass sie zwischen den Zeilen lesen können.

Anders ist es, wenn Kindern nicht mit Noten aufwachsen. Es fällt ihnen immer schwerer, je älter sie werden. Ich habe es in der Oberstufe erlebt, als zwei "Walldörfler" zu uns kamen. Darum finde ich es schon schlecht, erst kurz vor dem Schulwechsel in der Grundschule Noten einzuführen, wo die Kinder kaum noch eine Gewöhnungsmöglichkeit haben.

Sie wollen den Druck von den KIndern nehmen, erhöhen ihn aber ungleich vor dem Schulwechsel.

Wichtiger finde ich da eine Benotungs- und Beurteilungskonzeot, das genug Platz für beides hat. Man kann sinnvoll benoten und beurteilen, wo es notwendig und angebracht ist.

Ich habe es immer so empfunden, dass Lehrer und Eltern sich einen Wettlauf um (entscheidungs-)Kompetenz geliefert haben, wobei die Kinder ganz aus dem Fokus gerückt sind. Wenn ich überlege, welche Scheiße in der Zeit thematisiert worden ist.

Wir haben unsere Kinder machen lassen. Wir haben nur zugesehen, dass die Dinge nicht völlig aus dem Ruder laufen. So konnten wir eine hoffentlich angemessene Schulentscheidung nach der Grundschule treffen. Wir hatten uns für die Realschule entschieden, weil sie aus unserer Sicht die richtige Mischung aus Selbständigkeit und Anleitung bot.
Das Gymnasium schied wegen der hohen Eigenverantwortung und einer "angebohrenen" Oberflächlichkeit und Faulheit aus. Die Gesamtschule bietet derzeit noch zu großes Konfliktpotential (ich weiß, wovon ich rede :mrgreen: ).

Nun hatten wir natürlich unsere Probleme mit der Schule. Es ging auf, es ging ab. Die letzten 1-2 Jahre vollzog sich aber bei beiden eine Wandlung. Es war, als hätten sie irgenwann Ergeiz und Eigenverantwortung gefrühstückt. Der Rest war ein Selbstläufer. Sie haben nach dem Abschluß, der sich bei beiden sehen lassen konnte, noch einmal Schule nachgelegt und das Fachabi gemacht. Beide haben dort im ersten Jahr ihre Erfahrungen im Berufsleben sammeln können und beide haben das Fachabi mit guten Ergebnissen absolviert. wir mussten aber nicht dahinter stehen, es war allein ihr Antrieb.

Meine Älteste hat eine in allen Belangen sehr anspruchsvolle Ausbildung mit einem fast sehr gutem Ergebnis absolviert und die Jüngste in der Ausbildung und liebäugelt mit einer dualen Ausbildung. Es läuft von allein und darauf kommt es an.

Was ich damit verdeutlichen will. Es kommt erst einmal nicht auf den Abschluß an. Es kommt vor allem auf den Weg an, denn der ebnet immer auch die Zukunft. Mir ist da ein offener, zielstrebiger und selbstbwußter Hauptschüler lieber, als ein orientierungsloser Abiturient.
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Re: Schulnoten - muss das wirklich sein ?

Beitragvon Der Neandertaler » Mittwoch 26. Januar 2011, 21:02

Hallo Elfenpfad.
Dies, was Du beschreibst:
Geld gegen Leistung!
kenn' ich aus meiner Jugend auch, ist auch ein Spiegelbild unserer (Wirtschafts-) Welt. Ob allerdings dadurch eher ein Ansporn zu mehr Leistung, also nachhaltiger Leistung gegeben war? Eher kurzfristiger ... weil man das Taschengeld aufbessern wollte.
Meine Frau und ich hielten dies nicht für gut. So haben wir versucht zu überzeugen - soweit das bei sechs oder sieben-jährigen möglich ist?
Soweit mir bekannt, gibt es in Potsdam eine Montessori-Schule - eine staatliche Schule. Dort werden in den Klassen Eins bis Acht keine Noten vergeben. In den darauffolgendenen Klassen fügt man sich dann der Tatsache, daß Noten das vorherrschende Bewertungssystem in Deutschland sind.
    Der Siegener Erziehungswissenschaftler Hans Brügelmann spricht von einer "Fremdsteuerung" durch Noten.
Trotzdem meint Ulrike Kegler - Direktorin der Schule:
    "Schüler brauchen eine eindeutige Rückmeldung über ihre Leistungen"
Allerdings sind ihrer Meinung nach Ziffernnoten aber völlig ungeeignet.
Weiter meint sie, daß Zensuren sogar richtig schädlich sind, dies sei ein primitives Rangordnungssystem, welches den Anreiz zu lernen zerstöre, daß dadurch letztendlich Potentiale kaputt gemacht werden. Sie sagt:
    "Das lenkt vom Lernen ab"
Dies klingt für unsere Ohren seltsam, ist nach nach unseren Erfahrungen aus unserer Jugend erstmal schlecht vorstellbar. Daß also die Schüler dieser Montessori-Schule zum Ende eines jeden Schulhalbjahres eine verbale Beurteilung erhalten, wo die Schüler fachlich stehen und wie sie sich sozial entwickelt haben. Noch seltsamer ist, daß in Kasse Sieben und Acht eine Selbsteinschätzung des Schülers Eingang in das Schreiben findet.
Frau Kegler sagt:
    "Wie in einem Betrieb muß man seine Ziele kennen."
In normalen Schulen wisse meistens nur der Lehrer, was das Kind lernen solle.

Nun soll dies kein Plädoyer für diese Schulform sein - auch ich bin kein Freund dieser Schulform -, allerdings gibt das Vorgehen der Schule, also weitgehend ohne Noten, doch zu denken ... besonders, wenn man sich die Frage stellt:
    "Was ist die Ursache für Suizid unter Jugendlichen?"

Laut einer Studie der Universitäts- und Poliklinik für Kinder und Jugendliche an der Universität Leipzig, sind Ursachen für Suizid unter Jugendlichen recht oft Versagensängste sowie Überforderung in Zusammenhang mit der Schule.
Herauszufinden, ob dies oder der herkömmliche Weg der bessere Weg ist, würde ein nochmaliges Herumdoktern ohne Gewissheit des Ausgangs sein - es sei denn, Politik hört endlich mal auf Fachleute, auf Kinder- und Sozialpsychologen. Ich finde, daß bei aller Diskussion über das Richtige wird weitgehend das Wohl unserer Kinder vergessen. Ich glaube schon, daß ein Lernen ohne Noten, aber mit Überzeugung, der bessere Weg ist. Denn Überzeugung kann ich nur interessant bewerkstelligen, dies wirkt also nachhaltiger.
Elfi, ich habe noch etwas, na ja: Studie ist übertrieben, aber ein Link. Interessant ist in erster Linie das blau Geschriebene.
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Re: Schulnoten - muss das wirklich sein ?

Beitragvon elfenpfad » Samstag 29. Januar 2011, 15:07

@DerNeandertaler

Erst einmal auch Dir danke für Deine ausführliche und auch interessante Stellungsnahme !

DerNeandertaler hat geschrieben
Hallo Elfenpfad.
Dies, was Du beschreibst:
Geld gegen Leistung!
kenn' ich aus meiner Jugend auch, ist auch ein Spiegelbild unserer (Wirtschafts-) Welt. Ob allerdings dadurch eher ein Ansporn zu mehr Leistung, also nachhaltiger Leistung gegeben war? Eher kurzfristiger ... weil man das Taschengeld aufbessern wollte.

Wenn ich mich so zurückerinnere, habe ich immer nur in einigen Fächern "sparschweinmässig" davon profitiert, die mich interessierten und die meine Stärken darstellten. Aber auch ohne diese Taschengeldaufbesserung hab ich in diesen Fächern gern mitgemacht. In allen anderen Fächern begnügte ich mich selber mit einem ausreichend, da half auch kein Wink mit dem Portemonnaie. :D
Wichtiger war mir sowieso, dass sich mein Vater in diesen Momenten für meine Person, für sein Kind, interessierte, sich also Zeit nahm speziell für mich.
Das ist in meinen Augen das allerwichtigste daran: dass sich Eltern echt interessieren für die schulischen Belange: sowohl für die Stärken - und eigentlich vor allem auch für die Schwächen eines Kindes. ( Abgesehen von allen anderen Faktoren, die ein Schulbesuch so mit sich bringt. )
Nur loben und Kritik üben an schulischer Leistung ist für ein Kind nicht zufriedenstellend, und bringt es nicht weiter. Es muss unterstützt werden, Hilfeleistung angeboten werden: der Dialog mit dem Kind ist wichtig.
Und ganz wichtig: dass man vermittelt, dass man sein Kind liebt und annimmt, mit all seinen Schwächen auch. Dass gute Leistungen in der Schule nicht das Wichtigste im Leben sind, um glücklich zu werden und ein wertvolles Mitglied in der Gesellschaft darzustellen.

Dies alles muss man für diese Deine Aussage im Auge behalten:

"Was ist die Ursache für Suizid unter Jugendlichen?"

Laut einer Studie der Universitäts- und Poliklinik für Kinder und Jugendliche an der Universität Leipzig, sind Ursachen für Suizid unter Jugendlichen recht oft Versagensängste sowie Überforderung in Zusammenhang mit der Schule.

Es sind ja vor allem die Teenager, die einem enormen Leistungsdruck unterworfen sind. Und dies in einem Lebensabschnitt, der sowieso schon sehr schwierig ist für Heranwachsende. Die Suche nach der eigenen Identität, die Pubertät mit all seinen hormonell bedingten Stimmungsschwankungen und dergleichen, sind ja schon eine riesige Herausforderung für die Kids.
Wenn sie dann mit diesem ganzen "Dilemma" allein gelassen werden, evtl. auch noch Probleme mit Schulkameraden haben, und noch zusätzlich diesem Leistungsdruck der heutigen Gesellschaft unterworfen sind, finden deshalb vor allem sensible Kinder keinen Weg aus dieser für sie schier unüberwindlichen Situation heraus.
Mir ist auch immer wieder sauer aufgestossen, und tut es noch, wenn ich mitbekomme, wie unsensibel oft die Lerhreschaft mit dieser ganzen Thematik umgeht. Manchmal würde ja schon eine kollegiale Absprechung untereinander bezüglich der anfallenden und geplanten Proben/Prüfungen einiges an Druck wegnehmen. Ich hab mitbekommen, dass Jugendliche am Gymnasium manchmal drei Prüfungen an einem Tag absolvieren müssen/mussten, in den verschiedensten Fächern. Und das in schönster Regelmässigkeit.
Vielleicht sollte man die entsprechende Lehrerschaft auch mal zu so einem Lernmarathon verdonnern :ugeek:
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Re: Schulnoten - muss das wirklich sein ?

Beitragvon Der Neandertaler » Samstag 29. Januar 2011, 17:27

elfenpfad hat geschrieben:Es sind ja vor allem die Teenager, die ....
... sich dem enorme Leistungsdruck bewußt werden und diesen artikulieren. Aber schon Kleinst-Kinder - im Kindergartenalter - werden überfordert.
Der Schweizer Kinderarzt Remo H. Largo meint zu diesem Thema:
    "Terminkalender von Vierjährigen, die zum Babyschwimmen, ins Frühenglisch oder zur Selbstverteidigung geschickt werden, gleichen oft denen von Managern, weil Mütter um diese Defizite zu wissen meinen."
Wenn also schon Kleinst-Kinder sich mit Vokabeln einer Fremdsprachen herumärgern müssen - statt im Wald zu spielen, weiterhin ein volles Programm haben:
    Flötenunterricht, Geburtstagsfeier, Fußballtraining, Mathe-Hausaufgaben, etc.,
    das ist Streß!
    "Freizeitstress und zu viel Angebot ohne Ruhepausen überfordern die Kinder und lösen Streß-Symptome aus"
    sagt Diplom-Psychologin Heike Oberlack-Nieß aus Bergisch-Gladbach.
Auch Überforderung in der Schule, Streit mit Klassenkameraden und Konflikte innerhalb der Familie machen Kindern zu schaffen.
Wobei nichts gegen das frühzeitiges Lernen einer Fremdsprache gesagt werden soll ... wenn's ohne Druck geschieht!
    meine drei Mädels sind alle zweisprachig aufgewachsen, wie Du weißt. Geschadet hat's nicht.
Meines Wissens gibt es in Köln einen Kindergarten, in welchem sich Kinder jeden Morgen als Bergrüßung einer anderen Ansprache bemächtigen.
Kleinkinder können sich noch nicht derart verbal über Streß auslassen, deshalb äußern sie sich körperlich. Wenn sie älter werden, brechen sie letztlich zusammen - wie Du schon sagst:
Elfenpfad hat geschrieben:Und dies in einem Lebensabschnitt, der sowieso schon sehr schwierig ist für Heranwachsende. Die Suche nach der eigenen Identität, die Pubertät mit all seinen hormonell bedingten Stimmungsschwankungen und dergleichen, sind ja schon eine riesige Herausforderung für die Kids.
Dazu bemerkte der Neurobiologe Gerald Hüther - Professor für Neurobiologie an der Psychiatrischen Klinik der Universität Göttingen - über die Folgen von Druck in der Bildung:
    "Es ist kein Naturgesetz, daß Kinder die Lust am Lernen verlieren!"
Und weiter führt er aus:
    "Aus der Perspektive des Kindes - und das ist die einzige, die in diesem Zusammenhang zählt - gibt es nur Aufgaben, die es sich selbst sucht. Wenn Eltern oder Erzieher zu wissen glauben, was das Beste für das Kind ist, sind das lediglich Pflichten, die das Kind nicht für sich, sondern für seine Eltern erfüllt. "
Wobei es eine falsche Vorstellung davon ist, was Kinder im Vorschulalter an Erfahrungen machen sollten.
Elfenpfad hat geschrieben:Mir ist auch immer wieder sauer aufgestossen, und tut es noch, wenn ich mitbekomme, wie unsensibel oft die Lerhreschaft mit dieser ganzen Thematik umgeht.
Wobei man dem Lehrkörper ansich, den geringsten Vorwurf machen kann.
Es ist vielmehr ein versagen von Politik, indem sie Lehrpläne aufstellt, meint, recht früh zu wissen, wohin der Weg dieses Kindes führt. Und alles aus Angst, Angst versagt zu haben. Versagen ist vorhanden, Richtig! Aber in anderer Hinsicht:
Aus der Pisa-Studie kann man ablesen, welch großen Unterschied es macht, ob ein Kind in einer bildungsnahen oder -fernen Familie aufwächst. Viel mehr nicht!
Frontalunterricht, wie wir ihn noch kennen, sollte der Vergangenheit angehören, denn es wird zu viel auswendig gelernt, abgeprüft und dann gleich wieder vergessen.
Elfenpfad hat geschrieben:Wichtiger war mir sowieso, dass sich mein Vater in diesen Momenten für meine Person, für sein Kind, interessierte, sich also Zeit nahm speziell für mich.
Das ist in meinen Augen das allerwichtigste daran: dass sich Eltern echt interessieren für die schulischen Belange: sowohl für die Stärken - und eigentlich vor allem auch für die Schwächen eines Kindes. ( Abgesehen von allen anderen Faktoren, die ein Schulbesuch so mit sich bringt. )
Nur loben und Kritik üben an schulischer Leistung ist für ein Kind nicht zufriedenstellend, und bringt es nicht weiter. Es muss unterstützt werden, Hilfeleistung angeboten werden: der Dialog mit dem Kind ist wichtig.
Und ganz wichtig: dass man vermittelt, dass man sein Kind liebt und annimmt, mit all seinen Schwächen auch. Dass gute Leistungen in der Schule nicht das Wichtigste im Leben sind, um glücklich zu werden und ein wertvolles Mitglied in der Gesellschaft darzustellen.
Laß ich erstmal so stehen, denn dem gibt's wenig hinzuzufügen! Auch wird mein Beitrag sonst zu lang ... zu monoton!
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Re: Schulnoten - muss das wirklich sein ?

Beitragvon elfenpfad » Dienstag 1. Februar 2011, 15:28

elfenpfad hat geschrieben:"Es sind ja vor allem die Teenager, die ...."

Der Neandertaler hat geschrieben
... sich dem enorme Leistungsdruck bewußt werden und diesen artikulieren. Aber schon Kleinst-Kinder - im Kindergartenalter - werden überfordert.
Der Schweizer Kinderarzt Remo H. Largo meint zu diesem Thema:

"Terminkalender von Vierjährigen, die zum Babyschwimmen, ins Frühenglisch oder zur Selbstverteidigung geschickt werden, gleichen oft denen von Managern, weil Mütter um diese Defizite zu wissen meinen."

Wenn also schon Kleinst-Kinder sich mit Vokabeln einer Fremdsprachen herumärgern müssen - statt im Wald zu spielen, weiterhin ein volles Programm haben:

Flötenunterricht, Geburtstagsfeier, Fußballtraining, Mathe-Hausaufgaben, etc.,
das ist Streß!

Ja, da stimme ich Dir voll und ganz zu ! (Mit Ausnahme der Geburtstagsfeier, es sei denn, auch diese ist mit frühkindlicher Förderung gespickt :mrgreen: )

Leider fängt dieser Leistungsdruck ja schon im Kindergarten an, bezw. und/auch im Elternhaus. Weil einige Eltern meinen, je früher sie anfangen mit der sog. "frühkindlichen Förderung", umso mehr Chancen hätte ihr Kind dann später beim weiteren Bildungsweg in Richtung Berufswelt.
Was sie ganz dabei ausser Acht lassen ist, dass gerade auch beim spielen und sich darin vertiefen können/dürfen, die Weichen für eine gesunde Psyche gelegt werden. Und diese ist das A und O für den weiteren Lebensweg, in allen Bereichen.

Man nur hoffen, dass solche krassen Ansichten und Erziehungseisen wie hier im Bericht geschildert, nicht um sich greifen und zum Normalzustand werden.
Hohe Arbeitslosigkeitsentwicklung bilden leider auch eine Gefahr für Solche extreme Auswüchse und Ansichten, und können leider in einer Gesellschaft leicht zum Normalzustand werden, die von hoher Arbeitslosigkeit und Konkurrenzdenken geprägt ist.


Die amerikanische Juraprofessorin Amy Chua über das Drillen ihrer Töchter, den strengen chinesischen Erziehungsstil und das Verbrennen von Kuscheltieren als Lernanreiz. Ihr Motto lautet : "Zwang funktioniert" :shock:

SPIEGEL: Frau Chua, Ihre Töchter Sophia und Louisa durften nie bei Freunden übernachten, nie Freunde mit nach Hause bringen und sich nie ihre Hobbys selbst aussuchen. Werden Sie von Ihren Kindern gehasst?

Chua: Ich hoffe nicht! Mir war es wichtig, dass Sophia und Lulu fließend Mandarin und Englisch lernen und dass sie nur Einsen nach Hause bringen. Sophia konnte mit 18 Monaten das Alphabet. Während andere Kinder lernten, von eins bis zehn zu zählen, habe ich ihr die Grundrechenarten und Dezimalzahlen beigebracht. Als sie drei war, las sie Sartre. Natürlich wollte ich, dass meine Kinder Hobbys haben - aber nicht so etwas wie Handarbeit, die zu nichts führt, sondern etwas Sinnvolles und Schwieriges, mit Potential für Tiefe und Virtuosität.


Ganz krass dieser Ausschnitt des Interviews :shock:
SPIEGEL: In einer Szene Ihres Buchs weigert sich Lulu, ein Klavierstück zu üben. Sie drohen Lulu daraufhin, ihr Puppenhaus der Heilsarmee zu spenden und ihre Geburtstagsparty für mehrere Jahre ausfallen zu lassen. Schließlich üben Sie mit ihr bis spät in die Nacht und lassen sie dabei nicht einmal auf die Toilette gehen. Das klingt fast nach Folter.

Oder das hier :shock:
SPIEGEL: "Oh mein Gott, du wirst schlechter und schlechter", haben Sie Sophia einmal beim Klavierüben gesagt, "wenn das beim nächsten Mal nicht perfekt ist, nehme ich dir sämtliche Stofftiere weg und verbrenne sie." Für solche Methoden, Kinder auf Linie zu bringen, werden Sie derzeit in den USA angefeindet.

Chua: Rückblickend mag das Coaching etwas extrem gewesen sein. Andererseits war es effektiv. Mit neun gewann Sophia ihren ersten Klavierwettbewerb.

Das gesamte Inteview einschliesslich eines videos dazu kann man hier vollständig lesen und anhören

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,741314,00.html
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Re: Schulnoten - muss das wirklich sein ?

Beitragvon lesslow » Dienstag 1. Februar 2011, 15:43

Interessant zu dem Thema Schule und Lernen ist vorallem auch, was Herr Doktor Manfred Spitzer zu sagen hat, den wir selbst in der Schule durchnehmen, mit seinen - auf Neurowissenschaften begründeten - Thesen und Versuchen zum Thema Lernen und Schule der Zukunft.

Zukunft schreibe ich hier schräg, da das Schulsystem in Deutschland nur sehr schwer zu ändern ist, selbst die Lehrer, die sich mit Spitzer ausseinandersetzen sind eher skeptisch und haben wenig hoffnung, dass das System in Deutschland zu ändern sei-


Gehirnforschung und Pädagogik: Aufklärung 2.0
Prof. Dr. Dr. Spitzer erklärt Laien wissenschaftliche Zusammenhänge

http://www.suite101.de/content/gehirnforschung-und-paedagogik-aufklaerung-20-a70967



Herr Spitzer ist gerade sehr populär und einer der gefragtesten Wissenschaftler zum Thema Schule, Lernen, Kinder, usw. Das seine "Reformideen" auch Geld, Umstellung und den Willen der Menschen, sowohl Bevölkerung, Eltern, Kindern, Schülern, Lehrern kostet, benennt er nicht weiter, aber er versteht es auch nicht als seine Aufgabe, dies alles zu ändern, sondern lediglich seine Forschungen zu betreiben - Nebenbei DVD's zu produzieren und Auftritte zu absolvieren.

Aber ein großteil von dem was er sagt, ist durchaus richtig und für jeden, der sich an seine Schulkarriere erinnert, nachvollziehbar.
„Ich habe an vielen Dingen keine Freude und glaube an viele Dinge nicht, die der Stolz der heutigen Menschheit sind; ich glaube nicht an die Technik, ich glaube nicht an die Idee des Fortschritts, ja nicht einmal an die Demokratie, ich glaube weder an die Herrlichkeit und Unübertrefflichkeit unserer Zeit, noch an irgendeinen ihrer hochbezahlten Führer, während ich vor dem, was man so ‚Natur‘ nennt, eine unbegrenzte Hochachtung habe.“ - Hermann Hesse
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Re: Schulnoten - muss das wirklich sein ?

Beitragvon Uli » Dienstag 1. Februar 2011, 15:58

Ja, Spitzer ist wirklich Spitze - ich finde es z.B. sehr überzeugend, wie er die schädliche Rolle des Fernsehens für Kinder begründet.
http://www.morgenweb.de/ratgeber/famili ... 16605.html
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