Hallo Uli,
Uli hat geschrieben:Wer gibt uns das Recht, zu meinen, einschreiten zu müssen, nur weil wir zu wissen meinen, wer der Gute und wer der Böse ist?
Abewr wissen wir es wirklich?
im Prinzip existiert für Entscheidungen in dieser Frage die UNO. Sofern sie entscheidungsfähig ist und nicht durch die Einzelinteressen einzelner Staaten blockiert wird. Ist das der Fall, müssen einzelne Staaten oder Staatenbündnisse diese Entscheidungen treffen und für ihre Handlungen Legitimation generieren, nach aussen wie nach innen. An dieser Stelle sei einfach mal aktuell auf die bemerkenswerte Rede des deutschen Bundespräsidenten am Nationalfeiertag der Deutschen verwiesen. Und auf die auch in der internationalen Presse gern zitierte Stelle:
Joachim Gauck am 03.10.2013 hat geschrieben:Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten verschont bleiben von den politischen und ökonomischen, den ökologischen und militärischen Konflikten, wenn wir uns an deren Lösung nicht beteiligen.
Wenn wir uns als Gemeinschaft, aber auch individuell aufgeben, zwischen "gut" und "böse" zu unterscheiden, geben wir im schlechtesten Sinne unsere Menschlichkeit auf und flüchten uns in eine Äquidistanz der beliebigen Opportunität. Möglicherweise sterilisiert man sich dann insoweit erfolgreich, dass man keine Fehlentscheidungen mehr trifft, weil man gar keine Entscheidungen mehr trifft. Diese künstliche Verantwortungslosigkeit sehe ich jedoch nicht als eine erstrebenswerte Norm an.
Uli hat geschrieben:Mich erschreckt die seit Jahrzehnten sich verändernde Mentalität, die militärische Gewalt wieder viel denkbarer macht.
Ich bin halt noch ein Dinosaurier aus der Zeit der Friedensbewegungen der 60er und 70er.
Du hast insofern recht, dass die überwundene permanente Option auf globale nukleare Extinktion konventionelle Auseinandersetzungen wieder führbarer macht, selbst wenn sie den ursprünglich geplanten Rahmen überschreiten. Andererseits ist die Aussetzung des Kalten Kriegs auch verantwortlich dafür, dass die archaisch anmutenden Krisenherde nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" überhaupt stattfinden können. Die Konfrontation der Weltmächte im vergangenen Jahhundert hatte solche aberwitzigen Abenteuer durchaus diszipliniert bzw. kaltgestellt.
Uli hat geschrieben:Sicher, es ist gut, dass das Hitler-Regime gewaltsam beendet wurde. Der Vergleich hinkt aber; es hätte "uns" eh niemand angegriffen, wenn "wir" nicht in die Nachbarländer einmarschiert wären. Und selbst das wurde ja eine Weile toleriert.
Wenn es den Westmächten darum ging, diktatorische Regimes zu beenden, wie konnten sie sich dann mit Stalin verbünden?
Wieso "hinkt der Vergleich"? Abgesehen davon, dass zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs die "moralische" Ausformulierung der internationalen Beziehungen noch defizitärer war als zu heutiger Zeit. Hätten die westlichen Alliierten nicht mit Stalin in der "Anti-Hitler-Koalition" kooperiert, wäre der Kriegsausgang auf russischem Territorium möglicherweise offen oder die braunen Horden aus Deutschland sogar siegreich gewesen. Auch unter der noch frischen Erfahrung mit dem nicht lange zurückliegenden Ergebnis des Ersten Weltkriegs. Der beste Beweis dafür, dass diese Zweckkoalition nicht besonders emphatisch war, zeigt die unmittelbar eintretende Blockkonfrontation zwischen dem Westen und der UdSSR nach 1945, die sich bereits in den Konferenzen von Jalta und Potsdam abzeichnete. Aussenpolitik, insbesondere dann, wenn es um die Anwendung militärischer Gewalt geht, wird aus der Natur der Sache niemals sakrosankt oder unschuldig sein. Egal, ob die Aussenpolitik als globale Innenpolitik (durch die UNO, einzelne Staatenbündnisse oder Einzelstaaten) eher isolationistisch oder interventionistisch definiert und vollzogen wird.
Uli hat geschrieben:Und diese Gruppierungen in Syrien zu unterstützen, die selbst zahllose Verbrechen begehen, UN-Soldaten entführen, Kirchen anzünden, ihre Gefangenen erschießen etc., da sehe ich erst recht keinen Sinn drin. Geht es den Syrern denn wirklich besser, wenn diese Gruppierungen am Drücker sind statt Assad?
Als Alternativbeispiel könnte man auch Ägypten diskutieren. Unter sonst unveränderten Bedingungen (beipielsweise die nicht ausgesetzte Militärhilfe durch die USA) durchlebt dieses Land einen andauernden Konflikt zwischen islamistischen Extremisten, der alten despotischen Elite und den ebenso zu irrationalen fundamentalistischen Ansichten neigenden Aktivisten des abgebrannten "arabischen Frühlings". Ohne dass der Westen aktiv parteiisch interveniert hätte. Das lässt den Schluss zu, dass die wenig erstrebenswerte Lage in diesen Krisenländern weniger davon abhängt, welche Haltung der Westen gegenüber diesen Ländern zeigt. Aussschlaggebend sind die grundsätzlichen Defizite in der Entwicklung der Zivilgesellschaft in diesen Ländern selbst. Diese von aussen korrigieren zu wollen, ist definitiv nicht einfach, immer ambitioniert und gegen Rückschläge offensichtlich nicht immun.
Grüsse galileo2609