Die Illusion des "Ich"

Psychologie und das Seelenleben, der Sinn des Lebens und Lebensträume, Hoffnungen und Ängste, Liebe, Zorn und Gefühle, Ego, Selbstbewusstsein, Sinnlichkeit und der Tod

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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon Spacerat » Dienstag 5. Mai 2015, 10:39

Hallo Ralf M.
Mal eine Frage am Rande. Würdest du einen Überlebensinstinkt bereits als Ich-Bewusstsein ansehen? Ich versuche immer noch dahinter zu kommen, was du als Ich-Bewusstsein ansiehst. Ist man sich durch ein Bewusstsein bewusst geworden, dass man ein Individuum ist? Man muss doch zunächst erstmal ein Bewusstsein haben, um ein Ego auszuprägen. Mir fällt dazu grad spontan
Pottwal und Petunientopf
ein. :D (btw.: Die Youtube-Verlinkung verweigert den Dienst!)
Verbunden mit der Frage, ob du dich noch an dein 1. Lebensjahr erinnern kannst, weil so etwas gehört zu einem Ego nun mal dazu. Ich geh' mal davon aus, dass du dies, wie jeder andere Mensch (bzw. Lebewesen mit ausgeprägtem Ego) auch, nicht kannst. Man kann im Augenblick der Geburt nicht die Gedanken des Petunientopfes haben, es sei denn, man vergisst infolge dessen, warum man das dachte. Was in Folge deines Ablebens mit deinem Ego passiert liegt mit Sicherheit auch nicht mehr an dir, sondern nur noch an den Lebenden, an deren Egos du mehr oder weniger mit geprägt hast. Aber selbst wenn es anders wäre, warum will man es wissen, bevor es notwendig ist? Ausprobieren geht ja nicht, wiederbeleben zählt nicht.
Kurz gesagt: Ein Ego ist deswegen keine Illusion, weil es innerhalb genau eine einzige Lebensspanne ausgeprägt wird und mit genau dieser einen Lebensspanne endet. Illusion hingegen ist es, anzunehmen, ein anderes Lebewesen würde mit genau jenem Ego geboren, welches ein anderes in einer vorhergehenden Lebensspanne geprägt hat. Obgleich... Man hat immer noch die Möglichkeit sein Ego durch niedergeschriebene Worte und Taten eines anderen auf genau dieses eine andere Ego zu prägen, allerdings hat man dann weniger ein Ego, sondern mehr ein Idol (Grundlage einer Religion). Wird nichts niedergeschrieben, kann man auch keine Idole haben. Evtl. sieht man Tiere deswegen auch nicht beten. ;)
Ein Bewusstsein ist zumindest nicht gleichbedeutend mit Selbstbewusstsein, Selbstbewusstsein mit Ich-Bewusstsein hingegen schon.

Grüße
Zuletzt geändert von Spacerat am Dienstag 5. Mai 2015, 19:44, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Dienstag 5. Mai 2015, 19:30

Hallo ralfkannenberg,

Ich habe nirgends behauptet, dass ich Zugriff auf ein anderes "Ich" habe. Mein "Ich" ist voellig isoliert von allen anderen. Wenn ich verstorben bin, wird es aber wieder ein selbstbewusstes Wesen geben, dass aus der Ich-Perspektive sein Leben wahrnimmt. Meine These will meinen, dass dieses andere Wesen ebenfalls ein "Ich" ist. Es wird also ebenso real aus der Ich-Perspektive gelebt werden, wie jetzt Ralf Maeder gelebt wird.

Religion und Gott sehe ich als kulturelle Mystik an, die ersonnen wurde, um unser Dasein zu rechtfertigen und einen vermenschlichten Sinn zu geben.

Was deine Forderung nach wissenschaftlichee Argumentationskette betrifft, so finde ich das hier unangebracht, da das philosophische Fragen sind und ausserdem nur eine These eines relativ unstudierten Menschen ist (von mir). Dennoch mache ich den Versuch, meine Gedanken offenzulegen mit der Hoffnung neue Einsichten und Denkanstoesse von anderen zu erhalten.

Gruss Ralf Maeder.
Zuletzt geändert von ralf Maeder am Mittwoch 6. Mai 2015, 05:28, insgesamt 3-mal geändert.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Dienstag 5. Mai 2015, 19:44

Hallo Spacerat,

Einen Ueberlebensinstinkt wuerde ich nicht als "Ich-Bewusstsein" bezeichnen. Aus meiner Sicht sollte das (Lebe-)Wesen genug Intelekt haben, um seine eigene Existenz zu erkennen damit von einem "Ich-Bewusstsein" gesprochen werden kann. In diesem Kontext kann man sagen, dass auch ein Mensch eine gewissse kognitive Entwicklungsstufe erreichen muesste, um diese Forderung zu erfuellen (Eizelle, Embrio, Saeugling, Baby. Das Erkennen im Spiegel koennte ein erster Hinweis darauf sein. Bleibt die Frage, wie man es beurteilt, dass gewisse Spezies sich ebenfalls im Spiegel erkennen.)

Ich verstehe nicht was du als Ego bezeichnest. Kannst du das mal erklaeren? Auch wuerde ich mich interessieren, was deiner Meinung dazu gefuehrt hat, dass es Spacerat gibt und wieso du nun gerade Spacerat bist. Was bedeutet der Tod? Ist das "Ich-Erlebnis" einzig und allein auf die Existenz von Spacerat angewiesen?

Gruss Ralf Maeder.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon Spacerat » Dienstag 5. Mai 2015, 20:10

Hallo Ralf M.

ralf Maeder hat geschrieben:Ich verstehe nicht was du als Ego bezeichnest. Kannst du das mal erklaeren? Auch wuerde ich mich interessieren, was deiner Meinung dazu gefuehrt hat, dass es Spacerat gibt und wieso du nun gerade Spacerat bist. Was bedeutet der Tod? Ist das "Ich-Erlebnis" einzig und allein auf die Existenz von Spacerat angewiesen?

Gruss Ralf Maeder.

Ego=Ich; Egoist=Ichmensch ;)

Also mein Ego ist natürlich in erster Linie auf mich selbst bezogen. Um es in allgemein menschlich verständlicher Sprache auszudrücken: Ich dulde keine Götter neben mir. :D (Sollte evtl. dazu sagen, dass in meiner Lebensphilosophie keine Götter existieren, nicht mal der eine oder irgend so ein Allah.)
Jeder ist sich (im Zweifelsfalle) selbst der nächste und kann sich, wenn er will, Idole suchen, von denen er was lernen will. Diese Erkenntnis hat dafür gesorgt, dass es mich so gibt, wie ich bin. Sich über den Tod Gedanken zu machen, ist lt. meiner Lebensphilosophie Zeitverschwendung, ebenso wie beten oder sonstige religiöse Riten (Ich werde zu Weihnachten auch nicht sentimental). Zu entscheiden, ob mein Ego auf mich angewiesen ist, liegt nicht mal in meiner Macht. Ich hinterlasse im Leben Eindruck oder nicht. Ob sich jemand nach meinem Tod an mich erinnert und in meinem Sinne spricht und handelt, kann mir herzlich egal sein. Hört sich zwar jetzt alles egoistisch an, aber ob das drum herum ebenso egoistisch ist, solltest du meine Mitmenschen fragen.
Spacerat ist doch nur ein Name, den ich mir zur Abwechslung mal selbst geben durfte. RL Vor- und Nachname habe ich von meinen Eltern geerbt, dafür kann mein Ego nichts.

Grüße
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Mittwoch 6. Mai 2015, 16:10

Hallo Spacerat, deine Gedanken sind immer darauf ausgerichtet, was das Individuum aus seinem irdischen Leben macht. Dies sind nicht die Fragen, die ich hier im Thread stelle. Mein Fokus liegt darin zu hinterfragen, was unsere Existenz ausmacht.

Gruss Ralf.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon Spacerat » Mittwoch 6. Mai 2015, 18:40

Hallo Ralf M.
Für mich ist diese Frage einfach beantwortet. Es ist die Fähigkeit, ein Selbstbewusstsein (Ego; Ich) auszubilden. Das hat weder etwas Magisches noch etwas Philosophisches.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Mittwoch 6. Mai 2015, 18:52

Spacerat, deine Schlussfolgerung waere fuer mich unbefriedigend.

Nun muss ich zugeben, dass auch meine persoenlichen Vorstellungen im Laufe meines Lebens sich aenderten und eine Meinung/These, die ich vor einiger Zeit fuer logisch hielt, spaeter durch neue Ideen verdraengt wurde. Dennoch sind die Fragen nach der Existenz des Individuums und auch des Universums fuer immer praesent, sie werden im Laufe der Zeit nur anders beantwortet.

Gruss Ralf Maeder.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Montag 11. Mai 2015, 06:44

Hallo nocheinPoet,

ich habe eine englische Version des von dir vorgeschagenen Buches aufstoebern koennen. Meine Englisch-Kenntnisse sind recht gut, dennoch blieben einige Stellen unverstaendlich. Ich denke aber schon, dass ich das Grundlegende verstanden habe. So hat mich Alan Watts Aussage ueberrascht, warum er meint, dass unser "Ich" eine Illusion sei. Das muss ich erst ein wenig verdauen.

Was den Tod des Individuums angeht und des "Ich"-Bewusstseins, so macht er im letzten Buchabschnitt Andeutungen, die sich mit meiner Idee eines wiederkehrenden "Ich" decken und ebenfalls haelt er es fuer moeglich, dass Zeitintervalle zwischen den Manifestationen des "Ich" beliebig lang sein koennen.

Ein erfreulicher Fund dafuer, dass meine Gedanken durchaus von dem einen oder anderen Mitmenschen ebenfalls gedacht wurden.

Gruss Ralf Maeder.
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon Dgoe » Samstag 30. Mai 2015, 21:51

Hallo Ralf M.,

ich finde, Du widersprichst Dir manchmal selber. So beschreibst Du im ersten Post einen Übergang von einem zum nächsten Ich, dann später mit Pause und dann wieder ganz unabhängig voneinander und eigentlich hin und her, mal so, mal so.

Überhaupt ginge das alles nur, wenn die Ichs identisch wären. Sind sie aber nicht. So benutzt Du zwar das Wort Individuum, aber argumentierst so, als ob es keines gäbe.

Wenn man von Deinen Grundvoraussetzungen ausgeht plus der Variante, dass da keine Verbindung über den Tod hinausgeht, also nicht Reinkarnationsmäßig, plus Individuen, dann hast Du halt einen Haufen verschiedener Ichs, die da unabhängig (bis auf die Elternlinie) kommen und gehen. Fertig.

Jedes Ich für sich ist vollkommen einzigartig, hat aber auch jede Menge Gemeinsamkeiten zu anderen. Die zerbrochenen Teller waren ein gutes Beispiel von fallili. Es gibt auch Grauzonen, Gruppen an Gemeinsamkeiten, usw.


Nimm doch Schneeflocken. Keine ist wie die andere. Also keine einzige, wie noch eine 2te. Never. Es gibt aber Gruppen, rund 120 oder 160 gezählte oder so (vergessen), steht in einem Buch, das zu 99% aus Fotos von Schneeflocken besteht, zig pro Seite (ach, und ohne skurrile Theorien dazu).

Mich erinnerten, bei Lektüre des Threads, Deine Gedankengänge an ein Phänomen, dass ich mal nennen möchte, welches mich oft echt nachhaltig verblüfft hatte:
Denn ich lese manchmal gerne die Kommentare zu Newsartikeln der Weltpresse, politische oder sonst welche.
Dabei lese ich etliche, die überhaupt nicht zu meiner Meinung passen und dann kommt 's, dann schreibt jemand bis ins letzte i-Tüpfelchen genau, exakt meine Meinung nieder. Besser hätte ich es selber nicht formulieren können.
Nimmt mir die Worte von der Zunge, so phänomenal manches mal, über Absätze hinweg, dass ich denke, der/die ist wie ich, das bin doch ich - aber ich hab ja nix getippt. Tja.

Nun sind wir just über 7 Milliarden, na und, so what?
Das kann sich leider auch ganz schnell ändern wieder. Bedrohungen aus dem All und aus jeder Richtung im Grunde, auch von unten.
So hat es je nach Zählart 5 oder 7 oder mehr, vor allem 5 Massenextinktionen gegeben schon, vor der Menschheit. Die Menschheit selber hatte auch einen Einbruch, auf geschätzte 10 Tausen Individuen dezimiert; nicht zuletzt legt die Mitochrondien-DNA oder -RNA nahe, dass wir alle von genau einer Mutter abstammen. Wenn das mal nicht knapp war...

Aussterben ist Alltag.

Und dann wäre vorbei mit unseren Ichs, wenn wir dran sind. Ganz einfach.

Gruß,
Dgoe
Alle sagten immer das geht nicht, dann kam jemand, der das nicht wusste, und hat es einfach gemacht!
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Re: Die Illusion des "Ich"

Beitragvon ralf Maeder » Sonntag 31. Mai 2015, 17:27

Hallo Dgoe,

schade dass meine Gedankengaenge selbst nach so vielen Erklaerversuchen nicht kohaerent scheinen. Ich muss mich eben damit abfinden. Dennoch hat meine These aus meiner Sicht durchaus Logik. Das Thema hatte mich nun eine ganze Weile beschaeftigt. Bevor ich meine These aufgestellt hatte, war stets der Knackpunkt fuer mich, wie ich meine Existenz rechtfertigen koennte. Warum jetzt, warum hier, was passiert nach dem Tod, ist das Ich eine Eintagsfliege in der Geschichte des Kosmos? Nun bin ich kein religioeser Mensch sondern ich sehe unser Dasein als ziemlich nuechtern an. Aus diesem Grund sind Annahmen ueber Seele und Leben nach dem Tod auch nicht akzeptabel fuer mich.

Dennoch ist das Phaenomen der Existenz fuer mich nicht befriedigend beantwortet mit der herkoemmlichen Sichtweise, die z.B. du vertrittst und Fallili und sicher viele andere. Ist sicher eher eine philosophische Fragestellung und nicht wissenschaftlich, weil unbeweisbar.

Den wichtigen Unterschied zu eurer Sichtweise, den ich herstelle, ist dass das "Ich" universell ist, will meinen dass es immer ein "Ich" geben wird solange es selbstbewusstes Leben gibt. Und wenn man radikal sein wollte, dann koente man sogar behaupten, dass selbst ein Ameise, eine Pflanze oder eine Bakterie eine Form von Existenz aufweisen koennte, die man allerdings kaum als "Ich" bezeichnen koennte.

Wie immer scheiden sich bei solchen philosophischen Fragen die Gemueter und jeder glaubt das, was ihm am einleuchtendsten erscheint.

Gruss Ralf Maeder.
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