Dgoe hat geschrieben:ralfkannenberg hat geschrieben:Ich möchte hier gerne mal die Meinung anderer abwarten ehe ich meine Meinung dazu kundtue, eine Meinung, die sich weniger auf irgendwelchen Wikipedia-Definitionen als vielmehr auf meine eigene Erfahrung in dieser Angelegenheit abstützen wird und entsprechend diskutabel und optimierbar ist.
am allermeisten interessiert mich persönlich speziell Deine Meinung!
Hallo Dgoe,
an sich kann man das machen wie man will; grundsätzlich muss man einfach zwischen diesen 3 "Phasen" unterscheiden:
(1) Voraussetzungen
(2) Theorem bzw. Behauptung
(3) Beweis
Um die Vorausetzungen übersichtlich zu halten, unterteilt man hier weiter, damit man nicht jedesmal ellenlange Listen mitführen muss. Ganz wichtig ist die
Definition, also gewissermassen die Einführung einer gemeinsamen Sprache. Man definiert gewisse Begriffe wie z.B. was eine Gruppe ist, was ein Ring ist, was ein Körper ist, was ein Assoziativ-/Kommutativ-/Distributivgesetz ist, was "Abgeschlossenheit" bedeutet, was ein Neutralelement und ein inverses Element bezüglich einer vorgegebenen Verknüpfung ist, was ein Nullteiler ist usw. usw. usw.
Das sind also die Begriffe, die man nutzen möchte. In diesen Bereich gehört übrigens auch die Festlegung von
Konventionen. Eine solche Konvention ist beispielsweise, dass man kommutative Gruppen additiv schreibt, dann sieht jeder Mathematiker sofort, dass diese Gruppe zusätzlich kommutativ ist. Aber man könnte sie natürlich auch mit roten Buchstaben schreiben - wenn jeder diese Notation versteht, wäre das auch eine geeignete Konvention.
Dann gibt es noch die
Axiome in der Mathematik und die
Postulate in der Physik. Das sind Voraussetzungen, die stillschweigend gelten sollen. Solche Voraussetzungen sind zwar meistens "historisch" motiviert, brauchen aber nicht näher begründet zu werden: man will das einfach so haben und basta. Allerdings werden schlechte Axiome nicht zu einer widerspruchsfreien Mathematik führen und schlechte Postulate nicht zu Ergebnissen, die mit den Experimenten übereinstimmen.
Was ich als
Theorem bezeichnet habe, kann man ebenfalls unterteilen, das wird oftmals aus didaktischen Gründen so gemacht. Vor allem bei sehr umfangreichen Beweisen ist es üblich, das Theorem in mehrere Lemmata (Plural von "
Lemma") zu unterteilen, das sind "Hilfssätze". Meistens ist das Theorem das grosse Ganze, was man gut verstehen kann, also der "Hauptsatz", und in den Lemmata steckt dann die ganze Detailarbeit drin. Die Unterteilung in Lemmata erfolgt in der Regel nach thematischen Kriterien und deren Beweis ist eher etwas für die Fachperson, d.h. den Laien belästigt man üblicherweise nicht damit.
Und ein
Korollar ist eine Folgerung, d.h. man hat nun z.B. 3 Lemmata bewiesen und wenn man diese zusammensetzt, so folgt etwas, was man gar nicht mehr zu beweisen braucht, weil es offensichtlich aus den Lemmata oder auch aus einem Therorem folgt.
Es gilt als guter Stil, wichtige Theoreme - an nennt diese dann oftmals auch "Hauptsatz" - so in Lemmata zu unterteilen, dass sich dann das Theorem selber als Korollar der Lemmata ergibt. Man setzt dann das Theorem quasi wie Bauklötzchen zusammen. Aber eben - das ist Geschmackssache: es gibt keine Vorschriften, was ein "Hauptsatz" und was ein "Hilfssatz" ist und es gibt auch Lemmata, die so wichtig sind, dass sie als "Lemma" jedem Mathematiker bekannt sind.
So gibt es beispielsweise das "Auswahlaxiom", also ein Axiom, dann den "Wohlordnungssatz", also ein Theorem, und schliesslich noch das "Zorn'sche Lemma", also ein Lemma. Man kann zeigen, dass die drei äquivalent sind. Was auf den ersten Blick nach einem Widerspruch aussehen mag ist aber keiner: wenn das Zorn'sche Lemma erfüllt ist, dann ist sogar der Wohlordnungssatz gültig, und dann ist automatisch die Voraussetzung des Auswahlaxioms gegeben. Und
umgekehrt, sonst wären die drei ja nicht äquivalent !
Verbleibt noch der Beweis. Tatsächlich wird man versuchen, die Theoreme so in Lemmata aufzuteilen, dass die Beweise noch übersichtlich bleiben.
Noch ein Beispiel zu den Prüfungen: wenn man die Definitionen auswendig gelernt und verstanden hat und die Theoreme und die wichtigsten Lemmata ohne Sinn und Verstand wenigstens auswendig nachplappern kann, so genügt das in der Regel an der Universiät für eine genügende Note, auch wenn man vom Stoff absolut nichts verstanden hat und auch die einfachste Übungsaufgabe nicht lösen kann.
Wenn man auch einfache Übungsaufgaben mit Hilfe des Professors lösen kann und vielleicht von einem wichtigen Theorem - pro Semester gibt es da pro Fach in der Regel nur zwei oder drei davon - und idealerweise auch von einem zentralen Lemma die grobe Beweisidee dem Professor erläutern kann, so reicht das meistens schon für eine gute Note.
Im Vordiplom oder Schlussdiplom lohnt es sich also, auch ein schlechtes Fach, von dem man absolut nichts verstanden hat, seriös vorzubereiten und die Definitionen und den Wortlaut der wichtigsten Theoreme auswendig zu lernen; wenn der Professor nicht allzu böswillig ist und Du die auswendig gelernten Definitionen, Theoreme und Lemmata sicher aufsagen kannst, wird er Dir helfen und Du kommst mit einer genügenden Note heraus. Und eben: eine genügende Note braucht man nicht zu kompensieren !!!
Es ist übrigens
harte Arbeit, die Definitionen und Wortlaute der wichtigsten Theoreme und Lemmata auswendig zu lernen, d.h. wer dann meint, tagsüber mit Freunden ausgehen zu können und abends in die Disko und nach dem Mittagessen mit einem Markierstift ein bisschen im Vorlesungsskript anzustreichen, wird keine genügende Note erhalten. Aber es ist gut zu wissen, dass in einem schlechten Fach eine genügende Note machbar ist, wenn man bereit ist, sich seriös vorzubereiten, auch wenn das Verständnis nicht gerade das beste ist. - Ja ich habe sogar die Erfahrung gemacht, dass die Note mit der Zahl der seriösen Vorbereitungstage korreliert war, und keineswegs mit dem Mass meines Verständnisses. Das Verständnis kommt erst dann ins Spiel, wenn die Note sehr gut werden soll.
Dgoe hat geschrieben:Den, des besten Lehrers, den ich je hatte.
Oh je, ich bedauere, dass Du nie einen besseren hattest. Ich hatte einen super Mathematik-Lehrer, ohne den ich dieses Studium vermutlich nie gewagt hätte. Er war sehr geduldig und sehr wohlwollend und hat sich immer auf die ganz einfachen Dinge beschränkt und diese aber dann intensivst üben lassen. Da hatte man dann Erfolgserlebnisse und hatte Lust, weiter zu machen, weil man irgendwann die Zuversicht hatte, dass man auch die nächste Aufgabe wird lösen können. Ich versuche, wenigstens den beiden letzten Attributen gerecht werden zu können, aber mit der Geduld habe ich es einfach nicht so. Deswegen ist es gut, dass ich nicht Lehrer geworden bin.
Mein Musiklehrer war leider ein wenig begnadeter Mathematiker und meine Mutter hat oft von Eltern gehört, die wegen ihm verzweifelt waren. In Musik war er aber ein völlig anderer, äusserst grossherziger Mensch und hat eine so unmusikalische Type wie mich, der ich im Abitur als einziger kein Instrument gespielt habe, stets mit einer guten Note bedacht. Und wenn wir in der Partitur lesen mussten (der Alptraum), so setzte er sich immer sofort neben mich, führte seinen Zeigefinger durch die Noten und erklärte mir das alles, was es da gab; das war spannend und hat mir immer sehr gut gefallen und vielleicht ist er der Grund, dass ich Jahrzehnte später einem Kirchenchor beigetreten bin und dort sehr gerne mitsinge.
Freundliche Grüsse, Ralf